Erste Bildungskonferenz im Wetteraukreis: Sprache als Schlüssel zur Integration
WETTERAUKREIS / FRIEDBERG. - Erster Kreisbeigeordneter und Schuldezernent Jan Weckler hatte für den vergangenen Freitag zur ersten Bildungskonferenz im Wetteraukreis eingeladen.
Teilgenommen an der Konferenz hat das Who is Who der Wetterauer Bildungslandschaft, das sich haupt- und ehrenamtlich der Sprachvermittlung widmet.
„Unsere Region steht seit 2015 vor einer großen Herausforderung: Es geht darum, eine große Zahl von Menschen zu integrieren, die vor Krieg und Gewalt aus ihrer Heimat geflohen sind“, sagte Weckler vor den Teilnehmern der Konferenz im gut gefüllten Plenarsaal des Friedberger Kreishauses.
Flucht und Migration seien keine abstrakten Probleme mehr, die man in den Nachrichten verfolgen könne, „geflüchtete Menschen sind in unserer Nachbarschaft und in unserem Alltag angelangt. Der Schlüssel zur Integration ist die Beherrschung der Sprache“, so Weckler weiter.
Die Bildungskonferenz sollte dazu genutzt werden, Transparenz hinsichtlich der vielfältigen Angebote zu schaffen, die haupt- und ehrenamtlichen Akteure an einen Tisch und miteinander ins Gespräch zu bringen, die gemeinsamen Ziele sichtbar zu machen und, das war dem Schuldezernenten besonders wichtig, „Anerkennung auszusprechen für das schon Geleistete“.
Mehrsprachige Kinder haben Vorteile
Den ersten Vortrag des Vormittags hielt Professorin Dr. Inken Keim vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim. Die Wissenschaftlerin forscht zur ‚sprachlichen Entwicklung unter den Bedingungen der Migration‘.
„Mehrsprachige Kinder“, so Professorin Keim, „haben Vorteile gegenüber einsprachigen, insbesondere können sie kognitiv komplexe Aufgaben besser lösen. Auch das Wechseln von Sprachen, etwa zwischen Deutsch und Türkisch, sei kein Nachteil, und auch die Ausbildung von Sprachmischungen und sogenannten Ethnolekten sei ein normaler Prozess. „Diese neuen Sprachformen haben auch identitätsstiftende Funktionen“, so Professor Keim.
Als Bedingungen für einen erfolgreichen Erwerb des Deutschen als Zweitsprache nannte die Bildungsforscherin „einen möglichst frühen Beginn sowie variations- und kontrastreiche Sprachangebote von kompetenten Deutschsprechern“.
Die Forderung an Migranteneltern, zu Hause Deutsch zu sprechen, sei eher kontraproduktiv, da nur kompetente Sprecher Sprachvorbilder sein könnten. Professorin Keim wies auf die jüngsten Testergebnisse zum Spracherwerb der Viertklässler hin, die schlechter seien als noch vor einigen Jahren. Dies sei eine besondere Herausforderung für die Schulen, die noch stärker auf die Heterogenität der Kinder reagieren müssten.“
Im Anschluss an das Impulsreferat von Professorin Keim konnten die Teilnehmer der Bildungskonferenz an verschiedenen Workshops teilnehmen. Die Angebote reichten von der frühkindlichen über die Schulische Bildung bis hin zu Themen wie ‚Sprache und Arbeitswelt‘ und ‚Deutschförderung im Ehrenamt und durch Bildungsträger‘.
Eine längere Pause wurde als ‚Markt der Möglichkeiten‘ gestaltet, auf dem sich die Teilnehmer der Konferenz über die Angebote der verschiedenen Träger in der Wetterau informieren und miteinander in Kontakt treten konnten.
Migrationsberaterin Yilmaz: Integration ist aber mehr als nur Spracherwerb
Beim abschließenden Podiumsgespräch diskutierte Erster Kreisbeigeordneter Jan Weckler mit Karin Frech von ‚Frauen, Arbeit Bildung‘, Robert Kern vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Sezgin Yilmaz vom Fachbereich Migration des DRK, Kreisverband Friedberg und Bernhard Wiedemann, Geschäftsführer des Jobcenter Wetterau.
Im Gespräch mit Moderatorin Felicitas von Küchler von der Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement Hessen sagte der Erste Kreisbeigeordnete, dass man die vorhandenen Angebote zusammenführen wolle.
Dass der Wetteraukreis gut aufgestellt sei und dass es sehr gute Netzwerkstrukturen gebe und einen konstanten Stamm an Integrationskursträgern, hob Norbert Kern vom Bundesamt für Migration hervor.
„Integration ist aber mehr als nur Spracherwerb“, betonte Migrationsberaterin Yilmaz, die insbesondere Hindernisse beim Spracherwerb, wie etwa Fragen des fehlenden Wohnraums für anerkannte Flüchtlinge und Probleme bei der Familienzusammenführung benannte.
„Die Integration findet in den Städten und Gemeinden statt. Deshalb bräuchten zumindest die größeren Kommunen eigene Integrationsbeauftragte“, forderte Yilmaz.
Karin Frech von FAB beklagte, dass nicht alle Flüchtlinge in den Genuss von Sprachkursen kommen. Auch die, die wieder gehen müssten, könnten vieles von unserer Demokratie mitnehmen, wenn sie solche Sprachkurse machen könnten.
Die fundamentale Bedeutung von Sprachkursen betonte der Geschäftsführer des Jobcenter Bernhard Wiedemann. „Sprachkenntnisse sind ein elementarer Bestandteil, um am Arbeitsmarkt teilnehmen zu können und schließlich unabhängig von Transferleistungen leben zu können.“
Wiedemann lobte das ehrenamtliche Wirken vieler Initiativen. „Hier wird eine Arbeit geleistet, die wir als Jobcenter nicht leisten können, insbesondere durch die ständige und enge Kommunikation mit den Geflüchteten.“
Weckler: „Zur Integration gehört auch die Vermittlung von Werten!“
Erstem Kreisbeigeordneten Jan Weckler blieb es vorbehalten, das Schlusswort zu sprechen. „Zur Integration durch Bildung und Sprache gehört auch die Vermittlung von Werten und Kultur. Das Grundgesetz als Kanon ist dafür bestens geeignet.“
Gerade in den ländlichen Gebieten könne Zuwanderung auch als Chance begriffen werden, weil hier der Wohnraum vorhanden sei, der in den Ballungsgebieten fehlt. Perspektivisch brauche man in der Wetterau einen „Bildungskompass“ für alle Menschen, nicht nur für Flüchtlinge, um Struktur in die Vielzahl der Angebote zu bekommen.
Weckler zog ein positives Fazit der Veranstaltung. „Die von Kinga Bichler und Dr. Gerd Ulrich Bauer moderierte Veranstaltung hat meine Erwartungen voll erfüllt. Netzwerke wurden gestärkt und neue Kontakte geknüpft, um das gemeinsame Ziel, nämlich Integration durch Bildung und Sprachförderung, zu erreichen.“
Die Konferenz bildet den bisherigen Höhepunkt im Förderprogramm Bildungskoordination für Neuzugewanderte, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird.