NEWS

Ökologie-Experte: Lügen haben kurze Beine

Klimaschutz durch naturnah bewirtschafteten Buchenwald, wie hier auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg, oder wie ...

... hier in Schleswig-Holstein, kann nicht unendlich, wie von der Bundesregierung „schöngerechnet“, der Erhöhung der Kohlenstoffvorräte in Wäldern dienen. Fotos: Roland Irslinger

Das Klimaschutzgesetz: „Das beknackteste Gesetz, das der Deutsche Bundestag jemals verabschiedet hat. Dieses Gesetz ist das Gegenteil von Generationengerechtigkeit, unsere Enkel werden es büßen müssen!“

BERLIN / KARLSRUHE. - Mit Beschluss des Bundesverfassungs-gerichts vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18; 1 BvR 78/20; 1 BvR 96/20; 1 BvR 288/20) hat der Erste Senat des Gerichts entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 (Klimaschutzgesetz <KSG>) über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen.

Die Änderung des Klimaschutzgesetzes ist inzwischen in Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Darin wird für die Jahre 2030, 2040 und 2045 festgelegt, welche Beiträge im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) erreicht werden sollen.

„Dabei soll die Emissionsbilanz des Sektors LULUCF insbesondere durch die Erhöhung der Kohlenstoffvorräte in Wäldern schöngerechnet werden. Die Wälder in Deutschland sollen dauerhaft (!) eine Senke bleiben und weit über eine Milliarde (!) Tonnen Kohlendioxid zusätzlich zu den heutigen Vorräten speichern.

Das werden sie aber nicht tun, dieses Ziel wird niemals erreichbar sein!“, sagt der Tübinger Ökologie-Professor a.D. Roland Irslinger.

„Die Bundesregierung versucht, mit dieser Luftbuchung den Anschein zu erwecken, dass eine Fast-CO2-Neutralität bis 2045 auf diesem Wege möglich sei. Andererseits weisen neueste Forschungsergebnisse darauf hin, dass das Erreichen dieses Zieles faktisch unmöglich ist.“

Gründe dafür seien:

1. Die Kohlenstoffvorräte der Wälder in Deutschland liegen mit 3,8 Milliarden m3 nahe an ihrer natürlichen Obergrenze;

2. Wälder leiden bereits jetzt unter den Folgen des Klimawandels mit abnehmenden Kohlenstoffvorräten infolge der Hitzesommer 2018 bis 2020, dadurch werden Wälder immer mehr zur CO2-Quelle;

3. Kohlenstoffvorräte werden bedingt durch zunehmend heiße und trockene Sommer von Natur aus abnehmen (Dürre an Bäumen, Käfer an auch Laubbäumen, Waldbrände), das dabei freigesetzte CO2 wird das Klima belasten;

4. Eine Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung (Waldsenke) in den Wäldern in Deutschland ist nicht mit EU-Recht vereinbar: In der VERORDNUNG (EU) 2018/841 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. Mai 2018 über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 und des Beschlusses Nr. 529/2013/EU steht unter (7):

Damit Maßnahmen, die insbesondere auf eine verstärkte Kohlenstoffspeicherung abzielen, wirksam sein können, müssen Kohlenstoffspeicher unbedingt langfristig stabil und anpassungsfähig sein. Überbevorratete Wälder sind unter dem Einfluss des Klimawandels niemals stabil;

5. Das Ziel höherer Kohlenstoffvorräte soll durch eine Förderung der Stilllegung von Wäldern erreicht werden, diese Förderung ist mit EU-Recht nicht vereinbar;

6. Das Grundprinzip der Klimaschutzgesetzgebung weltweit ist: Vermeidung vor Kompensation! Die Erhöhung der Waldsenke bedeutet aber Kompensation fossilen Kohlenstoffs und unterwandert den Klimaschutz massiv!

7. Eine Stilllegung von Wäldern dient nur in den allerwenigsten Fällen dem Artenschutz, zum Artenschutz sind gezielte Einzelmaßnahmen wesentlich erfolgversprechender;

8. Um Nachfrage nach Holz dennoch zu befriedigen, werden Holzimporte zunehmen und Naturwälder z.B. in Sibirien abgeholzt, dadurch werden unüberschaubare Mengen an CO2 freigesetzt;

9. Durch die Stilllegung von Wäldern werden künftig großflächige Plantagen mit nicht-heimischen Baumarten entstehen, um den Holzbedarf (Holzbauoffensive!) zu decken (segregative Forstwirtschaft).

„Diese politische Weichenstellung unter Missachtung von EU-Recht schadet dem Klima massiv, nicht nur in Deutschland! Der Versuch zur Erhöhung der Waldsenke spart uns kein einziges Gramm CO2! Diese Politik ist nicht nachhaltig und schützt das Klima nur auf dem Papier!“, sagt der Ökologie-Experte abschließend.