Windkraft: Friedliche Demonstranten fühlen sich durch Staatsschutz diskreditiert
Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal demonstrieren für den Erhalt „unserer einzigartig schönen Naturlandschaft und der darin lebenden geschützten Tierarten“ und sehen sich deshalb kriminalisiertODENWALD / SÜDHESSEN. - Versammlungsleiter und Organisatoren der für den Beginn der ersten Septemberwoche geplanten Demonstrationen der Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal am Windparkgelände „Stillfüssel“ bei Wald-Michelbach staunten nicht schlecht, als am Wochenende plötzlich Beamte des Staatsschutzes vor deren Türen standen, und eindringlich vor nicht rechtskonformen Verhaltensweisen im Verlauf der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstrationen warnten.
Der Versammlungsleiter der bei der Genehmigungsbehörde, der Gemeindeverwaltung Wald-Michelbach, ordnungsgemäß angemeldeten Demonstrationen, Matthias Vercrüsse, wurde am gestrigen Montag zu einem Kooperationsgespräch in die Gemeindeverwaltung gebeten, bei dem ebenfalls Beamte des Staatsschutzes mit am Tisch saßen.
Demonstration am Stillfüssel sollte verboten werden
In diesem Gespräch wurde erwogen, die Demonstration „aus Sicherheitsgründen“ für den heutigen Dienstag komplett zu verbieten. Ein Verbot werde es nicht geben, sagte später der Wald-Michelbacher Bürgermeister Dr. Sascha Weber, auf FACT-Anfrage. Allerdings müssten wegen der Sicherheit für Demonstrationsteilnehmer wie Bauarbeiter, deren Fahrzeuge und Geräte für die Demo am heutigen Dienstag strenge Auflagen erteilt werden.
„Es werden von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schwere Betonfahrzeuge im Begegnungsverkehr zum und vom Stillfüssel rollen, sodass ein reibungsloser Ablauf für Fußgänger wie Fahrzeuge gewährleistet sein muss“, erklärte Weber. Die Frage, weshalb bei einer solchen ordnungspolizeilichen Angelgenheit der Staatsschutz mit am Tisch sitzt, konnte – oder wollte – auch der Wald-Michelbacher Bürgermeister nicht beantworten.
„ENTEGA Regenerativ GmbH befürchtete Sabotage“
Aus anderer Quelle erfuhr die FACT-Redaktion, Bauherrin und Betreiberin des Windparks Stillfüssel, das Darmstädter Energieunternehmen ENTEGA Regenerativ GmbH, habe im Vorfeld der Betonierung des ersten Windradfundaments Sabotage der Arbeiten befürchtet und deshalb den Staatsschutz mit ins Boot geholt.
„Weshalb der Staatsschutz mit am Tisch saß, können wir nicht beurteilen, das ist Angelegenheit der Polizei, wir haben die Polizei nur zu einer Lagebesprechung gebeten“, sagte Entega-Unternehmenssprecher Michael Ortmanns auf FACT-Anfrage.
„Wir gehen Risiko ein, um sehr engen und ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten“
Die jetzt vorangetriebenen weiteren Baumaßnahmen am Stillfüssel erklärt Ortmanns mit „einem sehr engen und ehrgeizigen Zeitplan“ des Unternehmens. Angesichts einer zeitnah zu erwartenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt über die Klage eines Naturschutzverbandes gegen die Errichtung der Windkraftanlagen „gehen wir das Risiko ein den Zeitplan einzuhalten“, auch für den Fall, dass „das Urteil nicht so ausfällt, wie von uns erhofft“.
Für das Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt erklärte deren Sprecherin Christiane Kobus, der Staatsschutz sei bei Versammlungen immer involviert. „Auch bei den inzwischen zahlreichen Demonstrationen der Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal war der Staatsschutz von Anfang an involviert“, sagte Kobus.
Die Polizeisprecherin räumt auf Nachfrage ein, dass die Demonstrationen auf dem und rund um das Waldgebiet Stillfüssel ausschließlich friedlich verliefen „auch wenn einmal eine Sitzblockade aufgelöst und mehrere Personen weggetragen werden mussten“.
„Bouffiers Aussage: Energiewende nicht mit Polizeigewalt durchsetzen, nur Makulatur“
Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang dennoch die Einsatznotwendigkeit des Staatsschutzes. Organisatoren der Stillfüssel-Demonstrationen sehen hier eine staatliche Behörde, die dem Schutz von Grundwerten verpflichtet ist, angesichts deren eigentlicher Aufgaben für reine profitorientierte Unternehmensinteressen instrumentalisiert.
Auch sei die von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vor einigen Jahren angekündigte Haltung der hessischen CDU, dass die Energiewende in Hessen nicht gegen die Bürger und schon gar „nicht mit Polizeigewalt“ durchgesetzt werden dürfe, seit der Regierungskoalition der CDU mit den GRÜNEN Makulatur.
Aufgaben des Staatsschutzes sind klar definiert
Die Aufgaben des polizeilichen Staatsschutzes sind auf der Internetseite des Bundeskriminalamtes mit der „Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität“ klar definiert. Im Einzelnen befasst sich die Abteilung Staatsschutz mit folgenden Deliktsbereichen:
Politisch motivierte Kriminalität links und rechts;
Politisch motivierte Ausländerkriminalität;
Islamistisch motivierter Terrorismus;
Spionage einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte, illegaler Technologie- und Warenverkehr, Staatsterrorismus, nachrichtendienstlich / staatlich gesteuerte Cybercrime, ABC-Kriminalität;
Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.
Friedliche Natur- und Tierschützer „mit Kriminellen auf eine Stufe gestellt“
Im Klartext umschreibt dieses Aufgabengebiet die Gefahrenabwehr in Fällen terroristischer Straftaten (Bildung terroristischer Vereinigungen, und kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) sowie die Durchführung von Ermittlungsverfahren in Fällen politisch motivierter Straftaten gegen Leib, Leben oder Freiheit eines der Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes und ihrer Gäste.
Solche Gefahren gingen von Mitgliedern der Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbach und deren Mitdemonstranten in keinem Falle aus, erklären die Organisatoren der bisher zahlreichen friedlichen Demonstrationen, die ausschließlich dem „nicht beeinträchtigten Fortbestand unserer einzigartig schönen Naturlandschaft mit zahlreichen geschützten Tierarten dient“.
Durch den jetzt erstmals öffentlich gewordenen Einsatz des Staatsschutzes bei ihren friedlichen Demonstrationen fühlen sich Organisatoren und BI-Mitglieder „mit Kriminellen auf eine Stufe gestellt“ und in erheblichem Maße diskreditiert. Der jetzt erfolgte Einsatz des Staatsschutzes bei den friedlichen Demos in Wald-Michelbach sei „ebenso nebulös wie die gesamte Energiewende“.