Wetterau auf dem Weg zum Fairtrade-Landkreis
WETTERAUKREIS. - Bei vielen Menschen wächst zunehmend das Bewusstsein, dass Produktionsbedingungen nicht nur im Einklang mit der Umwelt, sondern auch gerecht sein sollen.
Fairer Handel spielt auch auf kommunaler Ebene eine wichtige Rolle, so zum Beispiel im Bereich der Beschaffung.
„Der Wetteraukreis will seiner Verantwortung gerecht werden.
Deshalb hat der Kreistag im August des vergangenen Jahres die Verwaltung beauftragt, sich offiziell um eine Bewerbung als Fairtrade-Landkreis durch die überregionale Initiative ‚Trans.Fair e.V.‘ zu bewerben“, sagte Kreisbeigeordneter Matthias Walther, der dieser Tage Fachleute aus Kommunen, Behörden und Organisationen ins Friedberger Kreishaus eingeladen hatte.
Wer seinen täglichen Einkauf erledigt, sieht nicht immer, dass die Produkte in den Supermarktregalen aus aller Welt stammen. Erzeuger aus vielen Ländern sorgen mit ihrer Arbeit dafür, dass die Regale voll sind, damit wir so ein umfangreiches Lebensmittelangebot vorfinden.
Kreisbeigeordneter Walther: „Produzenten sollen einen fairen Anteil für ihre Arbeit erhalten!“
40 Prozent der Weltbevölkerung bestreiten ihren Lebensunterhalt durch die Arbeit in der Landwirtschaft. Aber wie viel kommt von dem Euro, den wir für eine Tafel Schokolade zahlen, bei den Erzeugern der Kakaobohnen in Südamerika an? Es sind nicht mehr als vier Cent.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass den 5,5 Millionen Bauern, die Kakaobohnen pflanzen, pflegen und ernten, nur drei Unternehmen entgegenstehen, die mehr als die Hälfte der Ernte aufkaufen.
Fünf große internationale Konzerne sorgen dann dafür, dass aus diesen Produkten Schokolade hergestellt wird. 96 Prozent des Preises an der Ladentheke landen bei den Großhändlern, den Erzeugern, den Spediteuren und den Märkten vor Ort.
„Mit der Bewerbung als Fairtrade-Landkreis wollen wir daran etwas ändern und den Produzenten auch in diesem Segment einen fairen Anteil für ihre Arbeit ermöglichen“, wirbt Kreisbeigeordneter Matthias Walther für das Projekt.
Dabei können Fairtrade-Kommunen durchaus Einfluss nehmen. Immerhin gibt es mittlerweile 2.000 solcher Kommunen in 34 Ländern. Deutschland ist zwar nicht der Erfinder des Fairtrade-Gedankens – der wurde in einem kleinen Ort in England geboren – aber mit mehr als 600 Kommunen sind deutsche Städte und Landkreise überaus aktiv.
Eine diese Städte ist Bad Nauheim, die erste Fairtrade-Stadt im Wetteraukreis. Dr. Christine Kunert und Gerd Joachim von Bad Nauheim – fair wandeln e.V., berichteten von ihren Erfahrungen beim Aufbau der Strukturen in der Badestadt.
Ähnlich orientierte Initiativen, Vereine und Gruppen gab es vorher schon in Bad Nauheim. Daran ließ sich anknüpfen.
Bad Nauheim nahm Kontakt auf zu einer Frauenkooperative in Honduras. Diese liefert jetzt ihre Kaffeeernte direkt an eine Frankfurter Rösterei. Dort entsteht ökologisch verpackt der ‚Bad Nauheimer Stadtkaffee‘.
„Eine köstliche und faire Verführung und gleichzeitig eine Erfolgsgeschichte für Produzenten und Konsumenten“, wie Dr. Christine Kunert berichtet.
Die Kriterien, um Fairtrade-Stadt zu erfüllen, sind nicht sonderlich hoch. Neben dem Ratsbeschluss und der Gründung einer Steuerungsgruppe gibt es Vorgaben, in wie viel Geschäften und Gastronomiebetrieben Fairtrade-Produkte im Sortiment sein müssen.
Außerdem sollen Schulen und öffentliche Einrichtungen beteiligt und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden.
„Wir wollen aber darüber hinaus denken und das Projekt weiterentwickeln“, kündigte Dr. Kunert an. „Etwa durch engagierte Bildungsarbeit“, wie Gerd Joachim von Bad Nauheim - fair wandeln e.V. berichtet.
Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler wurden schon über das Projekt informiert. Mit Fairtrade-Rallyes in den Geschäften wird auf ansprechende und spannende Weise das Thema vermittelt.
Und genau das funktioniert ziemlich gut. Waren es anfangs sieben Geschäfte und vier Gastronomiebetriebe mit Fairtrade-Produkten im Sortiment, sind es nun 27 Geschäfte und 17 Gastronomiebetriebe.
Vier Schulen, zwei Kirchengemeinden, 28 Vereine und 78 Kooperationspartner insgesamt engagieren sich in Bad Nauheim für den fairen Handel. „Ein gutes Beispiel für uns als Landkreis, dem wir gerne nacheifern wollen“, so Kreisbeigeordneter Matthias Walther.
Verantwortung für eine gerechtere Welt
Erfahrungen aus einem Landkreis, der sich dem fairen Handel verschrieben hat, brachte Stefan Laimbach aus Groß-Gerau mit. Dort wurde ein Gastronomie- und Einkaufsführer erstellt, faire Beschaffung in der Verwaltung implementiert, das Thema auf den Internetseiten vorgestellt, Veranstaltungen durchgeführt und eine rege Pressearbeit geleistet.
„Fairtrade ist eine echte Perspektive, auch für den Wetteraukreis, um Verantwortung für eine gerechtere Welt zu übernehmen“, sagte Kreisbeigeordneter Matthias Walther zum Abschluss des Treffens.
In der Kreisverwaltung wird sich Martin Langlitz im Fachdienst Kreisentwicklung mit dem Thema Fairtrade-Landkreis beschäftigen. Er wird die Arbeit der Steuerungsgruppe koordinieren und erste Gespräche mit potenziellen Partnern führen.
„Wir wollen möglichst viele Partner ins Boot holen und Menschen von Fairtrade überzeugen“, so Kreisbeigeordneter Matthias Walther.