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Serie: Kunst in Kirchen in der Wetterau

Werner Cee versteht es Stimmungen zu erzeugen.

Der Nebel wabert hinter dem Lettner und verdunkelt die Sonne, dazu eine Klanginstallation mit Text von Lord Byron und JĂłn SteingrĂ­msson.

Werner Cee vor der Sonne die zunehmend verdunkelt wird.

Werner Cee versetzt die Besucher der Friedberger Stadtkirche in die EndzeitatmosphĂ€re des „Jahrs ohne Sommer“ 1816

WETTERAUKREIS. - Am kommenden Samstag, 19. August, startet die neue Auflage von Kunst in Kirchen in der Wetterau. Die vom Wetteraukreis und der evangelischen und katholischen Kirche in der Wetterau organisierte Veranstaltung findet zum fĂŒnften Mal statt. Nach den vier Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft kĂŒnstlerisch bearbeitet wurden, lautet das Thema fĂŒr Kunst in Kirchen 2017 „Aufbrechen“.

Sechs katholische und evangelische Kirchen in der Wetterau öffnen ihre TĂŒren fĂŒr ein ganz besonderes Kunstprojekt. Entlang des Lutherweges werden in den evangelischen Kirchen Butzbach, Nieder-Weisel, Wölfersheim und Friedberg und den katholischen Kirchen Rodheim und Karben sechs KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler einen Dialog mit den GotteshĂ€usern eingehen.

In einer kleinen Serie wollen wir die sechs Kirchen, die KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler und ihre Arbeiten vorstellen.

Werner Cee versetzt die Besucher der Friedberger Stadtkirche in die EndzeitatmosphĂ€re des „Jahrs ohne Sommer“ 1816

Das Jahr 1816 ging in die Geschichte als „Jahr ohne Sommer“ ein. Vorausgegangen war der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora. Die Asche verdunkelte die Sonne und bewirkte globale KlimaverĂ€nderungen. Der englische Dichter Lord Byron ließ sich von dieser Stimmung zu dem Gedicht ‚Darkness‘ inspirieren.

Das Gedicht, auf Englisch vorgetragen ist Teil einer Klanginstallation, die in der Stadtkirche zu hören ist, genauso wie die Beschreibung des islÀndischen Pfarrers Jón Steingrímsson, der als Augenzeuge den Ausbruch des islÀndischen Vulkans Laki eindrucksvoll beschrieb.

Die Klanginstallation wird ergĂ€nzt durch instrumentale KlangflĂ€chen, die sich zwischen Idylle und Inferno bewegen, sowie PatentĂŒberschriften zum Thema Geoengineering. Dies sind technische Mittel gegen die KlimaerwĂ€rmung, wie etwa die Ausbringung von Staubpartikeln um die Erde kĂŒnstlich verdunkeln.

„Es gibt Wissenschaftler, die von einem neuen Erdzeitalter sprechen, dem AnthropozĂ€n, also dem vom Menschen geformten Zeitalter. Fortschritte in Wissenschaft und Forschung haben dazu beigetragen, dass menschliches Verhalten sich heute in weiten Teilen aus dem selbst auferlegten Recht ableitet, in natĂŒrliche Prozesse der BiosphĂ€re einzugreifen, um das zu heilen was menschliches Wirken verursacht hat.

Ist aber die Wissenschaft noch wertneutral? Welche Rolle spielt Religion? Ich will keine Antworten geben, sondern diese Fragen inszenieren“, sagt Werner Cee. Dazu wabert Nebel in dem Kirchenraum und verdunkelt die leuchtend rote Sonne, die ĂŒber dem Altar zu schweben scheint.

„Ich will die Besucherinnen und Besucher in eine Stimmung versetzen, wie sie die Menschen um das Jahr 1816 auch gespĂŒrt haben“, sagt Werner Cee. Wer in den nĂ€chsten Wochen die Stadtkirche in Friedberg besucht, kann dieses GefĂŒhl gut nachvollziehen.

Wir haben mit Werner Cee gesprochen. Seine Installation in der Friedberger Stadtkirche trĂ€gt den Titel „AnthropozĂ€n“

Frage: Kunst in Kirchen ist ein in Deutschland einzigartiges und ungewöhnliches Projekt. Was hat Sie bewogen, sich dafĂŒr zu bewerben?

Werner Cee: Ich habe mich unter anderem seit Jahren mit dem Begriff des „AnthropozĂ€n“ auseinandergesetzt. Wissenschaftler haben ein neues Zeitalter ausgerufen, in dem der Mensch die Natur als Gestalter der Welt abgelöst hat. Der Mensch macht sich so zum allmĂ€chtigen Schöpfer. Es lag nahe, eine Arbeit zu diesem Thema in einem KirchengebĂ€ude zu realisieren.

Frage: Was reizt Sie als KĂŒnstler, in einer Kirche auszustellen?

Werner Cee: In europĂ€ischen StĂ€dten sind KirchengebĂ€ude oft die Ă€ltesten Zeugen von Kultur und Kunst. Sie liegen an zentralen PlĂ€tzen, prĂ€gen das Stadtbild, sind meist öffentlich zugĂ€nglich. Allein durch ihre PrĂ€senz weisen sie auf eine grĂ¶ĂŸere Dimension hin – auf etwas, das ĂŒber die menschliche Lebensspanne hinausgeht und auf einen Horizont, der nicht gerade vom herrschenden Zeitgeist begrenzt ist. Es sind RĂ€ume, die dazu einladen, sich aus dem Alltag herauszubegeben, sich Zeit zu nehmen, sich auf Gedanken und Ideen einzulassen.

Frage: Eine Kirche ist der Ort, an dem man das GesprÀch mit Gott sucht. Traditionelle Kirchenbilder erleichtern dieses GesprÀch, zeitgenössische Kunst kann da wie ein Fremdkörper wirken. Ist das so gewollt?

Werner Cee: Zu der Zeit, in der Kirchen gebaut wurden, waren die darin verwendeten Ästhetiken, Stilmittel und Handwerkstechniken zeitgenössische Kunst. Es ist meiner Ansicht nach eine
zentrale Aufgabe zeitgenössischer Kunst in Kirchen, dafĂŒr zu sorgen, dass auch ein Kunstwerk unserer Zeit in diesen RĂ€umen nicht fremd bleibt, nicht wie eine Störung wirkt, sondern vielmehr inmitten der jahrhundertealten Werke GedankenrĂ€ume öffnet, aktuelle BezĂŒge herstellt.

Frage: Welche Reaktionen erwarten Sie von den Besucherinnen und Besuchern?

Werner Cee: Meine Installation ist ein Angebot, sich auf eigene Assoziationen einzulassen. Sie will nicht erklĂ€ren oder gar belehren, sondern einen besonderen Raum schaffen und in poetischer Weise dazu anregen sich mit dem Thema „AnthropozĂ€n“, der heute angeblich ganz vom Menschen bestimmten Welt, auseinanderzusetzen.

Dazu gehört, dass sich die Besucher Zeit nehmen, sich das Werk wie ein MusikstĂŒck anhören, darin herumgehen, verweilen und die ausgelegten Texte lesen.

Werner Cee

Werner Cee, in Friedberg-Dorheim geboren, studierte an der StĂ€delschule und arbeitete bis in die 80er Jahre hinein als freischaffender bildender KĂŒnstler, gleichzeitig als Musiker in der experimentellen Rockmusikszene. Es folgten Arbeiten im Medienkunstbereich, Klang- und Lichtinstallationen, die eine Verbindung von visuellen und akustischen Medien von Klang, GerĂ€usch, Architektur und Musik herstellten.

SpĂ€ter verlagerte sich Werner Cee auf elektroakustische Kompositionen. Werner Cee ist fĂŒr seine Kunst vielfach ausgezeichnet, so etwa mit dem Prix Italia, dem deutschen Klangkunstpreis und dem 1. Preis fĂŒr radiophone HörstĂŒcke Spaniens.