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„Dorfentwicklung wird immer mehr an Bedeutung gewinnen“

Anne Hielscher freut sich über den ökologischen Baustoff der im Scheunenumbau von Elisabeth Lohrey eingesetzt wird. Vater Achim hilft immer mit.

Neues Dach für altes Haus: Anne Hielscher im Gespräch mit Thorsten Keiser.

Das vorher-...

...nachher Bild vom Haus der Familie Stürz gibt eine guten Eindruck von den möglichen Ergebnissen Dorfentwicklung wieder.

Landrat Joachim Arnold: Gute Erfahrungen in Wolferborn und Michelau

WETTERAUKREIS. - Rund ein Drittel der Menschen in Deutschland lebt und arbeitet auf dem Land. Die ländlichen Räume entwickeln sich allerdings sehr unterschiedlich.

„Wir wollen, dass die Dörfer in der Wetterau Zukunft haben und wollen sie gemeinsam mit allen Beteiligten fit für die Zukunft machen“, sagt Landrat Joachim Arnold.

Wenn ländliche Räume gut an Ballungszentren angebunden sind, landschaftlich attraktiv und wirtschaftlich gut aufgestellt sind, wachsen sie.

Andere Regionen leeren sich, weil junge Menschen keine Perspektive sehen, eine gute Arbeit zu finden, weil Kultur und Einkaufsmöglichkeiten fehlen, es an Kinderbetreuung und ärztlicher Versorgung mangelt.

Hier schlägt die demografische Entwicklung stärker durch als in den Städten. Die Ausgaben für Infrastruktur verteilen sich auf wenige Schultern, was eine Abwärtsspirale in Gang setzen kann.

Grundgesetz will gleichwertige Lebensverhältnisse

In Artikel 72 des Grundgesetzes ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland als Staatsziel gesetzt. „Dafür müssen die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden: Schnelles Internet für alle, Angebote, wie man auch ohne Auto auf dem Land mobil bleiben kann, gute Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung. Gleichwertige Lebensverhältnisse“, so Landrat Arnold, „sind aber auch nötig, um dem Wanderungsdruck aus den ländlichen Räumen in die Ballungsgebiete entgegenzuwirken.“

Wolferborn und Michelau – zwei Dörfer mit Zukunft

Dieses Ziel kann aber nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und den Menschen vor Ort geschaffen werden. Bund, Land und Kommunen müssen entsprechende Finanzmittel bereitstellen, um zu verhindern, dass der ländliche Raum weiter abgehängt wird, die Menschen vor Ort müssen mit kreativen Lösungen ihren Beitrag leisten.

Mit Programmen der Dorfentwicklung hat man in der Wetterau schon sehr gute Erfahrungen gemacht. In den vergangenen 5 Jahren flossen über 7 Mio. Euro an Zuschüssen in private und öffentliche Maßnahmen. Im Wetteraukreis sind zurzeit die Butzbacher Stadtteile Fauerbach und Münster, die Reichelsheimer Stadtteile Heuchelheim und Blofeld, sowie die Büdinger Stadtteile Wolferborn und Michelau im Förderprogramm.

Als Gesamtkommune mit jeweils allen Stadt- bzw. Ortsteilen wurden weiterhin Florstadt, Ranstadt und Glauburg als Förderschwerpunkte anerkannt. Auch hier können neben öffentlichen Vorhaben private Maßnahmen in den alten Ortskernen gefördert werden.

In den Büdinger Stadtteilen Wolferborn und Michelau läuft das Dorferneuerungsprogramm seit dem Jahre 2011. Noch bis Ende September des kommenden Jahr können Anträge auf Förderung eingereicht werden. 2019 endet dann das auf acht Jahre befristete Programm.

Zu den ersten Schritten der Dorfentwicklung gehört grundsätzlich die Sammlung von Projektideen aus der Bürgerschaft heraus. Das so erstellte Dorfentwicklungskonzept zeigt unter anderem auf, welche öffentlichen Projekte mit Hilfe des Förderprogramms umgesetzt werden sollen, um ein Dorf zukunftsfähig zu machen. Planungskosten, Öffentlichkeitsarbeit und die städtebauliche Beratung sind ebenfalls Teile des Dorfentwicklungsprogramms und werden mit öffentlichen Mitteln unterstützt.

Im Tandem-Projekt Wolferborn und Michelau geht es etwa um die künftige Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses Wolferborn und die Nutzung des Bürgerhauses und der Alten Schule in Michelau. Eine Machbarkeitsstudie sollte hierüber Auskunft geben. Die Umbauarbeiten an den drei Gebäuden sollen im nächsten Jahr beginnen.

Junge Leute sehen ihre Zukunft im Dorf

„In beiden Dörfern haben sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv eingebracht in den Dorferneuerungsprozess“, lobt Anne Hielscher, die im Fachdienst Strukturförderung und Umwelt der Wetterauer Kreisverwaltung die Dorfentwicklung in den beiden Büdinger Stadtteilen begleitet. Mehr als 1,4 Millionen Euro wurden in den letzten Jahren von privaten Investoren in die Dorferneuerung gesteckt.

Dafür gab es Zuschüsse in einem Volumen von rund 300.000 Euro. Die kommunalen Investitionen belaufen sich auf annähernd 600.000 Euro. Bei einer höheren prozentualen Förderung für öffentliche Maßnahmen belief sich der Zuschuss bisher ebenfalls auf rund 300.000 Euro

„Mit dem Dorfentwicklungsprogramm wollen wir erreichen, dass junge Menschen trotz des demografischen Wandels ihre Zukunft in der ländlichen Region sehen. Für Wolferborn und Michelau haben wir hier einige wirklich gute Projekte umsetzen können.“, zeigt sich Landrat Arnold mit der eingeleiteten Entwicklung zufrieden.

Thorsten Keiser wollte das Dach seines 1959 gebauten Wohnhauses erneuern. Weil das Anwesen eine „ortsgestalterische Wirksamkeit“ in Michelau entfaltet, wie es in der Empfehlung des begleitenden Stadtplaners Rainer Tropp heißt, konnte er hierfür einen Zuschuss aus dem Förderprogramm beantragen.

Ich könnte mir nicht vorstellen, woanders zu leben!“

Einen Zuschuss für die energetische Sanierung ihres aus den 1930er Jahren stammenden Wohnhauses haben auch Vitalina und Heiko Stürz erhalten. Für sie ist Michelau ihr Lebensmittelpunkt und Vitalina Stürz liebt es mit der Familie „mitten in der Natur“ zu leben. Den Kindergarten in Wolferborn, Schulen in Kefenrod und Büdingen, das ist für die Familie kein Problem.

Eines der herausragenden Objekte der Dorfentwicklung in Wolferborn ist der Umbau eines ehemaligen Stallgebäudes zu einem Wohnhaus. Bauherr Achim Lohrey baut das Gebäude für seine Tochter Elisabeth. Gemeinsam mit ihr und ihrem Freund wird an den Abenden und an den Wochenenden viel in Eigenarbeit erledigt.

„Ich könnte mir nicht vorstellen, woanders zu leben“, sagt die 24-jährige Sozialarbeiterin, die nach ihrem Studium in Fulda froh war, wieder nach Wolferborn zurückzukehren. Zur Arbeit ist es nicht allzu weit und auch die Infrastruktur stimmt, ein schnelles Internet und vor allem der große Freundeskreis vor Ort und die Gemeinschaft im Dorf, zählt sie als Pluspunkte auf.

„Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre das die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs“, sagt die junge Frau und greift zum nächsten Lehmziegel, mit dem die Gefache des neuen Fachwerks ausgefüllt werden. Auch sonst sind natürliche Baumaterialien angesagt im künftigen Wohnhaus von Elisabeth Lohrey. Nächstes Frühjahr will sie einziehen.

Die Vergabe der Mittel erfolgt nach einer Prioritätenliste

„Die Verwendung von Lehmziegeln ist allerdings nicht Voraussetzung für die Förderung“, sagt Anne Hielscher, „wir haben eine Prioritätenliste erarbeitet, nach der wir die beantragten Maßnahmen einordnen.. So sind Einzelkulturdenkmäler, besonders wenn sie vor 1930 errichtet sind und im denkmalgeschützten Bereich des Ortes liegen, besonders förderungsfähig.

Eine umfassende Sanierung wird eher gefördert als Einzelgewerke, bei denen beispielsweise nur Fenster oder Haustüren erneuert werden. Eine energetische Sanierung bringt ebenfalls zusätzliche Punkte bei der Bewertung. Zudem gibt es bestimmte Gestaltungs- und Materialvorgaben. 

“Ich bin stolz darauf, dass bisher es uns gelungen ist alle förderungswürdigen Projekte zu bewilligen und zudem Gelder aus anderen hessischen Landkreisen, die dort nicht verwendet wurden, zusätzlich in die Wetterau zu lenken.”, zeigt sich Landrat Arnold mit der Arbeit seiner Fachstelle Strukturförderung sehr zufrieden.

Wir wollen, dass das Ortsbild erhalten bleibt“

„Wir wollen natürlich, dass das Ortsbild erhalten bleibt.“, betont Anne Hielscher. So gilt der Tonziegel als Mittel der Wahl für die Dacheindeckung. Bei den Spenglerarbeiten ist Zink das Material der Wahl Kunststoff hingegen ist ganz und gar unzulässig, genauso wie etwa der Einsatz von Kunststofftüren und –fenstern in Fachwerkhäusern oder die Betonierung oder Teerung von Einfahrten und Höfen.

Die Dorfentwicklung erfordert einen langen Atem

Einen Projektzeitraum von neun Jahren hält Anne Hielscher für durchaus sinnvoll. Die ersten beiden Jahre sind oft geprägt von vorsichtigem Abwarten, was tatsächlich mit solchen Projekten verbunden ist und wie der bürokratische Ablauf ist.

„Das allerdings ist kein großes Problem“, wie Thorsten Keiser aus Michelau erzählt. Für die Dacheindeckung hat er sich drei Angebote besorgt. Die Eindeckung musste der Energieeinsparverordnung entsprechen. Nach Abrechnung der Baumaßnahme kann dann die vorher schon bewilligte Förderung mit 35 Prozent bzw. maximal 35.000 Euro fließen.

Hofgut Wolferborn hat das Zeug zum Ortsmittelpunkt

Das größte private Objekt in der Dorferneuerung Wolferborn wartet allerdings noch auf den ersten Spatenstich. Investor Michael Herdt will auf dem ehemaligen Hof Rapp einen Laden mit Eventscheune und Pension realisieren.

„Das wäre genau das, was dem Dorf jetzt noch fehlt“, zeigt sich Landrat Arnold begeistert. Zwar führen Michael und Jörg Herdt zwei Häuser weiter bereits den zu Anfang des Jahres übernommenen Dorfladen, die Entwicklungsmöglichkeiten sind aber relativ klein. Auf dem als Hofgut Wolferborn bezeichneten Gelände könnte sich der Laden vergrößern und auch mehr Produkte anbieten, unter anderem auch solche, die Jörg Herdt auf seinem Bauernhof erzeugt.

LEADER-Förderung

Ein solch großes Projekt ist natürlich mit Mitteln der Dorfentwicklung allein nicht zu stemmen. Hierfür soll ein weiterer Antrag aus dem EU-Förderprogramm LEADER gestellt werden.

Michelau und Wolferborn haben Zukunft, auch wenn sie weder an Autobahn noch Bahnnetz angeschlossen sind und der Weg zum Flughafen mindestens eine Stunde dauert. Das Dorfentwicklungsprogramm leistet dazu einen wichtigen Beitrag.