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Hilferuf der Kommunen: Offener Brief zur Flüchtlingsunterbringung

Die Kreisspitze und Vertreterinnen und Vertreter der Bürgermeisterkreisvereinigung adressieren die akuten Probleme bei der Unterbringung von Geflüchteten (von links): Bad Nauheims Erster Stadtrat Peter Krank, Butzbachs Bürgermeister Michael Merle, Landrat Jan Weckler, Ranstadts Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel, Wöllstadts Bürgermeister Adrian Roskoni und Kreisbeigeordneter Matthias Walther. Foto: Pressedienst Wetteraukreis

Kreisspitze und Bürgermeister fordern Landes- und Bundesregierung zum Handeln auf

WETTERAUKREIS / FRIEDBERG. - Die Kreisspitze des Wetteraukreises sowie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der 25 Städte und Gemeinden adressieren in einem offenen Brief die akuten Probleme bei der Unterbringung von Geflüchteten auf kommunaler Ebene.

Der klare und dringliche Appell an die Landes- und Bundesregierung: „Kommunizieren Sie auf Augenhöhe mit den Kommunen und machen die aktuelle Flüchtlingssituation zur Chefsache.“

Die Unterzeichner stellen vorweg, dass alle Beteiligten für ein weltoffenes Land stehen, das Asylsuchenden aus allen Teilen der Welt eine humanitäre und menschenwürdige Unterbringung ermöglicht.

„Dies ist selbstverständlich parteiübergreifender Konsens und erlaubt zugleich mit einheitlicher Stimme und über alle Parteigrenzen hinweg zu sprechen.“

Gleichzeitig machen sie jedoch gemeinsam deutlich, dass nicht nur der Wetteraukreis, sondern auch die Städte und Gemeinden beim Unterbringen von Geflüchteten an der Grenze ihrer Kapazitäten angekommen sind.

Die Wohnkapazitäten im privaten Wohnraum sind bereits seit langem erschöpft – gerade darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Flüchtlingsbewegung der Jahre 2015 und 2016.

„Inzwischen sind große Teile der Bevölkerung nicht (mehr) bereit, privaten Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen“, konstatieren Kreis und Kommunen. Dies gilt insbesondere für junge Männer, die die Bundesrepublik ohne Familien erreicht haben.

Etwas anders hat sich die Lage zu Beginn des Krieges in der Ukraine dargestellt, als es auch im Wetteraukreis eine überwältigende Hilfsbereitschaft für die Kriegsgeflüchteten gab. Doch auch diese Kapazitäten sind inzwischen nahezu vollständig aufgebraucht.

Zwei Erstaufnahmeeinrichtungen sind große Belastung

Seit mehr als einem Jahr sind trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen im ganzen Landkreis alle weiteren Möglichkeiten genutzt worden, um Unterkünfte für die Unterbringung von Geflüchteten zu schaffen: „Diese Möglichkeiten sind inzwischen erschöpft, sodass wir nicht umhin kommen, auch wieder Flächen des Gemeinbedarfs wie Sportstätten, Bürgerhäuser oder Festplätze in den Blick zu nehmen.“

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es im Wetteraukreis mit den Städten Friedberg und Büdingen schon zwei Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes mit insgesamt 1.800 Plätzen gibt, die für eine enorme Belastung in den betroffenen Städten sorge.

Der reine Zuzug von Geflüchteten in den Wetteraukreis steigt innerhalb eines Jahres von 2021 auf 2022 um das Neunfache an – kamen 2021 insgesamt 590 Geflüchtete im Wetteraukreis an, werden es nach den aktuellen Prognosen im Jahr 2022 mehr als 5.300 sein.

Allein für die Unterbringung, aber auch für die Integration bringt dies eine immense Herausforderung für Kommunen und Gesellschaft. Dieses enorme Zuwanderungsgeschehen in Deutschland sei nach dem Eindruck der kommunalen Ebene im Wetteraukreis ein Nährboden für extreme politische Strömungen.

Hinzu kommt die Sorge, die wachsenden Aufgaben nicht mehr finanzieren zu können – denn finanzielle Spielräume in den kommunalen Haushalten sind zwischenzeitlich weitgehend aufgebraucht.

„Es herrscht der Eindruck, dass die vielfachen Hinweise und Appelle der Kommunen in den vergangenen Wochen auf den höheren Ebenen wenig Anklang und Berücksichtigung gefunden haben.“

Drei konkrete Forderungen

Deshalb stellen Kreis und Kommunen gemeinsam drei konkrete Forderungen an die Landes- und Bundesregierung.

„Schaffen Sie Unterbringungskapazitäten auf Bundes- und Landesebene, damit eine Entlastung der Kapazitäten auf der kommunalen Ebene ermöglicht werden kann.“ Denn die Zurverfügungstellung von maroden Gebäuden im Besitz des Bundes, wie zuletzt vom Bundesinnenministerium angekündigt, trägt nicht zu einer Entlastung bei.

Auch eine Lösung auf europäischer Ebene ist notwendig: Eine gleichmäßige und gerechte Aufteilung der Geflüchteten in den Staaten der Europäischen Union muss aus Sicht von Kreis und Kommunen das Ziel sein.

Die Last muss zudem von allen getragen werden, so die zweite Forderung: „Sorgen Sie für einen gerechten Verteilschlüssel für alle Bundesländer. Das ist auch im Sinne der Geflüchteten das gerechteste und humanitärste Verfahren.“

Die durch Bundes- und Landeseinrichtungen zusätzlich entstehende Belastung einzelner Landkreise müsse deutlich bei der Zuweisung berücksichtigt werden: „Im Wetteraukreis muss konkreter und spürbar die Belastung durch die beiden Erstaufnahmeeinrichtungen mit insgesamt 1.800 Plätzen berücksichtigt werden.“

Zuletzt werden Landes- und Bundesregierung dazu aufgefordert, die großen Anstrengungen der kommunalen Ebene anzuerkennen: „Sorgen Sie mit der Übernahme der finanziellen Aufwendungen für Klarheit in der kommunalen Haushaltsplanung.“