Wo die Natur als Künstler zugegen ist
Holzbildhauer Eb Freuer nimmt am Tag des offenen Ateliers teilERBACH. - Der Erbacher Holzbildhauer Eb Freuer zählt zu den Künstlern aus dem Odenwaldkreis, die mit am häufigsten an den Tagen des offenen Ateliers teilgenommen haben.
Zum elften Mal zeigte er bei der 25. Auflage des Atelierwochenendes, das stets am Ende des Kultursommers Südhessen steht, seine neuen Werke. Treu geblieben ist der 78-jährige in all den Jahren seines Schaffens dem Material ebenso wie dem Motiv: die Bearbeitung von einheimischen wie fremdländischen Hölzern zu Figuren, die allesamt mit dem weiblichen Körper zu tun haben.
Richtig gut zur Geltung kommen die Skulpturen im heimischen Garten, der an das Untergeschoss des Hauses in Erbach angrenzt und von Ehefrau Marianne angelegt wurde und gepflegt wird.
Nur einige Schritte sind es, die vom Atelier und von der Werkstatt nach draußen auf die Terrasse und die von alten Obstbäumen, Sträuchern, Hecken und Beeten bewachsene Wiese führen.
An diesem Wochenende diente das von den häufigen Regengüssen der vergangenen Tage erfrischte Grün als willkommene Kulisse für seine Ausstellung.
An anderen Tagen sucht der für seinen trockenen Humor bekannte Künstler mit dem auffälligen Schnurrbart fast ausnahmslos jeden Morgen seine Werkstatt für ein paar Stunden auf, um zu Schnitzeisen, Stechbeutel und Feinwerkzeug zu greifen.
Vor ihm liegt der in der Werkbank eingespannte Holzstamm, auf dem er mit einem Filzschreiber die gut zu erkennenden Formen und Rundungen aufgezeichnet hat. Wenn Freuer in diesem Moment von der „Natur als Künstler“ spricht, meint er damit sowohl die Schönheit des Materials als auch die des Körpers, der allmählich Gestalt annimmt.
Bis auf recht wenige Ausnahmen darf eines nicht fehlen und daran erkennt der Betrachter, wer hier ans Werk gegangen ist: Es die weibliche Brust, die nicht allein ihrer Form wegen Modell für ihn steht.
„Die von mir hergestellten Skulpturen bestechen größtenteils durch ihre sehr fein geschliffenen und gewachsten Oberflächen und laden ein zu einem haptischen Erlebnis. Die Skulpturen muss man berühren und somit erleben können und begreifen“, lädt Freuer dazu ein, die ausgearbeiteten Formen anzufassen.
Nicht ohne Grund hat er gleich zwei seiner neuen Objekte, die an diesem Tag auf der Terrasse zur Geltung kommen, mit „Haptik pur I und II“ bezeichnet. Das Holz stammt von einem Wacholderstrauch, den er von einem Besucher angeboten bekommen hat.
Es sind überwiegend einheimische Hölzer, wie Kirschbaum, Apfelbaum, Zwetschge, Eiche, Eibe oder Robinie, die er bearbeitet. Aus dem mediterranen Bereich bereichern Olivenholz, Bruyere, Johannesbrotbaum, Zeder und Zypressenholz die Palette.
Von seinen Auslandsreisen, die seine Frau und ihn in ostasiatische Länder China, Laos, Kambodscha, Thailand, Myanmar und Vietnam führen, bringt er tropische Hölzer mit, die er meistens als Schwemmholz einsammelt.
In seiner Werkstatt geht Freuer nach keinem festen Plan vor; auch sind es keine Kundenaufträge, die ein Ergebnis vorgeben. Die Gestaltung der Skulpturen erfolgt meist intuitiv; „nur in wenigen Fällen arbeite ich nach Zeichnung oder Handskizzen“, erklärt er.
Die Bearbeitung richtet sich nach den schon vorhandenen Gegebenheiten des Materials und bestimmt somit weitgehend auch die endgültige Form.
Dabei achtet er sehr darauf, dass die unterschiedliche Farbigkeit und Maserung der einzelner Holzschichten besonders zur Geltung kommen und neben der Form letztendlich eine Wirkung erzielen. Freuer spricht deswegen auch von einer Metamorphose.
Seine ersten Erfahrungen mit Holz hat Eb Freuer bereits als Kind machen dürfen. Die Familie war von Pommern nach Darmstadt geflüchtet. Im Keller des Miethauses hatte sein Vater eine kleine Werkstatt eingerichtet und sich mit Reparaturarbeiten und kleinen Aufträgen den Lebensunterhalt der Familie gesichert.
Sein Sohn ging bei einem Tischler in die Lehre und versuchte sich im Alter von 21 Jahren an ersten Bildhauerarbeiten. 1980 kam Freuer an die Fachschule für Holz und Elfenbein nach Michelstadt, wo er nach Abschluss der Ausbildung zum Holztechniker nahtlos in eine Arbeitsstelle als Fachlehrer überwechseln konnte.
Hier durfte er sein Wissen an die nächsten Generationen bis zum Eintritt in das Rentenalter 2004 weitergeben. 1997 waren seine Objekte zum ersten Mal auf einer Ausstellung zu sehen.
Dies war in Bensheim. Es folgten weitere, darunter in Trossingen, im Hofgut Reinheim, im Deutschen Elfenbeinmuseum in Erbach sowie in der Gemeinschaft Odenwälder Künstler.
Wenn der Holzbildhauer heute in seiner Werkstatt mit dem Schlaghammer und Schnitzeisen dem vor ihm liegende Olivenholz die gewünschte Form abringt, tut er dies mit voller Inbrunst. Respekt- und zugleich humorvoll fügt er hinzu: „Ich will sein wie ein Olivenbaum, alt und knorrig, voll Früchte im silbernen Laub.“