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Angela Merkel: Digitalisierung zum Wahlkampffinale ganz oben auf der Agenda

Zum Wahlkampfendspurt vor der am kommenden Sonntag anstehenden Bundestagswahl kam die Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende nach Heppenheim an der Bergstraße

HEPPENHEIM. - „Niemand wird Steuererhöhungen zu befürchten haben in den nächsten vier Jahren mit einer CDU-geführten Bundesregierung. Wir werden vielmehr die Steuern im Umfang von 15 Milliarden Euro für kleinere und mittlere Einkommen senken.“

Dieses Versprechen machte Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer finalen Wahlkampftour durch Deutschland am heutigen Freitag in Heppenheim, und räumte freimütig ein „wir haben schon lange darüber gesprochen, aber jetzt werden wir es tun“.

„Ab 2020, wenn die neuen Länder Teile des Bund-Länder-Finanzausgleichs sein werden, können wir den Solidaritätszuschlag schrittweise senken“, garnierte die Kanzlerin ihre Zusage noch mit einem weiteren Zugeständnis an das Wahlvolk. „Das tun wir wieder für alle, weil alle am Aufbau der Deutschen Einheit beteiligt waren.“

Es sei auch an der Zeit, dass „wir endlich auch den Freibetrag für Kinder so hoch ansetzen wie den für die Erwachsenen. Das sei ein Zeichen für die Familien und verdeutliche „Kinder sind uns genau so viel wert, wie die Erwachsenen“.

Werbung für Erst- und Zweitstimme

Vor rund 3.000 Menschen warb die christdemokratische Kanzlerin im Parkhof der Bergsträßer Kreisstadt zwei Tage vor der Bundestagswahl am Sonntag bei ihrem drittletzten Wahlkampf-Auftritt um Erststimme für den Bergsträßer Bundestagsabgeordneten Michael Meister und Zweitstimme für sich, „denn ich würde gerne wieder vier Jahre als Bundeskanzlerin arbeiten“.

Die Wahl sei nicht entschieden, „deshalb kommt es auf jede Stimme an“, rief die Kanzlerin zum Urnengang auf.

Digitale Herausforderungen

„Wir wissen auch, dass der digitale Fortschritt besondere Aufgaben an uns stellt, insbesondere, was die Bildung unserer Kinder anbelangt“, fand auch die Digitalisierung Eingang in Merkels Positionierung.

„Da müssen wir ein besonderes Augenmerk drauflegen, weil Bildung der zentrale Punkt ist, dafür zu sorgen, dass wir auch morgen und übermorgen erfolgreich sind.“

Wahlprogramm nach Ballungsräumen und ländlichen Regionen unterteilt

Kinder müssten „wie wir alle das in der Schule gelernt haben“, lesen schreiben und rechnen lernen. „Aber heute kommt noch was dazu: sie müssen sich in der digitalen Welt zurecht finden, sie müssen auch programmieren können. Das ist ein Einschnitt, das ist eine völlig neue Technologie, ähnlich der Zeit, als die Buchdruckerkunst eingeführt wurde.“

So wie die Menschen damals Bücher lesen konnten, so könne man sich über die Digitalisierung Zugang zu allen Informationen dieser Welt besorgen, „aber man muss damit auch umgehen können“. Weil das ein Einschnitt sei, habe man beschlossen, dass Bund und Länder in der Schulpolitik zusammenarbeiten.

„Wir wollen dafür Sorge tragen, dass auch in den ländlichen Regionen alle Schulen, die es heute noch nicht sind, ans breite Internet angeschlossen werden. Wir wollen auch dafür Sorge tragen, dass ordentliche digitale Bildungsinhalte zur Verfügung stehen.“

Weiterbildung auch für Lehrer

Der vielleicht wichtigste und schwierigste Punkt in diesem Zusammenhang sei, wenn 12- bis 15-Jährige zur Schule kämen und alles auf dem Computer können, während der Lehrer nie gelernt habe, wie man so etwas unterrichtet.

„Deshalb brauchen wir Weiterbildung auch für Lehrer, damit sie die Schüler gut unterrichten können.“ Das sei ein wichtiger Block, um den Wohlstand der Bundesrepublik zu sichern.

Vor diesem Hintergrund habe man im CDU-CSU-Wahlprogramm die Probleme nach Ballungsräumen und ländlichen Regionen unterteilt.

„Familien sind die Zukunft unseres Landes“

Während es in Ballungszentren vor allem auf die Schaffung von Wohnraum ankäme, „brauchen wir in den ländlichen Räumen vor allem eine gute ärztliche Versorgung, die erwähnte Internetanbindung und einen guten Nahverkehr sowie Schulen, möglichst dicht am Wohnort“.

Ein großer Schwerpunkt des christdemokratischen Wahlprogramms sei die Unterstützung von Familien. „Familien sind die Zukunft unseres Landes“, sagte die Kanzlerin.

„Wir müssen gute Gesetze machen“

„Wir müssen gute Gesetze machen“, bekannte Merkel zum Thema innere Sicherheit, denn schließlich könne es nicht angehen, dass Polizistinnen und Polizisten mit guter Aufklärungsarbeit Täter „hinter Schloss und Riegel bringen“ und nach zwei Wochen seien sie wieder draußen.

Es sei auch wichtig, dass die Ermittlungsbehörden auf gleichem technischen Level arbeiten könnten, wie diejenigen, „die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen“.

„Es lohnt sich für Europa als Friedensprojekt zu arbeiten“

Solange man in Europa miteinander spreche, könne man nicht die Vorurteile gegeneinander wachsen lassen, sondern müsse weiter gemeinsam nach Lösungen suchen und diese finden, positionierte sich die Kanzlerin klar für eine weiterhin stabile europäische Einheit.

Das bedeute, es „kommt kein Hass und keine Gewalt auf“. Nur solche gemeinsamen Lösungen sicherten „Europa als Friedensprojekt, und es lohnt sich schon für Europa zu arbeiten, um diesen Frieden auch für die nächsten Jahrzehnte zu sichern“.

„Nur eine diplomatische Lösung, alles andere führt ins Unglück“

Mit Blick auf die schwelende Bedrohung durch Nordkorea sagte Angela Merkel: „Wir alle sind beunruhigt, wenn wir sehen, was für Atomtests in Nordkorea durchgeführt werden. Aber auch hier sage ich ganz eindeutig: Hier gibt es nur eine diplomatische Lösung, alles andere führt ins Unglück.“ Deshalb sei Deutschland und auch Europa bereit mitzuhelfen, diesen Konflikt zu lösen.

Dank sagte die Kanzlerin an Kommunalpolitiker und die zahlreichen Ehrenamtlichen, „die in einer Stunde der humanitären Not den Menschen geholfen haben“, die nach Deutschland geflüchtet sind. Viele Menschen hätten mit angepackt, weil es galt „Menschen in Not zu helfen“.

„2015 darf und wird sich nicht wiederholen“

Gleichzeitig betonte Merkel, „dass sich 2015 nicht wiederholen darf und wiederholen wird“. Falsch sei damals nicht gewesen, die Menschen in Not bei uns aufzunehmen, „sondern, dass wir vorher nicht genug darauf aufgepasst haben, was außerhalb der Europäischen Union los war“.

Die Lehre, „die wir daraus ziehen müssen, in Deutschland und Europa wie überall auf der Welt, heißt: wir müssen uns vor Ort um die Situation der Menschen in Not kümmern, wir müssen bei den Ursachen von Flucht und Vertreibung ansetzen“.

Wenn im Zusammenhang mit den Flüchtlingen, aber auch im Zuge der Globalisierung immer wieder die Diskussion aufkomme nach der Frage, „was macht uns aus in Deutschland, dann ist das charakteristische an uns, dass wir alle unterschiedlich sind“.

„Die CDU steht für Maß und Mitte, und in der Mitte liegt ihre Kraft“

An der Bergstraße hätten die Menschen andere Eigenschaften als anderswo. „Wenn ich heute noch in Ulm bin, haben die Ulmer wieder ihre eigene Tradition, hinterher bin ich in München, die sind sowieso was Besonderes“, hatte Angela Merkel die Lacher auf ihrer Seite.

„Die CDU steht seit ihrer Gründung für Maß und Mitte. Und in der Mitte liegt ihre Kraft“, entließ die Kanzlerin ihr Auditorium ins Wahlwochenende.

Gegenpole: Friedliche Windkraftgegner und AfD-Hassparolen

Die Veranstaltung der Christdemokraten wurde begleitet von zwei völlig unterschiedlichen Demonstrationen. Eine Gruppe von rund 30 Anhängern der AfD Bergstraße wollte schon eine gute Stunde vor dem Auftritt der Kanzlerin mit lautstarken Hassparolen auf sich aufmerksam machen.

Deutlich größer war ein Demonstrationszug von knapp 200 friedlichen Windkraftgegnern der Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal, die lautstark und mit zahllosen Transparenten durch die Stadt gezogen waren, und auf dem Parkhofparkplatz Position bezogen, um gegen die „windige Politik der Kanzlerin“ zu protestieren.

Auch wenn die verabredete gegenseitige Rücksichtnahme zwischen Windkraftgegnern und CDU bei der Beschallung durch die veranstaltenden Christdemokraten nicht eingehalten wurde, verlief die Großveranstaltung jederzeit friedlich. Fotos: er