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Affäre Odenwälder Standortmarketing: Ex-Landrat Dietrich Kübler steht im Juli vor Gericht

Ex-Landrat Dietrich Kübler muss sich vor dem Schöffengericht in Michelstadt für seine Kungelei mit der Erbacher Werbeagentur Lebensform strafrechtlich verantworten. Foto: © by –pdh-

Vier Jahre nach Aufdeckung der rechtswidrigen Einflussnahme auf das Standortmarketing-Ausschreibungsverfahren zugunsten der Erbacher Werbeagentur Lebensform muss sich der frühere Kreischef strafrechtlich verantworten

ODENWALDKREIS. - Der frühere Landrat des Odenwaldkreises Dietrich Kübler (66, ÜWG) muss sich wegen des Vorwurfs der Untreue zum Nachteil des Odenwaldkreises in der Affäre Standortmarketing im Juli diesen Jahres in einer mehrere Verhandlungstage umfassenden Hauptverhandlung (Aktenzeichen 700 Js 28075/13) vor dem Schöffengericht in Michelstadt verantworten. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Darmstadt am heutigen Mittwoch, 19. April, auf FACT-Anfrage.

Wie der Pressesprecher der Darmstädter Strafverfolgungsbehörde, Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, mitteilte, seien vom Amtsgericht Michelstadt folgende Verhandlungstermine bestimmt worden: Donnerstag, 06. Juli, Montag, 10. Juli und Donnerstag, 27. Juli 2017. Dahingehend korrigierte er zwischenzeitlich seine ursprünglichen Terminangaben.

Dietrich Kübler war im Juni 2013 ins Visier der Ermittler geraten, nachdem er FACT-Recherchen zufolge seinem Wahlkampfmanager Johannes Kessel, Inhaber der Erbacher Agentur Lebensform, einen lukrativen, mit EU-Geldern geförderten Auftrag unter Missachtung mehrerer gültiger Vergaberichtlinien zugesprochen hatte.

Dabei geht es um einen bewilligten Förderbetrag von rund 140.000 Euro. Nach Intervention des damaligen Landrats Kübler hatte die Erbacher Werbeagentur die Ausschreibung gewonnen, obwohl sie nach Jurorenmeinung regulär noch nicht einmal die erste Bewerbungsrunde überstanden hatte.

Strafverfahren wurde zunächst eingestellt

Gegen den Landrat hatte damals der Verdacht der Vorteilsnahme, wettbewerbsbeschränkender Absprachen, des Subventionsbetrugs und der Untreue bestanden. Nach Abschluss ihrer fünfzehnmonatigen Ermittlungen und Einvernahme von dutzenden Zeugen aus mehreren Bereichen des Odenwaldkreises hatte die Staatsanwaltschaft Darmstadt das Verfahren wegen vermuteter Vorteilsannahme gegenüber allen Beschuldigten gem. § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung im September 2014 zunächst eingestellt.

Soweit dem Landrat und dem Inhaber der Werbeagentur der Vorwurf wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) gemacht wurde, sei dieser nicht mit der für eine Anklage notwendigen Sicherheit nachzuweisen gewesen, hieß es damals.

„Rechtswidrig auf Ausschreibungsverfahren Einfluss genommen“

Dem Landrat sei es zwar darauf angekommen, die Werbeagentur zu beauftragen. Zu diesem Zweck habe er in rechtswidriger Weise auf das Ausschreibungsverfahren Einfluss genommen z. B. durch plötzlich vorgeschlagene Änderung des ursprünglich vereinbarten Abstimmungs- und Bewertungsmodus in Sitzungen zur Auswahl der Bewerber, durch Missachtung förmlicher Kriterien beim Eingang von Ausschreibungsunterlagen und Missachtung von eingeholtem Rechtsrat seines Rechtsamtes.

Sofern die für die Vergabe der EU-Fördergelder zuständige Wirtschafts- und Infrastruktur-Bank (WI-Bank) Hessen in Offenbach den noch nicht ausgezahlten Förderbetrag nicht mehr oder nur zum Teil wegen der Einflussnahme des Landrats auf das Ausschreibungsverfahren auszahlen sollte, werde zu prüfen sein, ob das Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Untreue wieder aufzunehmen sei, soweit in diesem Fall der Förderbetrag aus anderen öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden müsste, lautete damals das Statement der Staatsanwaltschaft.

Weitere Ermittlungen nach Bekanntwerden des Schadensfalles

Diese weiteren Ermittlungsvoraussetzungen waren im März 2015 gegeben, als die WI-Bank die Streichung des auf den an Lebensform rechtswidrig vergebenen Auftrag entfallenden Förderbetrags von rund 70.000 Euro bekannt gegeben und darüber hinaus weitere Gelder wegen nicht nachgewiesenen Verwendungszwecks ebenfalls gestrichen hatte.

Zwangsläufig nahm die Staatsanwaltschaft Darmstadt daraufhin die Ermittlungen gegen Dietrich Kübler wieder auf und erhob im Herbst vergangenen Jahres Anklage gegen den Ex-Landrat beim Amtsgericht in Michelstadt.

Klagen über Klagen der Erbacher Agentur Lebensform

Zwischenzeitlich haben sich die Ereignisse überschlagen, und die Erbacher Agentur Lebensform hat beteiligte Kreistöchter mit Klagen überzogen. Nach vorläufigen Schätzungen wurde der angerichtete Schaden durch die unseriöse Zusammenarbeit des Landrats mit der beauftragten Werbeagentur auf mehr als 450.000 Euro beziffert, die der Odenwaldkreis zu tragen hat.

Die mögliche Schadenshöhe, die im Jahr 2015 ermittelt worden war, setzt sich zusammen aus Klagen der Agentur Lebensform GmbH gegen die OREG-Tochter Tourismus GmbH, aus vorgestreckten und verlorenen EU-Fördermitteln, die Klage eines unterlegenen Bewerbers um das Projekt „Standortmarketing“ und eine umstrittene Abmahnung durch Lebensform wegen Copyrightsfragen bei einer Lammwochen-Broschüre.

Eine weitere Klage bezüglich der Weiterverwendung des zuvor schon zweifach verkauften Odenwald-Logos schlug mit zusätzlichen 30.000 Euro zu Buche, und außerdem stehen Gutachten sowie Rechtsberatungskosten im Raum, die sich im sechsstelligen Bereich angesiedelt haben.

Politische Turbulenzen führten zur Abwahl Küblers

Vor diesem Hintergrund und heftigen politischen Turbulenzen, die zum Bruch der damaligen Regierungskoalition zwischen SPD und ÜWG im Odenwaldkreis geführt hatten, wurde Dietrich Kübler im März 2015 als Landrat abgewählt und durch seinen Herausforderer, den damaligen Breuberger Bürgermeister Frank Matiaske (SPD) ersetzt.

Jetzt also, vier Jahre nach Aufdeckung des rechtswidrigen Handelns von Dietrich Kübler, wird dem Ex-Landrat im Sommer vor dem Schöffengericht in Michelstadt der mit Spannung erwartete Prozess gemacht.