IG BAU fordert âhöheren Kontroll-Druckâ im Wetteraukreis

Zöllnerin bei einer Baustellen-Kontrolle: Im Baugewerbe verstoĂen noch immer viele Firmen gegen die Regeln â vor allem, wennâs um den Lohn geht, kritisiert die IG BAU. Allerdings hat der Zoll lĂ€ngst nicht alle VerstöĂe im Blick. Die Gewerkschaft fordert deshalb eine einheitliche staatliche Arbeitsinspektion, die alles kontrolliert â von der Lohnzahlung ĂŒber den Arbeitsschutz bis zur Arbeitszeit. Foto: Tobias Seifert, IG BAU
GIESSEN / FRIEDBERG. - Unsaubere Praktiken im Visier: Das Hauptzollamt GieĂen, das auch fĂŒr den Wetteraukreis zustĂ€ndig ist, hat im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 768 Arbeitgeber in der Region kontrolliert.
Im Fokus der Fahnder dabei: illegale BeschĂ€ftigung, Sozialbetrug und VerstöĂe gegen geltende Mindestlöhne. Allein Baufirmen bekamen 253 Mal Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, wie die Industriegewerkschaft Bauen-AgrarUmwelt mitteilt.
Die IG BAU beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Beate MĂŒller-Gemmeke (GrĂŒne).
Demnach hatten es die GieĂener Zöllner hĂ€ufig mit Tricksereien beim Lohn zu tun: In der ersten JahreshĂ€lfte leiteten die Beamten in der gesamten Region 697 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein â etwa weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spĂ€t gezahlt wurden.
Hierbei wurden BuĂgelder in Höhe von rund 468.000 Euro verhĂ€ngt â davon 151.000 Euro gegen Bauunternehmen. âDie Zahlen zeigen, dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer BeschĂ€ftigten nicht so genau nehmen.
Sowohl bei den speziellen Branchenmindestlöhnen wie auf dem Bau als auch beim gesetzlichen Mindestlohnâ, kritisiert Karl-Otto Waas, Bezirksvorsitzender der IG BAU Gelnhausen-Friedberg.
Der Gewerkschafter begrĂŒĂt die PlĂ€ne der Ampel-Koalition in Berlin, das gesetzliche Lohn-Minimum auf 12 Euro pro Stunde anzuheben. Allein im Wetteraukreis dĂŒrften damit die Einkommen Tausender Menschen spĂŒrbar steigen.
Allerdings mĂŒsse der Staat sicherstellen, dass sich die Firmen auch an die Vorschriften hielten â und fĂŒr einen âhöheren Kontroll-Druckâ sorgen. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beim Hauptzollamt GieĂen personell erheblich aufgestockt werde.
âKlettert der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro und bleibt es gleichzeitig bei der bisherigen Kontrollquote, ist die Gefahr fĂŒr Arbeitgeber, bei MindestlohnverstöĂen ertappt zu werden, verschwindend gering. Da muss man dann schon von reinen ,Placebo-Kontrollenâ sprechenâ, so Waas.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wĂŒrden in Deutschland 7,2 Millionen BeschĂ€ftigte von einer Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro profitieren. âDas sind 7,2 Millionen LohntĂŒten, auf die der Staat zusĂ€tzlich einen Blick werfen mussâ, betont Waas.
Die IG BAU kritsiert zudem ein âstaatliches ZustĂ€ndigkeits-Wirrwarrâ bei den Kontrollen. Das fĂŒhre hĂ€ufig dazu, dass MissstĂ€nde ungeahndet blieben. So seien etwa die Arbeitsschutzbehörden, die ĂŒber die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und Standards bei UnterkĂŒnften auslĂ€ndischer BeschĂ€ftigter wachen, personell unterbesetzt.
AuĂerdem hĂ€tten sie im Zuge der Pandemie weitere Aufgaben â wie die Kontrolle der HomeofficeVerordnung â bekommen. Die FKS des Zolls hingegen kĂŒmmere sich um die PrĂŒfung von Lohn- oder Steuerabrechnungen.
Bei VerstöĂen verhĂ€nge die FKS zwar Sanktionen gegen die Firmen. Bauarbeiter mĂŒssten sich dann aber um den Lohn, um den sie geprellt wurden, selbst kĂŒmmern.
âPerspektivisch brauchen wir eine staatliche Arbeitsinspektion, die als ĂŒbergeordnete Behörde die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und Sozialvorschriften sicherstelltâ, fordert Waas. Eine solche âArbeitskontrolle aus einer Handâ habe sich etwa in Frankreich und Spanien bewĂ€hrt.
Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: âWenn Gewerkschaften oder BetriebsrĂ€te Hinweise an die Arbeitsinspektion herantragen, muss dies ebenfalls zu Ermittlungen fĂŒhrenâ, so Waas.
AuĂerdem mĂŒsse die Behörde etwa bei MindestlohnverstöĂen Nachzahlungen an BeschĂ€ftigte veranlassen dĂŒrfen. Die IG BAU setzt sich zugleich dafĂŒr ein, auffĂ€llig gewordene Firmen von der öffentlichen Auftragsvergabe auszuschlieĂen.
âWir brauchen ein ,SĂŒndenregisterâ fĂŒr Schwarzarbeit â eine öffentliche Kartei, in der die Betriebe aufgelistet werden, deren GeschĂ€ftsmodell auf illegaler BeschĂ€ftigung und Lohn-Prellerei beruhtâ, unterstreicht Waas.