Jobcenter Wetterau: GeschĂ€ftsfĂŒhrer Wiedemann tritt in den Ruhestand
WETTERAUKREIS / FRIEDBERG. - Bernhard Wiedemann, seit 12 Jahren Leiter des Jobcenters Wetterau, verlĂ€sst die KommandobrĂŒcke und geht zum Monatsende in den Ruhestand.
Vorgezeichnet war der Lebensweg von Bernhard Wiedemann keineswegs. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf bei Neuwied hat er sich sein rheinisches Idiom bewahrt.
Rheinisch war auch die Erziehung im streng katholischen Elternhaus und spÀter im katholischen Internat, das er bis zur zehnten Klasse besuchte.
Danach wurde es ihm im Internat zu eng, lieber nahm er einen langen Schulweg in Kauf, als sich zu verbiegen. Christliche Werte hat der âgelernte Katholikâ dennoch fest verinnerlicht, auch ohne die Riten der Kirche zu brauchen.
Nach dem Abitur besuchte er fĂŒr mehrere Monate seinen Onkel in Brasilien, der dort als Missionar tĂ€tig war. Eine wichtige Zeit fĂŒr ihn, aus der er manches fĂŒr seine Motivation im spĂ€teren Berufsleben mitnehmen konnte.
Nach dem Grundwehrdienst entschied Bernhard Wiedemann sich fĂŒr ein Studium der Sozialarbeit. Den Studienort wĂ€hlte er aber mit Bedacht aus: Die Katholische Fachhochschule zu Köln.
Nach seinem Abschluss ging er der Liebe wegen nach Heidelberg, wo er fĂŒr zwei Jahre in der Nichtsesshaftenhilfe arbeitete. Als seine Frau beruflich nach GieĂen wechselte, fand er eine Stelle als Sozialarbeiter fĂŒr den Bereich Betreuung auslĂ€ndischer FlĂŒchtlinge beim Wetteraukreis.
Das war Mitte der 80er Jahre, als viele FlĂŒchtlinge nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan nach Deutschland kamen.
Im FlĂŒchtlingsbereich arbeitete Bernhard Wiedemann mehr als 20 Jahre. âIch wollte aber mehr als nur Sozialarbeit machen.â Deshalb hat er berufsbegleitend Betriebswirtschaft studiert und kam so in FĂŒhrungspositionen, zunĂ€chst als Sachgebietsleiter, spĂ€ter als Leiter der Fachstelle Migration beim Wetteraukreis.
Als 2005 eine Leitungsstelle beim Jobcenter frei wurde, zögerte Bernhard Wiedemann nicht lange und bewarb sich. Die weitere Geschichte ist schnell erzÀhlt.
Er ĂŒbernahm die Leitung des Jobcenters in Bad Vilbel und wurde 2008 GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Jobcenters fĂŒr den ganzen Wetteraukreis. 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Jobcenter, ein tolles Team, das im vergangenen Jahr besonders erfolgreich war.
In der Vergleichsgruppe âLĂ€ndliche Struktur mit Anbindung zur Metropolregionâ war das Jobcenter Wetterau das erfolgreichste bundesweit in der Frage von âIntegration in den Arbeitsmarktâ.
âDas war nochmal ein wirkliches Highlight in meinem Berufsleben, das ich vor allem meinen hoch qualifizierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verdanke.â
Fördern und Fordern
Zu den gröĂten Herausforderungen in seinem Berufsleben zĂ€hlt Bernhard Wiedemann die Qualifizierung und Sprachvermittlung von vielen FlĂŒchtlingen nach dem Jahr 2015 und natĂŒrlich die aktuelle Corona-Krise, fĂŒr die bereits konkrete Exit-PlĂ€ne aus dem Lockdown bestehen.
Das Sozialgesetzbuch II mit den Prinzipien Fördern und Fordern hĂ€lt Bernhard Wiedemann bei aller Kritik fĂŒr insgesamt gerecht und gelungen.
âEs ist richtig und unerlĂ€sslich, dass eine soziale Gesellschaft denen hilft, die Hilfe nötig haben. Allerdings sollte auch jeder seine Talente nutzen und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Gesellschaft einbringen.
Wenn der Sozialstaat Menschen in Not unterstĂŒtzt, dann darf er auch erwarten, dass sie ihren Beitrag leisten, um aus dieser Lage wieder herauszukommenâ, sagt Bernhard Wiedemann.
Dazu passt sein Credo als FĂŒhrungskraft, niemals ein Problem weiterzutragen, sondern gleich konkrete PlĂ€ne zu dessen Lösung zu erarbeiten.
FĂŒr Wehmut nach einem langen Berufsleben fehlt Bernhard Wiedemann momentan die Muse. In Corona-Zeiten jagt ein Termin den anderen. Bei der letzten TrĂ€gerversammlung hat er sich einen âVorratsbeschlussâ besorgt, mit dem er neue Stellen im Jobcenter schaffen kann.
âDie Prognosen sind dramatisch. Wir werden sicherlich erhebliche Zunahmen bei den Bedarfsgemeinschaften im SGB II haben. So lange es möglich ist, schaffen wir das mit Bordmittelnâ, so Bernhard Wiedemann.
Keine Zeit fĂŒr Wehmut
Was Bernhard Wiedemann vermissen wird, ist, abgesehen von dem immer lebendigen und wertschÀtzenden Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, den TrÀgern und den vielen Wegbegleitern, der Blick aus dem Fenster im vierten Stock des ehemaligen BankgebÀudes, der bis zur Frankfurter Skyline reicht und ihn ganz intensiv den Wechsel der Jahreszeiten erleben lÀsst.
FĂŒr seinen Ruhestand hat er schon PlĂ€ne: noch mehr Rad fahren, noch mehr Sport und viele BĂŒcher lesen. âVielleicht schreibe ich mich auch in die SeniorenuniversitĂ€t ein.â
Einen Plan musste er allerdings schon abhaken: eine Reise nach Nordeuropa war fĂŒr Anfang Juni geplant. Durch diese Rechnung hat die Corona-Pandemie einen Strich gemacht, genauso wie durch eine gröĂere Verabschiedung durch die TrĂ€gerversammlung und langjĂ€hrige GeschĂ€ftspartner.
Krisenerprobter GeschĂ€ftsfĂŒhrer
In einer kleinen Feierstunde wĂŒrdigten Landrat Jan Weckler und Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch die Arbeit von GeschĂ€ftsfĂŒhrer Bernhard Wiedemann: âBernhard Wiedemann hat in einer Zeit Verantwortung getragen, die alles andere als einfach war. I
n seine Zeit fallen die Wirtschafts- und Finanzkrise, die FlĂŒchtlingskrise und jetzt zum Abschluss seines Berufslebens die Corona-Krise.
Das heiĂt, da geht jemand in den Ruhestand, der krisenerprobt ist, der zugleich immer ein Mann des Ausgleichs zwischen manchmal widerstreitenden Interessen war.
Bei all den Herausforderungen hat er das Jobcenter dort hingebracht, wo es heute steht, nĂ€mlich in der Spitzengruppeâ, sagte Landrat Jan Weckler. Erste Kreisbeigeordneter Stephanie Becker-Bösch dankte âfĂŒr die sehr gute Zusammenarbeit, die von viel Vertrauen getragen warâ.