Wie die Deutsche Bahn Reisenden den Urlaub verdirbt
ICE oder Auto, hier im Siebengebirge begegnet man sich.
Schöner Anblick: Zwei ICE in Frankfurt, und in ...
... Mannheim, die jedoch keineswegs immer planmäßig verkehren. Archivfotos: © by pdh
BERLIN / HANAU. - Mehrmals monatlich fährt das Ehepaar aus dem Odenwald nach Norddeutschland oder an den Bodensee. Um seinen ökologischen Fußabdruck gering zu halten, wird meistens die Bahn genutzt.
Als erfahrene und auch leidgeprüfte Bahnreisende haben die Eheleute eiserne Regeln aufgestellt. So werden Umsteigezeiten von mindestens 30 Minuten gewählt, denn Zugverspätungen gibt es zwar nicht immer, aber meistens, und Rennerei mit Koffern auf andere Bahnsteige braucht das ältere Ehepaar so nötig wie Zahnschmerzen.
Zu Beginn des Silvesterurlaubs hat sich die Deutsche Bahn dann in den Augen der Eheleute selbst übertroffen.
Sie wollten den Jahreswechsel auf Sylt verbringen und buchten bereits am 18. Oktober 2019 die ICE-Bahnfahrt am 28.12.2019 ab Hanau und die Rückfahrt für den 2.01.2020 ab Westerland. Jeweils zwei Umsteigezeiten waren eingeplant und man freute sich auf den Urlaub.
Wenige Tage vor der geplanten Abreise wollte sich die Ehefrau noch einmal über die genaue Abfahrtzeit vergewissern und erlebte ihre Überraschung des Jahres.
Den von ihnen gebuchten ICE gab es im Fahrplan nicht mehr. Er war ersatzlos gestrichen worden. Und die Fahrgäste, die den gut ausgebuchten Zug nehmen wollten, waren nicht informiert oder gar umgebucht worden, wie es Fluglinien von sich aus in solchen Fällen tun.
Die sofort aufgesuchte Bahn-Fahrgastauskunft am Bahnhof Bensheim bestätigte den Zugausfall und sah sich nicht in der Lage, eine Ersatzbuchung vorzunehmen, weil zu der Reisezeit alle Fernzüge in Richtung Norden ausgebucht waren.
Immerhin bot man an, bei der Kostenerstattung der bereits bezahlten und nicht durchgeführten Fahrten behilflich zu sein. Das Ehepaar musste also das Auto nehmen, um zur eingeplanten Zeit zum Urlaub an die Nordsee zu kommen.
Die Pressestelle der Deutschen Bahn verweigerte der Presse eine Stellungnahme zu mehrmaligen Anfragen, ob es bei der DB üblich sei, zu stark frequentierten Zeiten Züge ausfallen zu lassen, ohne die gebuchten Passagiere darüber zu informieren oder sie von sich aus umzubuchen, wie jede Fluglinie es automatisch tut.
Und ob die Deutsche Bahn dieses Verhalten als kundenfreundlich einschätze. Die Verweigerung einer Stellungnahme ist auch eine Antwort.
Recherchen ergaben mittlerweile, dass die Odenwälder sich in guter Gesellschaft befinden. Die Zahl der Zugausfälle bei der Deutschen Bahn ist einem Bericht der >Rheinischen Post< zufolge in den vergangenen Jahren gestiegen.
Das geht der Zeitung zufolge aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor.
Demnach fielen im Jahr 2017 bereits 20.000 Züge mehr aus als im Jahr 2016. Insgesamt fuhren 2017 somit 140.000 Züge nicht. In die Pünktlichkeitsstatistik der Bahn werden diese Ausfälle nicht einbezogen.
Rund 900 Fernzüge der Bahn sind in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 ersatzlos ausgefallen – zehn pro Tag. An der Zahl einsatzfähiger Züge liegt es nicht, heißt es in einem Bericht der Tageszeitung DIE WELT. Sondern an „externen Gründen". Die den Reisenden herzlich egal sein dürften.
„Im Mittel fielen von Januar bis März circa ein Prozent der Züge auf dem gesamten Laufweg ersatzlos aus“, teilt das Bundesverkehrsministerium der WELT mit.
„In der Regel konnte die DB AG die Reisenden frühzeitig über einen Ausfall informieren und in vielen Fällen eine alternative Reiseverbindung anbieten.“ In einem ICE werden im Durchschnitt bei Doppeltraktionen (zwei Zugteile) etwa 800 Fahrgäste transportiert (Quelle: DIE WELT).
Über eine frühzeitige Information oder alternative Reiseverbindung hätte sich auch das Ehepaar aus dem Odenwald gefreut.