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Ambitionierte Pläne und hohe Kosten für Erbacher Südstadtprojekt

Neben einem 85-Betten-Hotel sollen ein Boardinghaus, drei fünfgeschossige Ärztehäuser mit 12 bis 15 Praxen und ein Parkdeck mit 168 Stellplätzen auf vier Ebenen entstehen

ERBACH. - Die Erbacher Stadtverwaltung verfolgt derzeit ambitionierte Pläne zur Entwicklung der sogenannten Südstadt entlang der Friedrich-Ebert-Straße im Bereich zwischen Neuer Lustgartenstraße und Illigstraße, wie Bürgermeister Dr. Peter Traub in der zur Stadtverordnetenversammlung vorberatenden Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses erläuterte.

So sollen neben einem attraktiven 85-Betten-Hotel ein Boardinghaus, drei fünfgeschossige Ärztehäuser mit 12 bis 15 Praxen und ein Parkdeck mit 168 Stellplätzen auf vier Ebenen entstehen.

Investor plant Tagungshotel mit 85 Betten

Bekanntlich soll auf dem Gelände des früheren Möbelhauses Schmidt das Hotel entstehen. Die Stadt hatte für das Areal samt bestehender Gebäude gemäß eines Mehrheitsbeschlusses der Stadtverordneten im Juli 2020 das städtische Vorkaufsrecht ausgeübt und das Gelände für eine Gesamtinvestition von 1,1 Millionen Euro (930.000 Euro zuzüglich Steuer und Nebenkosten) erworben.

Jetzt soll dieses Areal an einen Investor aus Bayern weiterveräußert werden, sofern die Stadtverordneten diesem Ansinnen der mehrheitlichen Magistratsmeinung zustimmen. Errichten will der Kaufinteressent auf dem Gelände ein modernes Tagungshotel mit 85 Betten. Dazu wurde auch bereits ein Betreiber gefunden.

Städtischer Verlust von 500.000 Euro

Kritische Stimmen aus den Reihen des Haupt- und Finanzausschusses erhoben sich hauptsächlich aufgrund des vom Investor gebotenen Kaufpreises in Höhe von 600.000 Euro und des damit einhergehenden städtischen Verlusts einer halben Million Euro.

„Wir bekommen etwas sehr attraktives dafür in unsere Südstadt“, warb der Bürgermeister um Zustimmung für diese städtische Investition in die Zukunft. Er könne nicht einschätzen, sagte Traub, ob das die beste Lösung, der beste zu erzielende Preis sei, „aber wir haben dem Grundstück eine gewisse Prägung gegeben, und bekommen für diesen Preis was wir wollen, ein Hotel“.

„Attraktive Weiterentwicklung unserer Südstadt ermöglichen“

Man habe das Grundstück 2020 mit dem Ziel erworben, „hier eine mögliche Fehlentwicklung in einem zentralen Bereich unserer Stadt zu verhindern, die Errichtung eines Hotels anzustreben und eine attraktive Weiterentwicklung unserer Südstadt zu ermöglichen“, sagte der Rathauschef.

Der Ankaufspreis sei mit 930.000 Euro plus Nebenkosten sehr hoch gewesen, habe allerdings dem Verkaufspreis entsprochen, den der Eigentümer am Markt erzielt hatte, ehe die Stadt damals in den notariell bereits ausgefertigten Vertrag eingestiegen sei.

„Kaufpreis nicht wieder zu erzielen“

„Bei realistischer Einschätzung der Marktlage war zum damaligen Zeitpunkt bereits erwartbar, dass dieser Preis bei einem späteren Wiederverkauf nicht wieder zu erzielen sein würde“, erläutert Traub seine Sicht der Dinge.

Gemessen an der Attraktivität und Breitenwirkung des angestrebten Hotels könne die Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis jedoch als Investment der Stadt in eine attraktive Südstadtentwicklung gesehen werden.

„Attraktive Entwicklung dieses Südstadtbereichs mehr als gelungen“

Die attraktive Entwicklung dieses Südstadtbereichs sei aus seiner Sicht mehr als gelungen. Dies umso mehr, als der Investor nicht nur die Errichtung eines Hotels plane, sondern für das weitere Areal entlang der Friedrich-Ebert-Straße bis zur Illigstraße ambitionierte Pläne vorlegte.

So stehe in Aussicht, dass im Anschluss an das Hotel ein Boardinghaus, drei Ärztehäuser und ein Parkdeck entstehen. Dies rechtfertige nach Traubs Ansicht auch den vom Projektentwickler nach Verhandlungen angebotenen Ankaufspreis von 600.000 Euro.

Dies umso mehr, als der Projektentwickler die projektierten Abriss- und Entsorgungskosten der bestehenden Gebäude in Höhe von rund 280.000 Euro und die damit verbundenen Risiken selbst tragen müsse.

„Würden von  angestrebter Gesamtentwicklung unserer Südstadt profitieren“

„Entscheidender aber ist, in welch' positiver Form die Kreisstadt von der vom Projektentwickler angestrebten Gesamtentwicklung unserer Südstadt profitieren würde.“

Hier seien vor allem zu nennen „die Weiterentwicklung unserer Stadt zu einem attraktiven Gesundheitszentrum, die noch gezieltere Bewerbung unserer schönen Landschaft als Erholungs- und Regenerationsraum, die Schaffung attraktiver Arbeitsplätze und die Verbesserung unserer Einnahmenseite durch erhöhte Gewerbe- und Einkommenssteuer.“

Die von Mandatsträgern aufgeworfene Frage nach der gesetzlichen Konformität eines Geländeverkaufs unter Wert beantwortete Stadtkämmerer Ulrich Horn. Grundsätzlich regele die Hessische Gemeindeordnung, dass Vermögensgenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen.

„Genehmigungsbehörde sieht öffentliches Interesse gegeben“

Ausnahmen davon seien im öffentlichen Interesse zulässig. „Letzteres ist nach Rücksprache mit der Genehmigungsbehörde beim Regierungspräsidium durch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten gegeben.“

In der städtischen Anlagenbuchhaltung sei die Abschreibung der Immobilie im Falle der Gremien-Zustimmung zum dargelegten Verkauf auf sechs Jahre angesetzt. Auswirkung auf den aktuellen Haushalt würden durch den vorgesehenen Grundstücksverkauf in Höhe von 230.000 Euro durch außerordentliche Aufwendungen entstehen.

Die städtischen Gremien sind jetzt in einem ersten Schritt zur Zustimmung zum vorgesehenen Wiederverkauf dieser Immobilie gefordert und müssten im Zustimmungsfalle dann eine zielführende Bauleitplanung für das Gesamtareal auf den Weg bringen.

Dazu will die Verwaltung in den kommenden Wochen eine entsprechende Ausarbeitung vorlegen. Der jetzt zu genehmigende Wiederverkauf steht unter der aufschiebenden Wirkung der Schafffung eines entsprechenden Baurechts.

Gernot Schwinn äußert Bedenken, ob der Verlust den Bürgern zu vermitteln sei

Bedenken äußerte im Haupt- und Finanzausschuss Gernot Schwinn (SPD), ob man den Bürgern vermitteln könne, 500.000 Euro mit einem überteuert angekauften Grundstück in den Sand zu setzen. Aus den jetzt offenbarten Gründen habe man schon damals dem Ankauf nicht zugestimmt.

Schwinns Frage, ob es zutreffe, dass der von der Stadtverwaltung eingesetzte und zu bezahlende Headhunter für die Suche nach einem Hotelbetreiber identisch sei mit dem Investor, bejahte der Bürgermeister.

Investor verzichtet auf Vermittlungsprovision von 30.000 Euro

„Der eingesetzte Makler ist der gleiche wie der Projektentwickler, allerdings ist daraus jetzt ein sehr viel größeres Projekt geworden“, sagte Traub. Auf FACT-Nachfrage erklärte der Bürgermeister allerdings zwischenzeitlich eine Abkehr von der in der Sitzung getroffenen Aussage, die Provision sei nach Vertragsabschluss fällig.

Nach Rücksprache mit dem Investor habe man sich darauf verständigt, dass dieser auf die Erfolgsprovision in Höhe von 30.000 Euro für die bereits erfolgreiche Suche nach einem Hotelbetreiber verzichte. Lediglich der vereinbarte und bereits bezahlte Sockelbetrag in Höhe von 5.000 Euro bleibe bestehen.

Jürgen Müller sieht „Schaden für jeden Erbacher Bürger“

Jürgen Müller (GRÜNE) sieht den angestrebten Grundstücksverkauf als „Schaden für jeden Erbacher Bürger“. Man habe bereits negative Erfahrungen gesammelt und es könne nicht angehen, Kosten der Vorhabenbetreiber auf die Bürger zu verlagern.

Ausschussvorsitzender Michael Gänssle (ÜWG) sagte, er hätte gerne ebenfalls mehr Sicherheit in dem im Entwurf vorliegenden Notarvertrag gehabt, „aber es bedarf immer zweier Partner, die sich einigen“.

André Weyrauch: „Wo eine Chance ist, da ist auch ein Risiko“

„Ich möchte die Steuern auch nicht wieder erhöht haben“, sagte André Weyrauch. „Wo eine Chance ist, da ist auch ein Risiko“, befand der Christdemokrat. „Diese Riesenveränderung“ biete allerdings die große Chance zur Stadtbelebung und mache diese attraktiver. Es sei in jedem Falle „eine Chance, über die man nachdenken muss“.

Mit vier Stimmen aus den Reihen von ÜWG und CDU bei einer Gegenstimme der GRÜNEN empfiehlt der Haupt- und Finanzausschuss den Stadtverordneten den Immobilienverkauf wie ausgehandelt. Die beiden sozialdemokratischen Vertreter im HuF enthielten sich der Stimme wegen weiterem Klärungsbedarf.