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Wolle: so wertvoll und doch ein MinusgeschÀft

Die fleißigen Landschaftspfleger freuen sich im spĂ€ten FrĂŒhjahr ĂŒber die Schur. Foto: Pressedienst Wetteraukreis

Das Dilemma mit dem nachwachsenden Rohstoff

WETTERAUKREIS. - Schafe gibt es in Deutschland und im Wetteraukreis viele. Man sieht sie auf den Weiden grasen, zwischen StreuobstbĂ€umen stehen oder beim Umtrieb von einer zur nĂ€chsten grĂŒnen Wiese laufen.

Als eines der ersten domestizierten Nutztiere sind sie wahre Allrounder und wir können ihr Fleisch, ihre Milch und ihr Haarkleid nutzen. Aber was passiert eigentlich mit der vielen Wolle, die jÀhrlich anfÀllt?

Wolle hat sich schon frĂŒh als Ausgangsmaterial fĂŒr KleidungsstĂŒcke beliebt gemacht. Sie ist schwer entflammbar, geruchsneutral, antibakteriell und kann relativ große Mengen Wasser aufnehmen, ohne sich feucht anzufĂŒhlen.

Durch die KrĂ€uselung der einzelnen Faser bilden sich kleine Luftkammern und sorgen dafĂŒr, dass KleidungsstĂŒcke aus Wolle sowohl vor KĂ€lte schĂŒtzen, als auch bei WĂ€rme isolierend wirken.

Nachdem Wolle vor allem durch das Aufkommen synthetischer Fasern vom Markt verdrĂ€ngt wurde, erfreut sich der nachwachsende Rohstoff inzwischen unter anderem im Outdoor-Bereich wieder großer Beliebtheit und ist nahezu in jedem Kleiderschrank zu finden.

Obwohl es in Deutschland und auch im Wetteraukreis zahlreiche Schafe gibt, ist der Verkauf von Wolle hierzulande ein MinusgeschĂ€ft. Doch die Wolle muss runter vom Schaf – und das jĂ€hrlich.

Durch jahrelange ZĂŒchtung haben die Tiere die FĂ€higkeit verloren, ihre Wolle selbststĂ€ndig abzuwerfen und sind deswegen auf die Schur angewiesen.

Zwischen drei und vier Kilogramm Wolle fallen pro Schaf und Jahr an. Die geringen Wollpreise gepaart mit mehreren Verarbeitungsschritten senken die Erlöse aus der Wolle allerdings stark herab.

Der Weg vom Vlies zum fertigen Pullover

Nach der Schur wird das Vlies gewaschen, gekĂ€mmt, versponnen und gegebenenfalls eingefĂ€rbt. Anschließend kann die Faser verstrickt und/oder gewalkt werden. Mit ein bisschen GlĂŒck verrĂ€t ein Blick aufs Etikett die Herkunft der Wolle.

Klimatische Bedingungen und eine hohe FlĂ€chenverfĂŒgbarkeit haben dazu gefĂŒhrt, dass der globale Welthandel von Neuseeland, Australien, China und Argentinien bestimmt wird. Mit den geringen Preisen und der höheren Faserfeinheit kann die heimische Wolle kaum mithalten.

Die Konsequenz ist, dass die Erlöse aus dem Wollverkauf oft nicht mal die Kosten fĂŒr die Schur decken. Und das Dilemma geht weiter: Auch Vermarktungs- und Verarbeitungsstrukturen sind in Deutschland ĂŒber die Zeit weggebrochen und erschweren weitere Verarbeitungsschritte.

Eine zusĂ€tzliche Schwierigkeit ist, dass Wolle als sogenanntes K3-Material (tierisches Nebenprodukt) gehandelt wird. Die Kategorisierung fĂŒhrt zu höheren Auflagen beim Transport und der Verarbeitung von Rohwolle.

Die Bedeutung fĂŒr die SchĂ€ferinnen und SchĂ€fer aus dem Wetteraukreis

„Die Leistung der Schafe in der Landschaftspflege ist unersetzlich“, betont Landrat Jan Weckler, Vorsitzender des Landschaftspflegeverbandes Naturschutzfonds Wetterau e.V. die wichtige Rolle der hiesigen Schafe.

Sie weiden auf FlĂ€chen, die sich sonst kaum bewirtschaften lassen und sorgen dadurch fĂŒr eine Steigerung der BiodiversitĂ€t. WĂ€hrend sich Fleisch und verarbeitete Milchprodukte vermarkten lassen, bleiben die heimischen SchĂ€ferinnen und SchĂ€fer auf der Wolle sitzen, zahlen fĂŒr deren Entsorgung noch drauf oder geben sie fĂŒr einen geringen Preis an HĂ€ndler ab.

Weit verbreitet ist die Meinung, dass die heimische Wolle aufgrund von KlimaeinflĂŒssen und Schafrassen zu grob sei, um sie in der Textilindustrie zu verarbeiten.

Durch jahrhundertelange ZĂŒchtung wurden Schafe auf verschiedene Merkmale – Fleisch, Milchleistung, Wolle, Landschaftspflege – selektiert.

WĂ€hrend Landschaftspflegerassen beispielsweise als trittfest gelten und auch mit kargem Futter gut zurechtkommen, wurden Merinoschafe auf eine hohe Wollleistung und eine feine Wollfaser hin gezĂŒchtet.

Trotz starker Konkurrenz aus dem Ausland, anderen Haltungsbedingungen und fehlender Infrastruktur gibt es auch in Deutschland einige wollbegeisterte Menschen, die mit großem Engagement und Erfolg KleidungsstĂŒcke, Textilien, Teppiche, DĂŒnger oder DĂ€mmmaterialien aus deutscher Wolle herstellen.

Dem nachwachsenden Rohstoff wird somit langsam der Wert, den die Wolle sich redlich verdient hat, wieder zurĂŒckgegeben. „Durch den Kauf regionaler Produkte haben die Verbraucherinnen und Verbraucher aktiv die Möglichkeit die heimischen SchĂ€ferinnen und SchĂ€fer zu unterstĂŒtzen“, so Franka Hensen, GeschĂ€ftsfĂŒhrerin des Landschaftspflegeverbandes.

Der Naturschutzfonds Wetterau e.V. unterstĂŒtzt seit Jahren die Arbeit der schafhaltenden Betriebe im Wetteraukreis. Über die neue Richtlinie des Landes Hessen zur Förderung von LandschaftspflegeverbĂ€nden kann diese Arbeit fortgesetzt und unterschiedliche Projekte umgesetzt werden.