Dr. Peter Traub: „Schwere vergaberechtliche Verstöße – systematisch über viele Jahre“
Staatsanwaltschaft und der amtierende Erbacher Bürgermeister wie auch die kommunale Dienstaufsicht sehen neben dem aktuell strafrechtlich nicht relevanten Verhalten des früheren Bürgermeisters Harald Buschmann keineswegs nur korrekte HandlungenERBACH. - Ingo Lankau teilte heftig aus in einer am Freitag eigens einberufenen außergewöhnlichen Pressekonferenz, zu der neben vier Journalisten rund die vierfache Anzahl an Freunden und Unterstützern des früheren Erbacher Bürgermeisters Harald Buschmann gekommen waren.
Der Rechtsbeistand Buschmanns hatte in seinem larmoyanten Verbal-Rundumschlag vor allem vier anonyme Anzeigenerstatter sowie die Verwaltung des Odenwaldkreises, wie auch Presseorgane zum Ziel, die Harald Buschmann ungerechtfertigt beschuldigt hätten (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
„Hätte mir etwas mehr Demut von Herrn Buschmann gewünscht“
Jetzt relativiert Buschmanns Nachfolger an der Spitze der Erbacher Stadtverwaltung, der amtierende Bürgermeister Dr. Peter Traub, die Aussagen des Darmstädter Juristen und die seines Amtsvorgängers in einer Presseerklärung: „Ich hätte mir etwas mehr Demut von Herrn Buschmann gewünscht.
Zwar konnte die Staatsanwaltschaft aktuell kein strafrechtlich relevantes Verhalten feststellen, es bleiben aber schwere vergaberechtliche Verstöße – und zwar systematisch über viele Jahre. Diese disziplinarisch zu bewerten, ist Sache der Kommunalaufsicht“, sagt Traub.
„Auch im Falle von Vergabeverstößen begründen diese nicht zwingend eine Strafbarkeit“
Ähnlich hatte sich auch die Staatsanwaltschaft Darmstadt in einer entsprechenden Pressemitteilung vom 11. Juni dieses Jahres geäußert.
So kam die Darmstädter Behörde zwar zu dem Schluss, der Vorwurf der Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch sei nicht erwiesen, ein Schaden im Sinne einer sogenannten „Haushaltsuntreue“ nicht belegbar, lässt dabei aber mögliche Vergabeverstöße völlig unberücksichtigt.
„Denn auch im Falle des Vorliegens von Vergabeverstößen bei der Beauftragung der Werbeagentur begründen vergaberechtswidrige Handlungen für sich allein nicht zwingend eine Strafbarkeit“, sagte der zuständige Dezernatsleiter und stellvertretende Pressesprecher der Darmstädter Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Knut Happel.
Ermittlungen wegen anonymen Strafanzeigen und einer „Selbstanzeige“
Das Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen 700 Js 2534/18) wegen Untreue und Vorteilsannahme war auf verschiedene anonyme Strafanzeigen sowie ein als „Selbstanzeige“ bezeichnetes Schreiben des Beschuldigten an den Landrat des Odenwaldkreises eingeleitet worden.
Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren in den letzten Jahren erfolgte Auftragsvergaben an eine Werbeagentur, welche zunächst mündlich erfolgt und erst im Nachhinein schriftlich erstellt worden waren.
„Aus Förderunterlagen ging nicht hervor wer Handwerkerleistungen u.ä. beauftragte“
Das zweite Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen: 700 Js 26101/18) wegen Subventionsbetruges/Betruges gemäß §§ 264/ 263 Strafgesetzbuch und Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch betraf eine von dem Beschuldigten im Dezember 2012 als Vertreter des Magistrats der Kreisstadt Erbach beim Kreisausschuss des Odenwaldkreises – Jugendamt – beantragte Förderung in Höhe von 360.000 Euro für 40 Krippenplätze im „Haus der Energie“ in Erbach.
„Aus den Förderunterlagen ging nicht hervor, ob die Kreisstadt Erbach oder die Energiegenossenschaft Odenwald eG die für die Baumaßnahmen notwendigen Handwerkerleistungen u.ä. beauftragte“, stellte die Staatsanwaltschaft fest.
Auch Kreisausschuss bat Staatsanwaltschaft um Überprüfung auf Strafbarkeit
Auf Antrag der Stadt Erbach hin hatte der Kreisausschuss des Odenwaldkreises beim Regierungspräsidium Kassel eine Zuwendung von insgesamt 360.000 Euro beantragt, welche im März 2013 durch das Regierungspräsidium bewilligt und vom Odenwaldkreis an die Kreisstadt Erbach weitergegeben wurde.
Die bewilligten Gelder wurden bis Juni 2015 für den Ausbau der Krippenplätze abgerufen. Im Mai 2018 erfolgte ein Widerruf des Zuwendungsbescheides des Odenwaldkreises an die Kreisstadt Erbach, da Auftraggeber der Handwerkerleistungen u.ä. tatsächlich nicht die Kreisstadt Erbach, sondern die Energiegenossenschaft Odenwald eG gewesen sei, was dem nicht zulässigen „Investorenmodell" entspreche.
Ebenfalls im Mai 2018 ersuchte der Kreisausschuss des Odenwaldkreises die Staatsanwaltschaft um Überprüfung hinsichtlich einer Strafbarkeit des Geschehens.
„Fördermaßnahmen für Kultur, Umwelt, Gesundheit und Soziales von Strafbarkeit nicht erfasst“
„Eine solche hat sich nach den umfangreichen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht erwiesen. Eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs schied schon deshalb aus, weil Fördermaßnahmen in den Bereichen Kultur, Umwelt, Gesundheit und Soziales von der Strafbarkeit nicht erfasst sind, und eine – vorliegend nicht gegebene – Wirtschaftsförderung zumindest Nebenzweck der Maßnahme hätte gewesen sein müssen“, heißt es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft.
Knut Happel erklärte auf Nachfrage auch, die Einstellung der Verfahren sei nach § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung erfolgt, und nicht wie von Rechtsanwalt Lankau in dessen Pressemitteilung vom 10. Juni, angegeben § 171, Absatz 2.: „Paragraf 171 hat keinen Absatz 2“, sagt Happel.
Auch Kübler-Verfahren wurde zunächst eingestellt
Nach dem gleichen Paragrafen waren im September 2014 auch die Ermittlungen gegen den früheren Landrat des Odenwaldkreises, Dietrich Kübler, eingestellt worden, ehe diese 2015 nach Feststellung eines für den Odenwaldkreis entstandenen Schadens wieder aufgenommen worden waren.
Am Ende stand die erstinstanzliche Verurteilung Küblers im Dezember 2017 mit einer siebenmonatigen Haftstrafe zur Bewährung und einer Geldbuße in Höhe von 25.000 Euro wegen eines gerichtlich festgestellten Schadens für den Odenwaldkreis in Höhe von knapp 100.000 Euro.
Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung dagegen in Berufung gegangen sind. Die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt ist eineinhalb Jahre nach dem erstinstanzlichen Urteil noch immer nicht terminiert.
„Es gibt keinen eigenen Straftatbestand >Verstoß gegen Vergaberichtlinien<“
„Verstöße gegen Vergaberichtlinien begründen für sich genommen keine Straftat, sondern sind für sich alleine betrachtet zunächst nur das: Verstöße gegen Vergaberichtlinien. Es gibt keinen eigenen Straftatbestand >Verstoß gegen Vergaberichtlinien<.
Allerdings kann es sein, dass Verstöße gegen Vergaberichtlinien mit anderen Straftaten zusammentreffen. Das war aber hier nicht der Fall. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es nicht, die generelle Einhaltung von Vergaberichtlinien zu prüfen, sondern das Vorliegen von Straftaten. Gibt es keinen Anhalt für Straftaten, endet die Ermittlungsaufgabe der Staatsanwaltschaft“, sagt der Darmstädter Oberstaatsanwalt.
Nicht der Odenwaldkreis veranlasste Rückforderung, sondern das zuständige Ministerium
Einräumen musste Buschmanns Verteidiger Lankau während der Pressekonferenz auf Nachfrage auch, dass die Rückforderung der Fördergelder von der Stadt Erbach für den Kindergarten >Kunterbunt< nicht vom Odenwaldkreis selbst veranlasst wurde, wie von ihm behauptet, sondern vom zuständigen Ministerium über das Regierungspräsidium per Weisung an den Odenwaldkreis verfügt worden ist.
Schon vor Jahresfrist hatte auch der Odenwaldkreis als Aufsichtsbehörde der Erbacher Stadtverwaltung Harald Buschmann in Folge dessen „Selbstanzeige“ eine Rüge erteilt (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Wörtlich hieß es damals u.a.: „Die in Rede stehende Rückdatierung von Auftragsvergaben, die vom Bürgermeister offengelegt worden ist, wurde dabei missbilligt.“
Verstöße gegen Vergaberichtlinien und unzulässige Stückelung von Auftragsvergaben festgestellt
Festgestellt wurden damals von der Kreisverwaltung auch Verstöße gegen Vergaberichtlinien und insbesondere unzulässige Stückelung von projektbezogenen Auftragsvergaben, die eindeutig gegen die städtische Dienstanweisung verstoßen hätten.
Dabei wurden neben der unzulässigen Rückdatierung von Auftragsvergaben auch projektbezogene Aufträge jeweils unter die dem Bürgermeister zustehende Alleinverfügungsberechtigung von 20.000 Euro je Projekt gestückelt, und somit der erforderlichen Gremienentscheidung (Magistrat/ Stadtverordnetenversammlung) entzogen.