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Vergleich könnte Rückforderungssumme halbieren, aber Fehler nicht beseitigen

Erbacher Stadtverordnete stimmten Vergleichsangebot des Verwaltungsgerichts für Rückzahlung von Fördermitteln in Höhe von 180.000 Euro zu, müssen aber auf Zustimmungs-Entscheidung des RP Kassel warten

ERBACH. - Mit Fördermittelrückforderungen für Bauprojekte hatten sich die Erbacher Stadtverordneten in ihrer jüngsten Sitzung – mal wieder – zu befassen. Diesmal ging es um Rückforderungen für den Kindergarten >Kunterbunt<, der in externer Immobilie im >Haus der Energie< der Energiegenossenschaft Odenwald (EGO) an der Helmholtzstraße betrieben wird.

Die möglicherweise gute Nachricht im negativen Umfeld ist, dass sich im Wege eines vor dem Verwaltungsgericht geführten Verfahrens die vom Regierungspräsidium Kassel (RP) über den Odenwaldkreis als Erfüllungsgehilfen beanspruchte Rückforderungssumme von 360.000 Euro durch einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich auf 180.000 Euro reduzieren könnte, sofern das RP zustimmt.

Zustimmung bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen

Diesem Vergleich stimmten die Stadtverordneten am Donnerstag, 07. Oktober, nach umfangreicher Diskussion bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen aus den Reihen der GRÃœNEN zu.

Damit aber scheint, selbst bei positivem Entscheid des RP, diese Thematik in der Stadtpolitik wie der gesamten Stadtgesellschaft noch längst nicht befriedet, wie Diskussionsbeiträge und Verlautbarungen aus der Bevölkerung belegen.

Michael Gänssle (ÜWG), Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses, berichtete, dass in diesem Gremium bei einer Enthaltung einstimmige Zustimmungsempfehlung zu dem vom Gericht angebotenen Vergleich erfolgte.

Der Magistrat werde jedoch beauftragt Eigenschaden bei der Versicherung geltend zu machen bzw. „Regress gegen Personen, die damit behaftet waren“ geltend zu machen.

Entscheidung der Eigenschadenversicherung noch offen

Die Anmeldung zur Eigenschadenversicherung sei vorsorglich schon Ende Mai 2018 noch unter seinem Vorgänger erfolgt, erklärte Bürgermeister Dr. Peter Traub. Das Versicherungsunternehmen wolle diesen Vorgang auf Fehlverhalten von Rathausbediensteten jedoch erst prüfen, „sobald etwas Endgültiges vorliegt“.

In diesem Zusammenhang warnte die GRÜNEN-Fraktionschefin Christa Weyrauch davor, einen Vergleich abzuschließen, da dieser einem Schuldeingeständnis gleichkommen könne. Das verneinte der Bürgermeister jedoch mit dem Hinweis, das sei mit der Versicherung schon geklärt.

Traub erklärte, er sei „seit Amtsantritt tief drin in der Materie“ und erläuterte das Verfahren vor Gericht. Dort sei allenthalben gelobt worden, „dass kostengünstiger gebaut wurde, als geplant“. Aber genau das sei die Crux an der Sache.

Gesamtkosten reduzierten sich von 832.000 Euro auf 548.000 Euro

Während sich die ursprünglich errechneten Gesamtkosten auf 832.000 Euro beliefen, sei der Bau dann integriert worden in das Gesamtprojekt und mit Handwerkern des Immobilienbesitzers ausgeführt worden. Das habe zu einer deutlichen Kostenreduktion mit der Gesamtsumme von 548.000 Euro geführt.

Bei den errichteten 40 Kita-Plätzen hätten sich entsprechend der ursprünglichen Kostenrechnung 20.800 Euro pro Kita-Platz ergeben. Diese Summe rechtfertigt den Förderbetrag von 8.500 Euro je Platz, in der Gesamtsumme inklusive weiterer 20.000 Euro für Ausstattung also 360.000 Euro.

Bei Kosten unterhalb des Schwellenwertes von 17.000 Euro je Kita-Platz ergibt sich allerdings nur eine Fördersumme von 4.000 Euro je Betreuungsplatz.

Gesamtsumme zurückgefordert

Das RP Kassel aber hatte die Gesamtsumme von 360.000 Euro über seine Erfüllungsgehilfin Odenwälder Kreisverwaltung zurückgefordert. Damit wollten sich die städtischen Vertreter nicht anfreunden und klagten gegen den entsprechenden Rückforderungsbescheid.

Die Richterin möchte mit dem jetzt vorliegenden Vergleichsvorschlag der Stadt zumindest die 4.000 Euro je Betreuungsplatz sowie die 20.000 Euro zur Ausstattung belassen, sodass „lediglich“ 180.000 Euro der ursprünglich gewährten Fördermittel zurückzuzahlen wären.

Gänssle: „Etwas Besseres bekommen wir nicht“

Bei einem bestehenden Mietvertrag von 20 Jahren und einer Mietpreisvorauszahlung von 340.000 Euro seitens der Stadt in Form von investierten Baukosten rechne sich das nach 13 Jahren für die Kommune, erklärte ÜWG-Fraktionschef Michael Gänssle. Deshalb sei es sinnvoll den Vergleichsvorschlag anzunehmen. „Etwas Besseres bekommen wir nicht.“

Für die SPD-Fraktion verwies Gernot Schwinn auf die nicht rechtskonforme Handlungsweise der Verwaltung, die ein unzulässiges Investorenmodell dem Eigenbau vorgezogen habe. „Gleichwohl werden wir aber erstmal zustimmen, um die Maximalforderung abzuwenden.“

Traub: „Ja das Modell geht eigentlich nicht“

Auch der Bürgermeister bestätigte: „Ja das Modell geht eigentlich nicht.“ Dennoch sei das Gericht darauf nicht eingegangen, denn bei jeder Rückforderung sei Ermessen auszuüben, wie hier geschehen. Traub ergänzte: „Besser kommen wir auf keinen Fall raus.“

Bei 220.000 Euro jährlichen Mietkosten, die der EGO über 20 Jahre jährlich zu zahlen seien, wäre der Stadt letztendlich kein Schaden entstanden, sondern im Vergleich zu einem eigenen Neubau sei dieses Modell als Vorteil zu sehen.

Drei freie Träger hatten sich um den Kita-Betrieb beworden

Das sehen Insider allerdings völlig anders. Bereits 2012 hätten sich drei freie Träger, darunter das DRK und die AWO um den Betrieb der geplanten KITA beworben. Dies hätten der damalige Bürgermeister Harald Buschmann und Stadtbaumeister Martin La Meir jedoch strikt abgelehnt mit den Argumenten „nicht machbar, zu teuer, können wir besser“.

Vom Bundesfinanzministerium unter der damaligen Ministerin Ursula von der Leyen seien der Stadt Erbach 520.000 Euro zum Bau dieses U-3-Kindergartens zugesagt gewesen. Buschmann habe in seiner Abwesenheit den damaligen Ersten Stadtrat Günter Juncker aufgefordert den von La Meir gefertigten Mietvertrag zu unterschreiben.

Diese Forderung sei mit der Drohung verbunden gewesen: „Wenn Sie den Vertrag nicht zeitnah unterschreiben und deshalb die Fördergelder nicht fließen, dann verschulden Sie und Ihre SPD-Fraktion den Schaden.“

Dilettantischer Vertrag zum Nachteil der Stadt

Vor diesem Hintergrund des Zeitdrucks habe Juncker den dilettantisch zum Nachteil der Stadt ausgearbeiteten Vertrag unterzeichnet und diesem somit zur Rechtskraft verholfen, ohne dass damit den gesetzlichen Vorgaben der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) entsprochen war.

Gemäß HGO hätte nämlich die Stadtverordnetenversammlung zuvor dem Magistrat einen entsprechenden Auftrag erteilen müssen. Diese fehlende Magistrats-Legitimation sollte dann in einer Parlamentssitzung am 19. März 2013 nachgeholt werden.

„Eigenmächtiges, gesetzwidriges Verhalten“

Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen über die Vorgehensweise von Bürgermeister Buschmann und Stadtbaumeister La Meir. Beiden wurde „eigenmächtiges, gesetzwidriges Verhalten“ vorgeworfen und die erforderliche parlamentarische Zustimmung verweigert.

Bei beantragter namentlicher Abstimmung votierten 13 gegen 12 Mandatsträger bei 7 Enthaltungen gegen das Vertragswerk mit der Ego, das jedoch mit der Unterzeichnung schon zur Rechtskraft erwachsen war.

„Die Misere für die Stadt etwas abgemildert“

In einer nachträglichen Gesprächsrunde mit dem Ego-Geschäftsführer konnten „geringfügige Vertragsänderungen erreicht werden, die dann die Misere für die Stadt etwas abgemildert haben“, berichtet ein Insider.

Zu den jetzt genannten „geschönten Zahlen“ kämen weitere Beträge für die Herrichtung des Außengeländes mit Erdaufschüttung, Fertigrasen, Einzäunung der Fläche sowie Einbau der Spielgeräte hinzu. Diese seien in den genannten Gesamtkosten nicht enthalten.

Der Kita droht nach wie vor Entzug der Betriebsgenehmigung

Und über allem schwebt das Damoklesschwert der möglichen Schließung der Kita auch während der vereinbarten 20-jährigen Mietvertragslaufzeit durch eine eingeschränkte Betriebsgenehmigung.

Eine solche Schließung nämlich droht im Falle einer Produktionsumstellung der benachbarten Firma Koziol, die mit höheren Emissionswerten als für den Kita-Betrieb zulässig einhergehen würde.

Firmenchef Stephan Koziol hatte der Errichtung des Kindergartens zum Schutz seines Unternehmens nur eingeschränkt zu den aktuellen Richtwerten seiner Produktion zugestimmt.

Diese Zustimmung führte nur zu einer befristeten Betriebsgenehmigung. Sie würde bei künftig möglichen erhöhten Emissionswerten durch die Koziol-Produktion entfallen und dann zwangsläufig zum sofortigen Entzug der Kita-Betriebsgenehmigung führen.