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KOMMENTAR: Hähne und Hennen als vermeintliche Löwen

Jamaika ist wohl doch zu weit von Berlin entfernt und in Berlin in der vergangenen Nacht durch den Ausstieg der FDP aus den Sondierungsgesprächen um eine Regierungsbildung mit CDU, CSU und GRÜNEN gescheitert

BERLIN. - Ist es die inzwischen unübersehbare Schwäche von Kanzlerin Angela Merkel, das Festklammern von (Noch-)CSU-Chef Horst Seehofer an seinen Ämtern, das Machtstreben der GRÜNEN-Frontleute Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, oder das Kalkül von FDP-Chef Christian Lindner? Wie dem auch sei, die Jamaika-Sondierungen sind nach mehrwöchigem Hauen und Stechen in der vergangenen Nacht kläglich gescheitert.

Grabesstimmung in Berlin, auch wenn die Deutsche Flagge auf dem Reichstag noch nicht auf Halbmast flattert, nachdem die FDP kurz vor Mitternacht die Sondierungsgespräche mit Union und Grünen abgebrochen hat. Jetzt beginne das „Blame Game“, konstatiert Christine Hoffmann im >Spiegel<. Für zahlreiche andere Zeitgenossen stehen jetzt alle Polit-Verantwortlichen in Berlin als Verlierer da.

Wer trägt die Schuld am desaströsen Sondierungsausgang? War es etwa der Liberale Christian Lindner, der nach Meinung von Beobachtern von Anfang an diesem Jamaika-Bündnis keine großen Erfolgsaussichten einräumte?

Waren es die GRÜNEN, die mit überzogenen Forderungen an den Verhandlungstisch gekommen waren? Wollte um der Machterhaltung in Bayern Horst Seehofer für die CSU mit Maximalergebnissen nach München zurückkehren, um sich für die bevorstehende Landtagswahl einen Vorteil zu verschaffen?

Oder war es gar die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel höchstselbst, die ohne klares Konzept das Sondierungsschiff führungslos auf die Sandbank zusteuern ließ? Von allem wohl ein bisschen führte zu der jetzt ausgelösten Regierungskrise in der Bundeshauptstadt Berlin.

Beschädigt sind jetzt alle Parteien, die einen Wählerauftrag erhalten haben, inklusive der SPD, deren Kanzlerkandidat und Bundesvorsitzender Martin Schulz bereits am Wahlabend die Oppositionsrolle der Sozialdemokraten als einzig mögliche Konsequenz aus dem Wählerwillen erkannt zu haben glaubte und sich seither jeglichen Koalitionsgesprächen verweigert.

„Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält“, mahnte heute Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und ergänzte: „Die Verantwortung gilt nicht nur den eigenen Wählern. Das ist der Moment, in dem alle Parteien noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten. Alle Bundestagsparteien sind dem Gemeinwohl verpflichtet – sie dienen unserem Land.“

So ist aktuell in Berlin das gleiche Szenario zu beobachten, das die Süddeutsche Zeitung auf das Gebaren von Horst Seehofer und seine mögliche Erben in Bayern bezogen so kommentierte: „Die CSU ist ein Hühnerhof, in dem sich die Hähne für Löwen halten.“ In Berlin sind dazu allerdings noch die Hennen als brüllende Löwinnen einzubeziehen.