Kommentar: Chance verpasst
Die vom Revisionsamt des Odenwaldkreises zur Jahresrechnung 2012 der Stadt Erbach festgestellten Versäumnisse und Verstöße sind umfangreich.
Sie ziehen sich quer durch die insgesamt 102 Berichtsseiten über die Arbeit der damals Handelnden in der Erbacher Stadtverwaltung um Bürgermeister Harald Buschmann.
Alleine die bei Stichproben fehlenden Belege von knapp 15% summieren sich bei einer geprüften Gesamtsumme über 416.824,64 Euro auf immerhin 61.565,61 Euro, die als nicht belegte Beträge den Erbacher Haushalt 2012 belasten. Die Dunkelziffer ist nicht bekannt.
Erschwerend hinzu kommen insbesondere nicht erstellte Inventarlisten für die Kunstwerke im Deutschen Elfenbeinmuseum, das bis 2016 in städtischer Hand firmierte. Neben den stadteigenen Exponaten haben viele Leihgeber im Vertrauen auf die Seriosität der im Erbacher Rathaus Handelnden ihre wertvollen Stücke zur Verfügung gestellt.
Sie sehen sich jetzt vor einer Situation in der nicht bekannt ist, ob diese Exponate aktuell noch dem Zweck dienen, für den sie bestimmt waren, und sich im Zugriff der aktuellen Museumsleitung befinden. Im möglichen Schadensfall haftet die Stadt Erbach.
Dies auch, weil eine Bestandsdokumentation, welche Objekte in den Jahren 2015 / 2016 im Detail an das Land Hessen als neuen Betreiber des Elfenbeinmuseums übergeben worden sind, bei Auflösung des Museums in der Werner-Borchers-Halle von den Beteiligten ebenfalls nicht erstellt wurde.
Nicht einmal eine Liste der bis zur Übergabe an das Land Hessen versicherten Gegenstände konnte von der Erbacher Stadtverwaltung vorgelegt werden.
Angesichts der Werte der Kunstobjekte und der Verantwortung der Stadt Erbach gegenüber der von Dritten überlassenen Objekte als Leihgaben ein absolut unverantwortliches Handeln der damaligen Protagonisten.
Das Damoklesschwert der möglichen Schadens-Entschädigung wurde den damaligen Verantwortlichen mit der jetzt erteilten Entlastung entzogen. Es schwebt nun vielmehr über den aktuell verantwortlichen haupt- wie ehrenamtlichen Mandatsträgern und müsste im Schadensfall in deren Verantwortung höchstwahrscheinlich wieder durch Steuergelder ausgeglichen werden.
Wenn die Prüfer des Revisionsamtes für 2012 im Erbacher Rathaus fahrlässiges Handeln als Grundlage für mögliche dolose Handlungen konstatieren, dann wurde dieser Beweis dafür mit einem 2018 bekannt gewordenen Unterschlagungsfall bereits geführt.
Ein Mitarbeiter hatte sich damals mit rund 130.000 Euro im Erbacher Rathaus „bedient“ und erzielte gar vor Gericht noch einen Vergleich, der ihn zur Rückzahlung von lediglich 25.000 Euro verpflichtete.
Auch wenn zu den jetzt aufgeführten Rechtsverstößen aktuell kein Schaden registriert werden kann, ist es einmal mehr absolut fahrlässig ohne abschließende Prüfung der aufgezeigten Mängel den damals Handelnden mit der jetzt erfolgten Entlastung Absolution zu erteilen.
Damit könnten sich die heute verantwortlichen Mandatsträger in der Odenwälder Kreisstadt gegebenenfalls selbst ein massives Problem aufgebürdet haben.
Die von mehreren Parlamentariern aufgezeigte Lösungsmöglichkeit wurde von der Mehrheit der Mandatsträger nach massiven Gegenreden von Bügermeister und Parlamentsvorsteher ausgeschlagen.
So wurde eine weitere Chance zur ordentlichen Aufarbeitung der teilweise bis mindestens 2018 bekannten dubiosen Vorgängen im Erbacher Rathaus verpasst, und der Politikverdrossenheit in der Bevölkerung weiter Vorschub geleistet.