GrÀber aus dem Neolithikum bis in die Eisenzeit
Ergebnisse der archÀologischen Untersuchung in Florstadt-Nieder-MockstadtWETTERAUKREIS / NIEDER-MOCKSTADT. - Die Wetterau gehört zu den Hotspots der ArchÀologie in Hessen. Kurz vor der weiteren Bebauung im Gewerbegebiet Nieder Mockstadt fanden jetzt umfangreiche Grabungen statt, Das Ergebnis dieser archÀologischen Arbeiten wurde jetzt bei einem Pressetermin vorgestellt.
âDie Funde zeigen wie bedeutsam die Wetterau als Siedlungsplatz schon in vorgeschichtlicher Zeit war. Dass diese Spuren der Vergangenheit fĂŒr die Nachwelt erhalten bleiben ist mir als Dezernent fĂŒr die Kreisentwicklung wichtig.
Ich danke deshalb an dieser Stelle auch KreisarchĂ€ologen Dr. Jörg Lindenthal fĂŒr seinen Beitrag an diesem Projektâ, sagte Kreisbeigeordneter Matthias Walter bei der Vorstellung der Grabungsergebnisse.
Im Westen des FlorstĂ€dter Ortsteils Nieder-Mockstadt wird derzeit das Gewerbegebiet âIm Unterfeldâ zur Bebauung durch das ansĂ€ssige Logistikunternehmen DHL in Richtung SĂŒden erweitert.
Das Baugebiet befindet sich im Bereich eines GrĂ€berfeldes, welches in Teilen bereits anlĂ€sslich einer Flurbereinigung in den 1920er Jahren sowie einer frĂŒheren Gewerbegebietserweiterung im Jahr 2003 untersucht worden war. Diese Grabungen ergaben Aufschluss ĂŒber die Nutzung des GelĂ€ndes als BegrĂ€bnisstĂ€tte von der Mittelbronzezeit bis in die Eisenzeit.
Bereits 1924 veröffentlichte Otto Kunkel unter dem eindrucksvollen Titel âEine Totenstadt in der Wetterauâ Ergebnisse der Grabungen in Nieder-Mockstadt. Sie gehörten zu dieser Zeit zu den umfangreichsten systematischen Untersuchungen innerhalb vorgeschichtlicher GrĂ€berfelder in Hessen.
Durch seine unmittelbare NĂ€he zum Glauberg - so trennen den Fundplatz in Nieder-Mockstadt und die âKeltenwelt am Glaubergâ nur fĂŒnf km - kommt ihm auch fĂŒr die aktuelle Forschung eine hervorragende Stellung zu.
Linearbandkeramische Siedlung
Aufgrund der Befundlage wurde auch fĂŒr das aktuelle Baugebiet die bauvorgreifende archĂ€ologische Untersuchung des Areals durch das Landesamt fĂŒr Denkmalpflege, hessenARCHĂOLOGIE, und der ArchĂ€ologischen Denkmalpflege des Wetteraukreises zur Auflage gemacht.
Die archĂ€ologische Fachfirma WiBA GmbH aus Marburg fĂŒhrte in den Jahren 2019/2020 zunĂ€chst Ausgrabungen auf der FlĂ€che des mittlerweile errichteten dritten DHL-Hochlagers durch.
Neben den erwarteten GrĂ€bern kam dort ein sehr viel Ă€lterer Siedlungsplatz aus der mittleren bis spĂ€ten Phase der jungsteinzeitlichen âLinearbandkeramischen Kulturâ (5.300â4.900 v. Chr.) zutage, welche nach ihrer mit Bandmustern verzierten Keramik benannt und die erste Bauernkultur Mitteleuropas ist.
KĂŒrzlich abgeschlossenen wurde die Untersuchung auf dem GelĂ€nde des geplanten vierten Logistikzentrums und einem nördlich davon gelegenen Parkplatz. Damit wurden insgesamt rund 12,5 ha archĂ€ologisch untersucht.
Von dem bis in die 1920er Jahre bewaldeten GelĂ€nde lag zu Grabungsbeginn eine LiDAR-Aufnahme â ein auf Laserscanning basierendes OberflĂ€chenmodell â vor, wonach das Grabungsareal den nordwestlichen Teil einer HĂŒgelgrĂ€bergruppe umfasste.
Durch die Rodung des Waldes und Bearbeitung des Bodens mit dem Tiefpflug sowie die folgende jahrzehntelange landwirtschaftliche Nutzung war mit einer starken Verschleifung und (Zer-)Störung der GelĂ€ndedenkmĂ€ler zu rechnen, dennoch erbrachte die von Mitte Oktober 2020 bis Ende November 2021 dauernde MaĂnahme mit ĂŒber 900 Befunden interessante Ergebnisse.
Ăber Jahrtausende Bestattungsplatz
So wurde die Nutzung des Areals als Bestattungsplatz bereits fĂŒr das Endneolithikum (2.800â2.000 v. Chr.) nachgewiesen: Einem in einer rechteckigen Grabgrube niedergelegten Individuum, dessen Knochen fast gĂ€nzlich vergangen waren, hatte man zwei zeittypische KeramikgefĂ€Ăe sowie (offenbar) Pfeil und Bogen beigegeben.
Von letzteren, hauptsĂ€chlich aus organischem Material bestehenden Objekten hatte sich die aus Feuerstein gearbeitete Pfeilspitze erhalten. Die zahlreichen, auf dem GelĂ€ndescan als Erhebungen sichtbaren GrabhĂŒgel waren nur selten im archĂ€ologischen Befund zu fassen.
Viermal lieĂ sich die ursprĂŒngliche Ausdehnung der HĂŒgel von bis zu ca. 13 m anhand eines Kreisgrabens feststellen, der einst den HĂŒgelfuĂ umzog und sich im Boden als ringförmige VerfĂ€rbung abzeichnete.
Von den in der HĂŒgelmitte liegenden Bestattungen waren meist nur noch Reste ohne aussagekrĂ€ftige Funde erhalten, was die zeitliche Einordnung dieser GrĂ€ber erschwert.
In anderen FĂ€llen lieĂ sich die HĂŒgelausdehnung nicht mehr feststellen, doch konnten die Steinsetzung oder Grube der zentralen Bestattung freigelegt und teilweise der Leichenschatten des vergangenen Körpers als leichte BodenverfĂ€rbung sowie in zwei FĂ€llen die Reste eines Baumsarges dokumentiert werden.
Die geborgenen Bronze- und Keramikbeigaben erlauben die Datierung der GrĂ€ber in die mittlere und den Ăbergang zur spĂ€ten Bronzezeit (1.600â1.200 v. Chr.).
Um die GrabhĂŒgel herum wurden in spĂ€teren Zeiten zahlreiche Brandbestattungen niedergelegt. Mehrere der darunter befindlichen UrnengrĂ€ber lassen sich anhand der erhaltenen keramischen GefĂ€Ăe und weiterer Beigaben in die Urnenfelderzeit (1.200â800 v. Chr.) und die Ă€ltere Eisenzeit (800 â 450 v.Chr.) datieren. Einzelne UrnengrĂ€ber belegen aber noch die weitere Nutzung des Areals wĂ€hrend der frĂŒhen LatĂšnezeit (450â250 v.Chr.).
Von besonderem Interesse sind auch vier Pfostenbauten. Da ausgeprĂ€gte Spuren von SiedlungstĂ€tigkeit im untersuchten Bereich fehlen, könnten sie mit dem GrĂ€berfeld in Zusammenhang stehen und fĂŒr kultische Zwecke im Bestattungsritual gedient haben.
Wo die hier in einem Zeitraum von ĂŒber 2000 Jahren Bestatteten ihre WohnstĂ€tte hatten, bleibt jedoch noch offen. Bislang ist nur die Ă€ltere linearbandkeramische Siedlung im nĂ€heren Umfeld bekannt, die nicht mit dem GrĂ€berfeld in Verbindung zu bringen ist.