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Ein Gesicht der Kreisverwaltung geht in den Ruhestand

„Wetteraukreis, Pfister, guten Tag!“ Freundlich meldet sich Ingrid Pfister am Telefon und auch bei den Besuchern, die am Empfang nach Rat und Auskunft fragen. Damit wurde sie ein Gesicht der Kreisverwaltung.

Ingrid Pfister wechselt nach knapp 46 Jahren im Dienst der Region in den wohlverdienten dritten Lebensabschnitt

WETTERAUKREIS / FRIEDBERG. - 45 Jahre, elf Monate und zehn Tage gab Ingrid Pfister der Kreisverwaltung des Wetteraukreises ein Gesicht. Am Empfang der Kreisverwaltung wies sie den Besucherinnen und Besuchern den Weg und gab kompetent Auskunft. Jetzt ist sie in den wohlverdienten Ruhestand getreten.

Am 8. Mai 1972 trat die damals 17-Jährige in den Dienst des Landkreises Friedberg ein. Die Gebietsreform und die Bildung des Wetteraukreises fand drei Monate später statt.

„An meinen ersten Arbeitstag kann ich mich erinnern, als wäre es gestern“, sagt die beliebte Kollegin, die für jeden ein freundliches Wort hat. „Es war der Tag, an dem die ‚neue‘ Telefonanlage in Betrieb genommen wurde. Mit den Anlagen von heute hatte das nicht zu tun.

Die Hörer aus schwarzem Bakelit lagen schwer wie Blei in der Hand, dazu eine Wählscheibe statt Tasten. Das Wählen einer Mobilfunknummer würde die Geduld der meisten Zeitgenossen heute deutlich überstrapazieren. Die Anlage war eigens abgestimmt auf meinen blinden Kollegen.

Eingehende Gespräche konnte man an Stiften erfühlen, die aus einer Tastatur hervorsprangen. Bei Ortsgesprächen traten die Stifte nur halb hervor, bei Ferngesprächen ein Stückchen mehr. Vier Wochen wurde ich angelernt, dann ging der Kollege in Kur, und ich musste alleine klarkommen.“

Das war in den frühen 70er Jahren freilich noch etwas leichter als heute. Damals hatte der Landkreis Friedberg keine 200 Verwaltungsmitarbeiter, verteilt auf das alte Landratsamt, das Mathildenstift, wo heute das Sparkassengebäude steht und eine Etage im Volksfürsorgehaus in der Kaiserstraße 128. Als weitere Außenstelle kam die Bildstelle in der Friedberger Burg hinzu.

„Viel Hilfe hatte ich von Kolleginnen und Kollegen. Überhaupt waren wir eine große Familie damals, und es wurde durchaus auch ordentlich gefeiert, aber genauso wurde auch hart gearbeitet, wenn es erforderlich war“, erinnert sich Ingrid Pfister

Pralinen statt Bomben

Ihr ganzes Berufsleben, mit Ausnahme einer kurzen Episode in der Registratur, hat Ingrid Pfister am Empfang und in der Telefonzentrale gearbeitet. „Sieben Landräte habe ich erlebt. Der Tag der Amtseinführung des achten wird mein letzter Arbeitstag sein“, sagt sie und erinnert sich noch gut an ihren ersten Landrat.

Erich Milius stand schon mal am Morgen vor dem Eingang, um die zu spät Kommenden persönlich und mit hochgezogenen Augenbrauen zu begrüßen. „Da konnte man sicher sein, dass die so Empfangenen in der nächsten Zeit höchst pünktlich am Arbeitsplatz waren.“

Ihre stete Freundlichkeit zeichnet Ingrid Pfister aus. „Ich begegne den Menschen so, wie ich es wünsche, dass man mir begegnet.“ Wenn sie ins Erzählen kommt, kann sie eine Vielzahl von lustigen Geschichten erzählen, von Kollegen, die echte Originale waren und Kunden denen der Besuch im Amt peinlich war.

Richtig spektakulär war es einmal in der Weihnachtszeit Ende der 70er Jahre. Der „Deutsche Herbst“ mit den Terroranschlägen der Roten Armee Fraktion war ständiges Thema. Da lagen an einem Morgen vor einigen Büros mehrere, mehr oder minder, festlich eingepackte Pakete.

Weil weder ein Absender noch ein Begleitschreiben angebracht war, fürchtete man einen terroristischen Anschlag und informierte die Polizei. Das Haus wurde geräumt. „Nur meine Kollegin und ich saßen hier in der Telefonzentrale, und uns war gar nicht wohl dabei.“

Aufgelöst wurde die ganze Sache von der damaligen Pressesprecherin Judith Schwarzenberg, die das Haus über den Hintereingang betreten hat und von dem ganzen Tumult überhaupt nichts mitbekommen hat.

Das vor ihrer Tür abgelegte Paket hat sie kurzerhand aufgerissen und kam dann Praline-kauend mit dem offenen Päckchen zur Telefonzentrale, um zu fragen, warum das Haus so leer sei. Die vermeintlichen Bomben waren Geschenke einer dankbaren Sozialhilfeempfängerin.

Heute, nach der Gebietsreform, der Kommunalisierung der Staatlichen Verwaltung und immer neuen Aufgaben hat die Kreisverwaltung 1300 Beschäftigte, 250 davon in Schulsekretariaten, auf Hausmeisterstellen und im Reinigungsbereich.

„Wetteraukreis, Pfister, guten Tag!…Einen kleinen Moment, ich verbinde.“

Durchschnittlich 60 Mal in der Stunde klingelt das Telefon. Wenn jemand irgendetwas wissen will, dann ist er bei Ingrid Pfister bestens aufgehoben. Sie weiß, wer was wann und wo erledigt. 100.000 Anrufe im Jahr. In einem ganzen Berufsleben kommen da Millionen Anrufe zusammen, auch wenn es früher wesentlich weniger waren.

In Zukunft wird es für Ingrid Pfister ruhiger. „Ich lasse jetzt alles auf mich zukommen. Ich hab‘ nichts geplant außer einem Urlaub an der Müritz.“ Angst, in ein Loch zu fallen, hat sie nicht. „Vielleicht werde ich mir nach einiger Zeit etwas suchen, ein Ehrenamt. Ich weiß nur noch nicht wo.