Lesenswerte Empfehlungen vom Stadtschreiber Jan Wilm
Kulturamt und Buchhandlung Schindelhauer prĂ€sentieren literarischen AbendMICHELSTADT. - Zeit fĂŒr ein gutes Buch ist gut investierte Zeit. Dies trifft nicht nur in den Tagen der Frankfurter Buchmesse zu, auch wenn diese fĂŒr den gewĂ€hlten Zeitpunkt der Veranstaltung ausschlaggebend gewesen ist.
Bei dieser FĂŒlle an lesenswerten Empfehlungen sollte man sich wirklich Zeit nehmen, was sich gleich bei etlichen Titeln lohnen dĂŒrfte, die der frĂŒhere Stadtschreiber Jan Wilm (2019) auf Einladung des stĂ€dtischen Kulturamts am Freitagabend im Stadtmuseum vorgestellt hat.
Nach 2021 war es die zweite Veranstaltung dieser Art, die in Zusammenarbeit mit der ortsansÀssigen Buchhandlung Schindelhauer ausgerichtet wurde und mit rund 40 Besuchern ein Drittel mehr an Zuhörern angesprochen hat als im vergangenen Jahr.
Vom Angebot des BĂŒchertischs wurde reichlich Gebrauch gemacht. Sehr gerne sei er nach Michelstadt zurĂŒckgekehrt, so Wilm, der nach einer kurzen BegrĂŒĂung durch BĂŒrgermeister Dr. Tobias Robischon und Frauke Schindelhauer-Kaufmann den Einstieg mit seiner Hommage an den vor zwei Jahren verstorbenen Ror Wolf nahm.
Die beschriebenen persönlichen Begegnungen stehen fĂŒr ein wertschĂ€tzendes, freundschaftliches VerhĂ€ltnis. Es gehe weit ĂŒber das Erinnern hinaus, so Wilm, angetrieben habe ihn der Gedanke âIch möchte nicht ĂŒber ihn, sondern von ihm schreiben.â
Ror war in etlichen Genres unterwegs; eine Auswahl seiner Collagen zieren das abwechslungsreiche Werk, das den deutlichen Titel âRor.Wolf.Lesen.â trĂ€gt. Viele seiner Gedichte handeln vom FuĂballspiel, wie eine kleine Auswahl seiner 250 Gedichte bestĂ€tigte.
AuszĂŒge las Wilm auch aus Wolfs âDie VorzĂŒge der Dunkelheitâ vor. âAls ich aufwachte, lag ich auf einer dĂŒnnen, harten und durchnĂ€ssten Matratzeâ, so die Schilderung dieser âbleichen, nĂ€chtlichen Erscheinungâ, die der Autor zum Protagonisten seines Romans erklĂ€rte.
Hochachtung zollt Wilm auch dem Allround-Regisseur Werner Herzog, der auch mit 80 Jahren noch Filme dreht. Seine Erinnerungen hat er mit âJeder fĂŒr sich und Gott gegen alleâ ĂŒberschrieben.
âEin ungeheuer aufrichtiger Menschâ, so Wilm, der mit âeiner hervorragend klaren Sprache unterwegs ist und Platz lĂ€sst fĂŒr lyrische Momenteâ. Ebenfalls neu auf dem Markt ist âEin Mann seinâ der amerikanischen Schriftstellerin Nicole Krauss.
âWie viele MĂ€nner hĂ€lt ein Frauenleben aus?â, lautet ihre provokante Frage, die zu Beginn verrĂ€t, was Frauen so alles von MĂ€nnern zugemutet wird. In ihren Storys geht es um jene Momente im Leben von Frauen, in denen die KrĂ€fte von Sex, Macht, Liebe und Gewalt kollidieren.
Wie eine junge Lehrerin der Enge und den ZwĂ€ngen eines fiktiven Dorfs in der kanadischen Provinz entfliehen will, davon handelt âEine Laune Gottesâ.
In ihrem zweiten von fĂŒnf Manawaka-Romanen erzĂ€hlt die 1987 verstorbene kanadische Schriftstellerin Margaret Laurence eine bewegende Liebesgeschichte, die aus reinem KalkĂŒl ihren Anfang genommen hat.
Wer âeine zĂ€rtliche Sprache und zynischen Humorâ liebt, werde von diesem Buch begeistert sein, versprach Wilm. Andrej Kurkow ist ein in Russland geborener ukrainischer Schriftsteller, der mit âGraue Bienenâ und der Neuerscheinung âSamson und Nadjeschdaâ in der Liste der Empfehlungen gleich zwei Mal vertreten ist.
In seinem neuen Buch komme der absurde Humor besonders gut zur Geltung, machte Wilm Lust auf die ErzĂ€hlung, die in die Zeit der Russischen Revolution von 1918 zurĂŒckreicht.
Absurd deswegen: Ein abgeschlagenes Ohr, das der Protagonist in einer BlechbĂŒchse aufbewahrt, findet im Kampf als AbhörgerĂ€t Verwendung.
Mit einem Jack-Reacher-Roman, der den Titel âDie HyĂ€nenâ trĂ€gt, entfĂŒhrt Lee Child den Leser in die Welt der amerikanischen Unterwelt, in die der Hauptdarsteller unfreiwillig gerĂ€t. Mitgebracht hat Wilm auch seinen 2019 erschienenen Roman âWinterjahrâ.
Vertreten ist er auch in der Sammlung âNeue Schule. Prosa fĂŒr die nĂ€chste Generationâ, die Leander Steinkopf herausgegeben hat. Deutlich macht er in seinem Beitrag: âIch schreibe gegen den Tod an. Das Leben ist meine Freundin.â
SchlieĂlich kam der Autor, Ăbersetzer und Literaturkritiker beim Gastland Spanien der diesjĂ€hrigen Buchmesse an. Wer die neuere spanische Geschichte und Gesellschaft verstehen will, sollte die Spanien-Trilogie âDer lange Marschâ, âDer Fall von Madridâ und âAlte Freundeâ sich nicht entgehen lassen.
Ausgehend vom spanischen BĂŒrgerkrieg (1936 bis 1939) prĂ€gte die Franco-Diktatur bis zu dessen Tod 1975 die gesellschaftlichen VerhĂ€ltnisse und teilte das Land quer durch Familien in zwei Lager.
Am Ende seiner kurzweiligen Buchbesprechungen und -lesungen angekommen, gab der Gast selbst zu erkennen, wie sehr er persönlich solche Veranstaltungen genieĂt. âEs verfliegt die Zeit, wenn man sich amĂŒsiertâ, lautete sein ResĂŒmee, was mit einem krĂ€ftigen Beifall entgegnet wurde.
Den SchĂŒlern des Leistungskurses Deutsch am MichelstĂ€dter Gymnasiums, die diesen Abend mit Spannung verfolgten, gab er persönliche Worte mit auf den Heimweg.
Wer sich zum Schreiben oder AusĂŒben eines anderen musischen Handwerks berufen fĂŒhle, solle sich nicht davon abbringen lassen, es zu versuchen. âMachen Sie, worauf Sie Lust haben. Ich stehe dafĂŒr als Beispiel, dass es funktioniert.â