Fachleute diskutieren ĂŒber insektenfreundliche GrĂŒnflĂ€chen
WETTERAUKREIS / FRIEDBERG. - Kreisbeigeordneter und Umweltdezernent Matthias Walther hatte dieser Tage zu einer Fachtagung âInsektenfreundliche GrĂŒnflĂ€chenâ ins Friedberger Kreishaus eingeladen.
Rund 50 Vertreterinnen und Vertreter von StÀdten und Gemeinden, aus Bauhöfen und BauÀmtern kamen nach Friedberg, um sich zum Thema auszutauschen.
Vor allem nach der Krefelder Studie, die einen besorgniserregenden RĂŒckgang an Insekten festgestellt hat, wurde das Thema auch in der Wetterau intensiv diskutiert.
Der Kreistag hat die Verwaltung beauftragt, geeignete MaĂnahmen zur Förderung einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt zum Schutz von Bienen und weiteren Insekten im Wetteraukreis zu ergreifen.
Der Wetteraukreis, vor allem die Fachstelle Naturschutz und Landschaftspflege, und der Naturschutzfonds arbeiten an der Umsetzung zusammen mit vielen anderen Beteiligten, etwa dem NABU-Kreisverband.
Auch der Fachbereich Bildung und GebĂ€udewirtschaft, der fĂŒr die Unterhaltung von rund 400 SchulgebĂ€uden und der AuĂenflĂ€chen verantwortlich ist, ist intensiv eingebunden.
So wurde beispielsweise direkt vor dem Kreishaus auf einer GrĂŒnflĂ€che der Mahdrhythmus auf den zentralen RasenflĂ€chen geĂ€ndert, um dort KrĂ€uter zu fördern. Dabei wurde auch die seltene Art der Platterbsen-Wicke entdeckt.
Mit der Fachtagung im Kreishaus wolle man weitere praktische MaĂnahmen auf GrĂŒnflĂ€chen anstoĂen und damit einen Beitrag dazu leisten, dass GrĂŒnflĂ€chen nicht nur grĂŒn, sondern durchaus auch bunt und blĂŒtenreich sein können.
âDer kurz geschorene Englische Rasen ist fĂŒr blĂŒtensuchende Insekten uninteressantâ, so Walther. âWas wir wollen, ist eine ursprĂŒngliche Natur fĂŒr mehr LebensqualitĂ€t fĂŒr Insekten und andere Tiere, letztlich aber auch fĂŒr uns Menschen.â
Wie kann man artenreiche GrĂŒnflĂ€chen fördern?
Die Agrarbiologin Dr. Beate Alberternst berichtete von einem weltweiten Trend. 41 Prozent der Insektenarten sind rĂŒcklĂ€ufig, 31 Prozent gar im Bestand gefĂ€hrdet. Dabei kann die Bedeutung von Insekten fĂŒr den Menschen gar nicht ĂŒberschĂ€tzt werden.
80 Prozent aller Wild- und Kulturpflanzen werden von Insekten bestĂ€ubt. Ihre âArbeitâ ist essenziell fĂŒr das Ăberleben der meisten Pflanzen und gleichzeitig der Nahrungsmittelproduktion.
Die GrĂŒnde fĂŒr das Insektensterben sind vielfĂ€ltig. Die Urbanisierung mit FlĂ€chenversiegelung, der Einsatz von Pestiziden und Umweltgiften, die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die artenarmen öffentlichen FlĂ€chen und Randstreifen, die Trockenlegungen von Mooren und TĂŒmpeln, fehlende Strukturen wie Hecken, Steinhaufen und Brachen, aber auch Parasiten, invasive Arten und der Klimawandel tun ein Ăbriges.
Alberternst kam mit einer ganzen Reihe von Beispielen, wie man öffentliche FlĂ€chen begrĂŒnen und gleichzeitig Insekten fördern könne. Ein herausragendes Beispiel sei die vom NABU Friedberg angelegte Blumenwiese mit gebietsheimischen Pflanzenarten in Friedberg-Dorheim.
Alberternst benannte aber auch BeispielflĂ€chen, die ein Aufwertungspotenzial haben, also GrĂŒnflĂ€chen, die einfach nur grĂŒn sind und mit pflegeleichtem Weidelgras, das zwar weitgehend unempfindlich ist, aber eben auch wenig Nahrung fĂŒr Insekten bietet.
Eigens an die Teilnehmer der Tagung gerichtet, plĂ€dierte sie fĂŒr weniger Maschineneinsatz in der MĂ€htechnik. Auf Mulchen sollte grundsĂ€tzlich verzichtet werden, weil dadurch zusĂ€tzliche NĂ€hrstoffe in den Boden eingetragen werden, die zu einer Verarmung der BlĂŒhflĂ€chen fĂŒhren. Der Einsatz eines BalkenmĂ€hers und das AbrĂ€umen des MĂ€hguts wĂ€ren optimal.
âKommunenâ, so das Fazit von Dr. Alberternst, âkönnen einen groĂen Beitrag zum Insektenschutz leisten.â Es sollte schon bei der Anlage von GrĂŒnanlagen bedacht werden, dass diese arten- und strukturreich sind und Pflanzen heimischer Arten verwendet werden.
FĂŒr Neubaugebiete empfiehlt sie Festsetzungen im Bebauungsplan, um die sogenannte Verschotterung von öffentlichen FlĂ€chen zu verhindern. Wichtig sei auch, die Anwohner fĂŒr insektenfreundliche GrĂŒnanlagen zu begeistern, auch wenn diese nicht den Ă€sthetischen AnsprĂŒchen frĂŒherer Zeiten entsprechen.
Mehr als 1.000 EinzelflÀchen allein in Nidda
Ăber kleine Schritte zu einem groĂen Ziel berichtete Birgit Herbst. Die Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte der Stadt Nidda hat in den letzten Jahren ein Pflegekataster fĂŒr die Kernstadt und ihre 18 Stadtteile erstellt.
Mehr als 1.000 EinzelflÀchen mit einer GesamtflÀche von mehr als 100 Hektar sind zu pflegen. Diese FlÀchen hat Birgit Herbst nach Nutzungsklassen und Liegenschaftstypen deklariert.
Auch bei der Auswahl der auszusĂ€enden Arten haben jetzt heimische Arten Vorrang, genauso wie die Bepflanzung mit dauerhaften Stauden und Gehölzen. Bei all den Umbauarbeiten gelte es, die BĂŒrgerinnen und BĂŒrger mitzunehmen, weil gerade ein seltenerer Mahdrhythmus kritisiert werde.
Die GrĂŒnplanerin Dorothee Dernbach gab einen Ăberblick ĂŒber verschiedene Techniken bei der Neuanlage von artenreichen GrĂŒnflĂ€chen. Kriterien zur Auswahl des Saatgutes seien die örtlichen Standortbedingungen und wie die Pflege ablaufen solle.
Entscheidend fĂŒr das Gelingen sei die Bodenvorbereitung â Konkurrenz durch bestehende Pflanzendecke mĂŒsse meist völlig beseitigt werden. Die Verwendung magerer Substrate sei gĂŒnstig, falls man zur Abdeckung Boden antransportiere.
Herstellung des Saatbettes, Saat obenauf und anwalzen nannte sie als weitere Arbeitsschritte. Alternativ könne man in vorhandene PflanzenbestÀnde auch vorgezogene Wildstauden punktuell einpflanzen.
Den Hintergrund der Kampagne âArtenreiche Blumenwieseâ erlĂ€uterte Frank Uwe Pfuhl, vom Naturschutzbund Wetterau. Er betonte die BestĂ€ubungsleistung von Wildinsekten fĂŒr viele Kulturpflanzen und gleichzeitig deren AbhĂ€ngigkeit von bestimmten Wildpflanzen.
âAlle 14 Minuten stirbt eine Tierart aus, oft weil ihr die nötige Partnerpflanze fehltâ, berichtete Pfuhl und nannte beispielhaft den beliebten Schmetterling Tagpfauenauge, der auf die Brennnessel angewiesen ist.
Die Langhornbiene brauche die Zaun-Wicke, der Stieglitz oder Distelfink die Wilde Karde und der AmeisenblĂ€uling stark duftende GewĂŒrzpflanzen, wie etwa den Thymian oder den Wilden Majoran.
Dr. Tim Mattern, von der Fachstelle Naturschutz und Landschaftspflege der Kreisverwaltung, gab Hinweise zur Pflege von GrÀben, Wegrainen und Feldgehölzen.
Dabei sei es wichtig, abschnittsweise vorzugehen und die PflegemaĂnahmen auf mehrere Jahre zu verteilen. AuĂerdem sei der richtige Zeitpunkt entscheidend, um in der Tierwelt keine SchĂ€den anzurichten.
In der anschlieĂenden Diskussion wurden vor allem fachliche und technische Fragen erörtert.