125 Jahre Friseur-Salon Rodemich
Ein Lächeln als Zeichen von KundenzufriedenheitMICHELSTADT. - Wo heute das Teehaus in der Großen Gasse 2 am Eingang zur Fußgängerzone für duftenden Genuss sorgt, war es vor 125 Jahren das Anliegen des zugewanderten Karl Hartmann, körperliches Wohlbehagen zu vermitteln.
In einer am 26. Juni 1897 in der Michelstädter Zeitung veröffentlichen Anzeige unterrichtete er die Bevölkerung über die Eröffnung eines „Cabinets zum Rasieren, Haararbeiten und Tabakwarenteil.“
Dies war die Geburtsstunde der Friseur-Dynastie Rodemich, die in vierter Generation heute mit Geschäften in Michelstadt, Bad König, Erbach und Neu-Isenburg einen guten Namen hat.
Als um 1900 ein Feuer den Laden an der Großen Gasse in Schutt und Asche legte, erwarb der Barbier die Hälfte eines Doppelhauses an der heutigen Bahnhofstraße 16, wo fortan an fünf Bedienungsplätzen Dienstleistungen angeboten wurden.
Die Ondulier-Eisen wurden noch mit der Gasflamme erhitzt, die Reiter für die handgelegte Wasserwelle waren aus Metall.
Kinder saßen beim Haarschneiden auf einem Holzgestell mit Pferdekopf, was die Schmerzen milderte, wenn der Druck der Hand-Haarschneidemaschine zu intensiv wurde. Nach Beendigung der Prozedur gab´s nachhallenden Duft aus einem Zersteuber.
An der Ladentheke wurden Pflegeartikel wie Zahnpasta und Mundwasser, Parfüm der Marke 4711, Seife und Haarnetze angeboten, unter der Theke wechselten diskret die damaligen Verhütungsmittel aus Gummi den Besitzer.
Rasieren kostete fünfzehn, Haarschneiden fünfzig Pfennige. Die Geschäftszeiten waren werktags von sieben bis zwanzig Uhr, samstags von sieben bis einundzwanzig Uhr, sonntags von sieben bis zehn Uhr.
Der 1904 in Bad König geborene Johann Rodemich lernte bei Karl Hartmann nicht nur den Friseur- Beruf, sondern heiratete auch dessen Tochter, die ebenfalls vom Fach war.
Sie war es auch, die während des Kriegsdienstes des Mannes das Geschäft am Laufen hielt und sich selbst Gefahren aussetze, indem sie jüdische Mitbürger heimlich bediente und ihnen Zuhause die Haare wusch.
Bald nach dem Krieg wurde mit dem Erwerb eines Nachbarhauses ein Neubau erstellt, an dem ab 1956 das Firmenschild Johann Rodemich als Geschäftsinhaber auswies. Gemeinsam ging es voran.
Nicht nur die beiden Kinder Karl-August und Franz machten im elterlichen Betrieb ihre Lehre, sondern sahen sich auch während der Ausbildungszeit schon bei anderen Kollegen um.
Ob bei der Hessenmeisterschaft, den Kammerwettbewerben oder als Teilnehmer bei den Deutschen- oder Weltmeisterschaften, immer waren es die vorderen Plätze, die belegt wurden. Dies gilt auch die Wettbewerbsteilnahme der beiden Ehefrauen.
Während Karl-August im elterlichen Geschäft verblieb, ging Bruder Franz 1968 nach Neu-Isenburg, wo Kaufhaus-König und Dressur-Reiter Josef Neckermann zu seinen Stammkunden gehörte.
Über das Ladengeschäft hinaus brachte sich die Eheleute Karl-August und Anneliese auch ehrenamtlich ein. Karnevalisten und Laienspielgruppen wurden von den beiden vor ihren Auftritten geschminkt, die Mitglieder des Kraftsportvereins erhielten Bärte für den Fastnachtsumzug.
Fortgeführt wird die Familientradition heute in vierter Generation von Martin Rodemich und dessen Schwester Susanne Rodemich, die seit 1989 in Erbach mit Erfolg ihr Friseur-Geschäft betreibt.
Bruder Martin hat als jüngster Meister in Köln gearbeitet und sich 1991 mit der Übernahme des Geschäftes von Philipp Koch in Bad König auf eigene Füße gestellt. Seit 1996 hat er auch in Michelstadt das Sagen.
Über den Umgang mit Kamm und Schere hinaus vertritt der Experte seinen Berufsstand mit Erfolg bei internationalen Wettbewerben. Sogar beim Weltpokal der besten Friseure „Festival Mondial de la Coiffur“ im japanischen Osaka wurde er Cup-Sieger.
Seit einem Vierteljahrhundert ist er Schulungsleiter für die Kosmetik-Firma Alcina. Nach einer im Jahr 2004 erfolgten Renovierung des Salons und einer Komplettsanierung des Hauses drei Jahre später, erfolgte erst kürzlich die komplette Neugestaltung der Betriebsräume mit neuem Design, größeren Bedienungsabständen und aktueller Technik.
Um die Kundenwünsche kümmern sich heute 16 Mitarbeiterinnen, unter ihnen 6 Meisterinnen. Dass die Geschäftsphilosophie stimmt, beweist die oft langjährige Firmenzugehörigkeit.
So ist nur die heutige Meisterin Carmen Müller geborene Weyrauch seit 1986 dabei, auch ihr Urgroßvater schnitt 1920 schon im gleichen Geschäft die Haare.
Die Meisterin Brigitte Timocin bringt es auf 37 Jahre, Meisterin Petra Kabel auf 27. Auch sie werden den Anforderungen des Chefs gerecht, der da sagt „die Kunden müssen mit einem Lächeln den Laden verlassen.“ Nicht nur viele Stammkunden tun dies. Und das soll auch weiterhin so sein.