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Statt Neujahrsempfang Interview mit Landrat Jan Weckler

Landrat Jan Weckler stand Rede und Antwort zu aktuellen Themen im Jubiläumsjahr des Wetteraukreises. Foto: Pressedienst Wetteraukreis

WETTERAUKREIS / FRIEDBERG. - Der Neujahresempfang des Wetteraukreis war für den heutigen Dienstag, 11. Januar, geplant. Corona bedingt musste er abgesagt werden.

Wir haben stattdessen mit Landrat Jan Weckler über den Krisenmodus der Kreisverwaltung, über strategische Entscheidungen und den Geburtstag des Kreises gesprochen.

Frage: Corona ist das beherrschende Thema in den Jahren 2020 und 2021 gewesen. Auch jetzt zu Beginn dieses Jahres steht die Pandemie ganz oben auf der Agenda. Wie stark ist die Kreisverwaltung mit Corona beschäftigt?

Landrat Jan Weckler: Corona ist nach wie vor das bestimmende Thema. Noch nie in der Vergangenheit standen die Kreisverwaltungen so im Mittelpunkt, wurde deren Bedeutung in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wie jetzt.

Frage: Testen, Impfen, Kontakte nachverfolgen. Was heißt das?

Jan Weckler: Wir haben bei Corona nach wie vor die drei großen Arbeitsbereiche Testen, Kontaktpersonennachverfolgung und Impfen, die uns stark beschäftigen.

Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung betreiben wir das Testcenter in Reichelsheim, in dem Verdachtsfälle, die bei den niedergelassenen Ärzten auffallen, getestet werden können.

Bei der Organisation einer Infrastruktur für das Impfen haben wir im vergangenen Jahr einiges erlebt. Auf Grundlage von Einsatzbefehlen des Landes wurden die Impfzentren im Dezember 2020 zuerst aufgebaut, Ende September 2021 wurden sie geschlossen.

Im November 2021 haben wir dann für die sogenannten Booster-Impfungen wieder in kürzester Zeit eine Infrastruktur aufbauen müssen. Derzeit haben wir ein zentrales Impfzentrum in Wölfersheim und sieben weiteren dezentralen Impfzentren im Kreisgebiet.

Die Bedeutung der Kontaktpersonen-Nachverfolgung steht seit Beginn der Pandemie im Vordergrund. Aktuell steigt hier der Bedarf nach entsprechendem Personal wieder, gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Fallzahlen, auch in Bezug auf Omikron.

Frage: Wie stemmt die Kreisverwaltung das?

Jan Weckler: Mittlerweile haben wir ja seit zwei Jahren Erfahrung im Bereich der Kontaktnachverfolgung. Aktuell haben wir wieder Unterstützung von der Bundeswehr eingeholt, die uns seit Jahresbeginn immer wieder bei der Bewältigung der Pandemie entlastet hat.

Zum Teil haben wir auch externes Personal aus anderen Landes- oder Bundesbehörden erhalten und wir arbeiten mit externen Personaldienstleistern zusammen.

Die Bekämpfung der Pandemie hat in der Kreisverwaltung nach wie vor oberste Priorität, daher sind außerdem Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen der Verwaltung im Gesundheitsamt mit den unterschiedlichsten Aufgaben betraut.

Ich bin sehr froh, dass wir als Kreisverwaltung auch nach zwei Jahren unserer Verantwortung gerecht werden, uns gegenseitig unterstützen und vertreten und so motiviert unsere Arbeit machen.

Frage: Kurz nach Weihnachten hat der Kreis die Kommunen darüber informiert, dass sie wieder Flüchtlinge zugewiesen bekommen…

Jan Weckler: Ja, das Thema beansprucht jetzt die Kreisverwaltung zunehmend, denn in den vergangenen Wochen haben sich die Zuweisungen durch das Land spürbar erhöht. Das Thema steht aktuell medial noch nicht im Mittelpunkt, ist aber überall vor Ort wieder sehr präsent.

Ich nenne mal als Beispiel die Erstaufnahmeeinrichtung, die das Land im Frühjahr in Friedberg auf dem Kasernengelände einrichten wird. Dort wurde bereits vor sechs Jahren in der Flüchtlingskrise 2015 Vieles vorbereitet, um hier Menschen unterbringen zu können, was dann doch auf Grund der Zahlen nicht notwendig geworden war.

Jetzt haben wir aber die Situation, dass das Land weitere Erstaufnahmeeinrichtungen betreiben muss und Friedberg jetzt doch zum Zuge kommt. Das, was 2015 noch nicht notwendig war, ist für die Flüchtlingsunterbringung jetzt jedoch unverzichtbar.

Daran zeigt sich die ernste Veränderung der Lage. Dies zeigt zugleich: Globale Herausforderungen und Krisen werden in der heutigen Zeit ganz schnell sichtbar und spürbar auch bei uns vor Ort.

Wir als Landkreis stehen vor der Herausforderung die geflüchteten Menschen, die uns das Land zuweist, auch unterzubringen. In einem boomenden Landkreis mit ohnehin schon knappem Wohnraum ist es umso schwerer, Wohnraum zu finden. Die bestehenden Unterkünfte des Landkreises sind nahezu vollständig belegt.

Daher sind wir in einem engen Kontakt mit den Städten und Gemeinden im Landkreis, um weitere Unterbringungskapazitäten nutzen zu können.

Frage: Die Unterbringung der Flüchtlinge ist nur gemeinschaftlich mit den Kommunen möglich. Was haben Sie dazu schon getan?

Jan Weckler: Wir haben schon viel in die Wege geleitet, auch kurzfristig, damit wir in weiteren Liegenschaften Flüchtlinge unterbringen können. Noch im alten Jahr haben wir beispielsweise ein Gebäude in Friedberg wieder für die Unterbringung von Flüchtlingen umgewidmet.

Eigentlich hatten wir es während notwendiger Sanierungsarbeiten für die Verwaltung nutzen wollen. Das Gebäude ist mittlerweile voll belegt. Aktuell erreichen uns wöchentlich rund 30 weitere Flüchtlinge, die wir unterbringen müssen. Das ist nur gemeinschaftlich mit den Kommunen möglich.

Frage: Der Wetteraukreis stand bis zur Corona-Krise finanziell gut da. Perspektivisch sieht die Situation aber nicht ganz so günstig aus.

Jan Weckler: Der Wetteraukreis hatte sich in den vergangenen Jahren ein rigides Kostenmanagement auferlegt und sich mit Unterstützung des Landes aus hohen Defiziten heraus wieder eine Handlungsfähigkeit erarbeitet.

Nur so war es möglich im vergangenen Jahr die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in der Pandemie massiv zu entlasten. Doch wir erleben nun neue Herausforderungen. Grund dafür sind aktuell vor allem die überall steigenden Kosten und die Auswirkungen mancher Sozialgesetzgebung, die in Organisation und Finanzierung bei den Landkreisen hängenbleiben.

Zudem investiert der Wetteraukreis auch sehr viel. Aber bei Kreis- und Schulumlage gehören wir in der Summe nach wie vor zu den Landkreisen mit den niedrigsten Umlagen.

Frage: Bei den Investitionen sind wir Spitze! Und wie sieht es bei den Investitionen aus?

Jan Weckler: In den nächsten fünf Jahren werden wir über 300 Millionen Euro investieren, allein in Schule und Bildung mehr als 200 Millionen Euro. Das sind gewaltige Summen.

Und es gibt mehrere Förderprogramme die wir umsetzen wollen, bei den Investitionen sind allein an Fördermitteln 110 Millionen Euro dabei. Es ist eine immense Herausforderung, die Kriterien zu erfüllen und die Nachweise zu bringen, um diese Fördermittel auch rechtzeitig in der vorgegebenen Frist umzusetzen.

Frage: Was steht für 2022 sonst noch für den Wetteraukreis an?

Jan Weckler: Unabhängig von den akuten Krisenthemen besteht die Herausforderung der demografische Entwicklung in unserem Landkreis und die Lage direkt am Rande des Ballungsraums Frankfurt.

Zum einen ist der Wetteraukreis als Wohnort sehr attraktiv, immer mehr Menschen möchten hier leben und arbeiten. Zum anderen wird die Gesellschaft aber auch immer älter.

Für diese Entwicklung müssen und wollen wir die nötige Infrastruktur vorhalten. Dies natürlich auch unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Aktuell überarbeiten wir beispielsweise unsere Klimaschutzziele, die eine Leitlinie für unser künftiges Handeln darstellen werden. Klimaschutz muss sich in konkreten Maßnahmen wiederfinden und fängt letztlich bei uns vor Ort an.

Frage: Als Schulträger müssen wir die Schulinfrastruktur vorhalten. Was bedeutet das konkret?

Jan Weckler: Wenn wir beim Thema Schule und Bildung bleiben: Als Schulträger ist der Wetteraukreis dafür zuständig, die Gebäude und weitere Infrastruktur vorzuhalten, damit die Schülerinnen und Schüler entsprechend beschult werden können.

Hier hat sich in den vergangenen Jahren der Bedarf durch Ganztagsbetreuung, Inklusion, Schulsozialarbeit aber auch der Digitalisierung deutlich verändert.

Dem möchten wir gerecht werden, daher sprechen die Investitionssummen da eine eindeutige Sprache. Unabhängig von Neu- und Erweiterungsbauten müssen wir auch das Sanierungsprogramm in den Schulen sowie den DigitalPakt Schule weiter vorantreiben.

Das sind große Herausforderungen vor dem Hintergrund einer überhitzten Baubranche, Lieferengpässen beim Material sowie einem zunehmenden Fachkräftemangel.

Allein mit unseren eigenen personellen Ressourcen kommen wir da immer wieder an Grenzen. Dazu wird es immer schwieriger überhaupt Betriebe zu finden, die Aufträge annehmen.

Frage: Ein Neubau für die Verwaltung ist auf den Weg gebracht?

Jan Weckler: Der geplante Ergänzungsbau in der ehemaligen Friedberger Kaserne sowie eine Erweiterung am Standort Büdingen war eine ganz wichtige strategische Entscheidung, um die Verwaltung effizienter zu machen.

Allein 15 Standorte in Friedberg, das ist absolut nicht kundenfreundlich und ist weder wirtschaftlich noch effizient. Jetzt einen Neubau anzugehen, zu sagen: Wir wollen uns von 15 auf vier Standorte in Friedberg beschränken, ist ein wichtiger Schritt, um die Verwaltung besser zu organisieren und noch besser im Sinne der Bürgerinnen und Bürger arbeiten zu können.

Die Umsetzung dieses Grundsatzbeschlusses mit allen Konsequenzen und komplexen Planungsschritten wird eine Jahrzehnt-Aufgabe werden.

Frage: Der Wetteraukreis feiert dieses Jahr auch Geburtstag, was ist geplant?

Jan Weckler: Vor 50 Jahren ist der Wetteraukreis aus dem Zusammenschluss der Kreise Büdingen und Friedberg aus der Taufe gehoben worden. Damals sicher umstritten, hat sich der Wetteraukreis insgesamt als Erfolgsgeschichte bewährt.

Wir haben in diesem Jahr, bedingt durch Corona, auf den Neujahrsempfang verzichtet. Wir planen aber für den Sommer eine Geburtstagsfeier am Glauberg und wollen dieses Jubiläum angemessen würdigen.

Außerdem planen wir verschiedene Veranstaltungen und Wettbewerbe: einen Aufsatzwettbewerb und einen Fotowettbewerb. Wir geben eine Festschrift heraus und veranstalten im August ein Chorfestival.

Frage: Wenn Sie die Geschichte des Kreises Revue passieren lassen, wo steht jetzt der Kreis?

Jan Weckler: Der Wetteraukreis ist mittlerweile der drittgrößte Landkreis in Hessen, mit weiterhin steigenden Bevölkerungszahlen. Wir sind ein boomender Landkreis in der Region Rhein-Main. In den letzten Jahren haben wir dafür einige wichtige Weichen gestellt, die Auswirkungen werden jetzt langsam deutlich.

Frage: Der Wetteraukreis ist die grüne Lunge für die Region. Zum Beispiel?

Jan Weckler: Touristisch haben wir die neue ‚Destination Frankfurt RheinMain‘ mit gegründet. Der Wetteraukreis ist ja eine Art grüne Lunge für die Region, die einiges zu bieten hat. Gerade in Zeiten von Corona fördert es den Tagestourismus, wenn es die Menschen so nah haben, mal ins Grüne zu kommen.

Was die Wirtschaftsförderung angeht, haben wir uns ebenfalls enger an das Rhein-Main Gebiet angeschlossen, um international sichtbar zu bleiben.

Neben unserer lokalen Wirtschaftsförderung sind wir deshalb auch Mitglied der FRM geworden, der FrankfurtRheinMain GmbH – International Marketing of the Region.

Zwei weitere ganz große Schritte sind 2021 gelungen: Die erfolgreiche Bewerbung des Vereins Oberhessen für die Landesgartenschau 2027. Dies wird für die elf teilnehmenden Kommunen sicher einen großen Entwicklungssprung bedeuten.

Und dann wird der Hessentag, der 2020 Corona bedingt abgesagt werden musste, 2025 in Bad Vilbel stattfinden. Dann hoffentlich ohne Corona. Wir erwarten also für die nächsten Jahre die beiden größten Feste Hessens hier im Landkreis. Das ist schon etwas Besonderes.

Frage: Herr Weckler, mit welchen Erwartungen blicken Sie nun auf das Jahr 2022?

Jan Weckler: Im Prinzip sind wir seit zwei Jahren als Kreisverwaltung im Dauerkrisenmodus. Wir haben die ganz große Herausforderung der Pandemie.

Ich wünsche mir, dass wir in diesem Jahr auf einen Level kommen, der uns aus dem Ausnahmezustand heraus bringt. Ich hoffe zudem, dass wir die Flüchtlingskrise akut gut bewältigen, und dass sich die genannten strategischen Entscheidungen positiv auswirken.

Ich hoffe, dass der Fokus wieder mehr auf die eigentlichen Kernthemen und Aufgabenbereiche des Landkreises gelegt werden kann. Unser Landkreis soll sich weiter entwickeln, um auch langfristig für Menschen aller Generationen attraktiv zu sein.

Wir möchten weiter in die Verkehrsinfrastruktur investieren, uns für die Stärkung und Erweiterung der Bahnlinien einsetzen, Radwege bauen und die Kreisstraßen sanieren.

Wir wollen weiterhin eine gute Gesundheitsinfrastruktur vorhalten, den flächendeckenden Ausbau des Breitbands in den Kommunen unterstützen und im Schulbauprogramm weiter vorankommen.