Zum Tod von Helmut Kohl, dem „Kanzler der Einheit“
Rückblick auf das politische Leben des mit 16-jähriger Amtszeit bisher längsten aktiven Bundeskanzler Deutschlands und Ehrenbürger EuropasBERLIN. - 16 Jahre lang war Helmut Kohl Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seine Amtszeit bleibt mit dem erfreulichsten Ereignis der jüngsten deutschen Geschichte verbunden: Nach der Friedlichen Revolution in der DDR und dem Fall der Mauer gelang es Kohl, Deutschland nach Jahrzehnten der Teilung wieder in Frieden und Freiheit zusammenzuführen.
Kanzler der Einheit und EhrenbĂĽrger Europas
1973 wurde Helmut Kohl Bundesvorsitzender der CDU. Für die Bundestagswahl 1976 nominierte die Union den ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten als Spitzenkandidaten. CDU und CSU verfehlten knapp die absolute Mehrheit. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wählte Kohl zu ihrem Vorsitzenden.
Bundeskanzler Schmidt konnte die SPD/FDP-Koalition auch nach der Bundestagswahl 1980 fortsetzen. 1982 brach die Regierung Schmidt jedoch wegen Uneinigkeit ĂĽber den NATO-Doppelbeschluss und den Kurs in der Wirtschaftspolitik auseinander.
Kohl und der FDP-Vorsitzende Hans-Dietrich Genscher verständigten sich auf die Bildung einer christlich-liberalen Koalition. Am 1. Oktober 1982 wählte der Deutsche Bundestag Kohl zum sechsten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Die vorgezogene Bundestagswahl im März 1983 bestätigte die Regierung aus CDU/CSU und FDP.
Die Regierungskoalition schuf durch Haushaltskonsolidierung und Sparsamkeit die Grundlagen für einen dauerhaften Aufschwung. Wirtschaftliches Wachstum brachte neue Arbeitsplätze, machte Steuerentlastungen und neue Leistungen für die Familien möglich. Die stabile wirtschaftliche Basis hat es nach der Wiedervereinigung 1990 erleichtert, den „Aufbau Ost“ zu bewältigen.
Die Regierung Kohl setzte die Entspannungspolitik gegenĂĽber den Ostblockstaaten fort und vertiefte zugleich die transatlantischen Beziehungen. 1983 unterstĂĽtzte er die Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses.
Besonderes Gewicht legte Helmut Kohl auf die weitere Aussöhnung Deutschlands mit Frankreich. Das Foto von Kohl und dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, die sich über den Gräbern von Verdun die Hände reichen, hat bis heute einen hohen Symbolwert.
Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 erkannte Kohl die Chance, die Deutsche Einheit wieder herzustellen. Er entwickelte dafür einen „10-Punkte-Plan“ und warb in den folgenden Wochen und Monaten – bei den westlichen Verbündeten wie auch gegenüber der damaligen Sowjetunion – nachdrücklich für eine zügige Wiedervereinigung.
Die europäischen Staatschefs überzeugte Kohl, indem er immer wieder betonte, die Deutsche Einheit und die europäische Einigung seien „zwei Seiten derselben Medaille“. Den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow konnte Kohl im Sommer 1990 zu der Zusage bewegen, dass das wiedervereinigte Deutschland frei über seine Bündniszugehörigkeit entscheiden könne.
Dass die Deutschen nach über vierzigjähriger Teilung mit Zustimmung aller Partner und Verbündeten in Frieden und Freiheit wieder zusammenfinden konnten, machte Kohl zum „Kanzler der Einheit“.
Nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 blieb Helmut Kohl Kanzler – und war damit der erste Bundeskanzler des wiedervereinigten Deutschlands. Mit großem Engagement widmete er sich in den beiden folgenden Amtszeiten vor allem dem „Aufbau Ost“, dem Wiederaufbau der neuen Länder. Ein steiniger Weg. Auch Kohl hatte, wie er selbst später einräumte, den Zustand der ostdeutschen Wirtschaft weit überschätzt.
Mit großer Energie trieb Kohl die Einigung Europas voran. Sie machte rasche Fortschritte. Dazu zählt vor allem die Schaffung der europäischen Währungsunion durch den Vertrag von Maastricht 1992.
Die Ära Kohl endete mit der Bundestagswahl 1998, nach 16 Jahren. Er regierte damit länger als Konrad Adenauer. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2002 blieb Kohl Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
Helmut Kohl erhielt zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. Wegen seiner Verdienste um Europa und seiner Rolle als einer der „Väter“ des Euro ernannten ihn die Staats- und Regierungschefs 1998 zum „Ehrenbürger Europas“.
Das New Yorker „East-West-Institute“ zeichnete ihn als „Staatsmann des Jahrzehnts“ aus. Bill Clinton verlieh Helmut Kohl mit der Freiheitsmedaille die höchste zivile Auszeichnung der USA.
Helmut Kohl
Geboren am 3. April 1930 in Ludwigshafen
1959 bis 1976 Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz
1969 bis 1976 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz
1973 bis 1998 Bundesvorsitzender der CDU
1976 bis 2002 Bundestagsabgeordneter
1976 bis 1982 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
1982 bis 1998 Bundeskanzler