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Trinkwasserversorgung im Schadensfall: Kommunen erarbeiten Notfallpläne

Landrat Jan Weckler, Gesundheitsdezernentin Stephanie Becker-Bösch, Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs und OVAG-Direktor Joachim Arnold (von links nach rechts).

WETTERAUKREIS. - 121 Liter Wasser verbraucht jeder Wetterauer und jede Wetterauerin jeden Tag. Das entspricht der gewaltigen Menge von 18 olympiatauglichen 50-Meter-Schwimmbecken oder 37 Millionen Liter Wasser.

Kaum jemand macht sich Gedanken darüber woher das Wasser kommt. Man dreht am Hahn und das Wasser fließt. Was aber, wenn es nicht mehr fließt, etwa weil ein Schaden an der Hauptwasserleitung eingetreten ist? Dann müssen die Kommunen als zuständige Wasserversorger mit entsprechenden Notfallplänen die Trinkwasserversorgung sicherstellen.

Am vergangenen Donnerstag haben sich im Friedberger Kreishaus Fachleute aus dem ganzen Kreisgebiet zu einem Workshop „Trinkwasser-Notversorgung Wetteraukreis“ getroffen.

Landrat Jan Weckler sprach von einem sehr sensiblen Thema. „Zum Glück sind wir bislang von einem großen Störfall verschont geblieben. Es ist aber gut, wenn man sich vorbereitet hat, auch wenn man immer hofft, dass ein solcher Fall nicht eintritt.“

Interkommunale Zusammenarbeit

Seit dem vergangenen Jahr haben Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen, OVAG und Gesundheitsamt zusammengesessen und den Entwurf für einen Notfallplan erarbeitet, um Trinkwasser auch im Störfall sicherzustellen.

„Die interkommunale Zusammenarbeit“, so Weckler, „ist hierbei dringend notwendig. Das ist eine Pflichtaufgabe für die Kommunen.“

Gesundheitsamtsleiter Dr. Reinhold Merbs erinnerte an den Rohrschaden in einer Fernwasserleitung im Mai des vergangenen Jahres bei Ranstadt-Dauernheim. In der Folge kam es zu einer Unterbrechung der Wasserversorgung in dem Ranstädter Ortsteil und zeitweise auch in Geiß-Nidda und Reichelsheim-Blofeld.

„Das Problem sind Schadensereignisse an kritischen Infrastruktureinrichtungen ohne Redundanz, dasheißt ohne eine zweite Versorgungsleitung“, erläuterte Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs und erinnerte an Wasser- und andere Infrastrukturleitungen, die größtenteils 50 Jahre und älter sind.

Hochbehälter als wichtiger Puffer

Die Wasserversorgung in der westlichen und mittleren Wetterau hängt zum großen Teil von der OVAG ab. Einige Kommunen unterhalten auch eigene Wassergewinnungsanlagen.

Der zentrale Eckpfeiler für eine sichere Wasserversorgung sind Hochbehälter vor Ort, die bevorraten, Verbrauchsschwankungen im Laufe des Tages abfangen und genügend Löschwasserreserve im Brandfall bereitstellen können.

Allerdings kostet der Bau und Unterhalt solcher Hochbehälter. Manche Kommunen haben sie stillgelegt oder bauen keine. Das trifft etwa auf die Hälfte der Kommunen im Wetteraukreis zu.

Solche Kommunen sind dadurch vollständig auf die Wasserversorgung direkt aus den Fernwasserleitungen der OVAG angewiesen. Ihr Ortsnetz und damit die Versorgung ihrer Bürger ist dadurch völlig abhängig von Dritten.

OVAG-Vorstand Joachim Arnold plädierte deshalb dringend für den Erhalt und den Ausbau der Kapazitäten in Hochbehältern sowie für die integrale Vernetzung der Trinkwassersysteme.

„Das A und O der sicheren Wasserversorgung sind Hochbehälterkapazitäten. Nur durch das Vorhandensein von Hochbehältern können die Bürger mit größtmöglicher Sicherheit rund um die Uhr mit Trinkwasser versorgt werden.“

Arnold, der das Problem der Notversorgung mit Trinkwasser in einer Bürgermeisterdienstversammlung im vergangenen Jahr thematisiert hat, zeigte sich zufrieden mit den bislang erzielten Zwischenergebnissen.

Jetzt gilt es aus den gewonnen Erkenntnissen handfeste kommunale und interkommunale Strukturen zu schaffen und vor Ort im Bedarfsfall auch bauliche Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Kombinierter Maßnahmen- und Handlungsplan

„Ziel“, so Diplom-Ingenieur Heiko Kieckhäfer, von der Fachstelle Infektionsschutz und Hygiene des Gesundheitsamtes, „ist die Erstellung und die Pflege eines Maßnahmenplans durch die zuständigen Kommunen in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt.“

Darin soll geregelt werden, was bei der Unterbrechung der Wasserversorgung zu geschehen hat, welche Stellen im Falle einer festgelegten Abweichung zu informieren und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

„Wir wollen einen kombinierten Maßnahmen- und Handlungsplan mit einer einheitlichen Struktur, definierten Zielen und klaren Vorgaben durch das Gesundheitsamt entwickeln. Dazu sollen nicht nur die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen, sondern vor allem konkrete Ansprechpartner und eine konkrete Aufgabenverteilung festgelegt werden.“

Beim Gesundheitsamt wurde schon eine umfangreiche Materialliste angelegt, die genau festlegt, welche Materialien in welcher Menge wo zu erhalten sind und wer die entsprechenden Ansprechpartner sind.

Besonders ausführlich hat sich die Stadt Rosbach vor der Höhe mit dem Thema auseinandergesetzt. Wassermeister Oliver Turano hat in seinem ausführlichen Referat den Maßnahmenplan vorgestellt.

Er wirbt für detaillierte Pläne, auch in Form von papierbasierten handlungsanweisenden Karten und Schaubildern genutzt werden können.

„Wir brauchen einen Plan, und zwar nicht nur digital, um auch ohne Strom auszukommen, den man im Notfall aus der Schublade zieht und mit dessen Hilfe jeder sofort die notwendigen Maßnahmen umsetzen kann.“

Sensibilisierung der Bevölkerung

Wichtig, so waren sich alle Beteiligten einig, ist die Sensibilisierung der Bevölkerung, sich auch für Stör- oder Notfälle vorzubereiten. Jeder sollte Vorräte im Hause besitzen, um wenigstens für einige Tage auch ohne Einkauf auszukommen.

„Was Rosbach so vorbildlich vorgemacht hat, wollen wir jetzt in allen Städten und Gemeinden im Wetteraukreis umsetzen, dabei können sich die Kommunen auf die Unterstützung des Gesundheitsamtes verlassen“, versichert Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernent Stephanie Becker-Bösch.