Straßenbeiträge treiben Reichelsheimer Anwohner auf die Barrikaden
Harte Vorwürfe gegen Bürgermeister Lopinsky, Gemeindevorstand und -Verwaltung wegen deren InformationspolitikREICHELSHEIM. - Mit der voradventlichen Ruhe und Beschaulichkeit ist es vorbei in Reichelsheim im Oberen Gersprenztal im Odenwaldkreis. Zumindest für einen Teil der Bürgerschaft, die Anwohner des Eberbacher Wegs, dessen erster Abschnitt aktuell saniert wird.
Nach übereinstimmenden Angaben einiger Vertreter der Anwohnerschaft wurden sie von der Gemeinde Reichelsheim am 8. September 2018 schriftlich zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, die bereits fünf Tage später, nämlich am 13. September stattfinden sollte.
In Anwesenheit von Bürgermeister, Bauamtsleiterin und Mitarbeitern eines Planungsbüros wurden die Anwohner darüber informiert, dass ihr Straßenabschnitt bereits zwei Wochen nach der Information ab 1. Oktober 2018 saniert werden müsse.
Die Kosten für den Bauabschnitt würden 1,3 Millionen Euro betragen, von denen die Anwohner 75 Prozent, entsprechend 975.000 Euro, zu tragen hätten. Die restlichen 25 Prozent würde die Gemeinde übernehmen.
Betroffen von den Baumaßnahmen sind im ersten Abschnitt 30 Anlieger, die durchschnittlich etwa 32.500 Euro zu tragen hätten, je nach Grundstücksgröße bzw. Geschossflächenzahl sind Kürzungen, aber auch Aufschläge möglich.
Unter Hinzurechnung von Kosten für Wasseranschlüsse kommen Anlieger nach eigenen Berechnungen auf bis zu 40.000 Euro Kosten für einzelne Anwesen.
Einer von ihnen wies darauf hin, dass von den 30 Hauseigentümern sieben die Häuser erst in den letzten drei bis vier Jahren gekauft haben und noch mit Umbauarbeiten beschäftigt seien. Darüber hinaus sollen sechs Witwen ihre Häuser allein bewohnen.
Anlieger lassen bei Bürgerversammlung Dampf ab
Die Straßensanierung hat bereits begonnen, wegen fehlenden Materials allerdings erst am 5. November (Fotos). Die Gemüter der Anlieger haben sich indes nicht abgekühlt.
Und so nutzten sie die jährliche Bürgerversammlung der Gemeinde am Montag dieser Woche zu einem kräftigen Protest gegen die in ihren Augen mangelhafte Informationspolitik und Art, wie die Gemeinde mit ihren Bürgern umspringe.
Innerhalb weniger Tage, so ein Betroffener, habe die Gemeinde Fakten geschaffen und sich über die Interessen ihrer Bürger hinweggesetzt.
Eine Auffassung, die Bürgermeister Stefan Lopinsky entschieden zurückwies. Es stimme zwar, so Lopinsky, dass er sehr kurzfristig zu der Informationsveranstaltung am 13. September eingeladen hätte, die Terminplanung sei aber aus verschiedenen Gründen nicht anders gestaltbar gewesen.
Im Übrigen sei die Straßensanierung bereits vor einem Jahr von der Gemeinde geplant gewesen, hätte aber aus Gründen anderer Baumaßnahmen verschoben werden müssen.
Mit konkreten Kostenplanungen konnte der Bürgermeister hingegen nicht aufwarten, er hoffe aber, so Lopinsky, das die Belastungen niedriger ausfallen könnten. Denn für Kosten an Bürgersteigen und Wasserleitungen würden die Anlieger nicht herangezogen.
Ferner seien die Arbeiten wohl erst Ende 2020 so weit gediehen, dass eine Endabrechnung erstellt werden könne, die Bürger hätten also Zeit zum Sparen.
Den Hinweis, dass das Land Hessen den Kommunen freigestellt habe, überhaupt die Bürger an den Kosten zu beteiligen oder völlig freizustellen, wischte Lopinsky vom Tisch. Wenn auch im Fall Gießen wegen der damit verbundenen Ungerechtigkeit völlig auf Straßenbeiträge verzichtet werde, was ein Zuhörer anmerkte, sei das kein Modell für Reichelsheim.
Wenn weitere Straßen in Zukunft saniert werden müssten, fehle der Gemeinde dann das Geld. Und diese geht, so Lopinsky im Bericht des Bürgermeisters vor der Bürgerfragestunde, mit großen Schritten auf eine schuldenfreie Zukunft zu. Die Schulden haben dann die Bürger. Weiterer Bericht folgt.