„Gehen, wenn es am schönsten ist“
Seine letzte Rede als Michelstädter Bürgermeister gestaltete der nach zwölf Jahren an der Verwaltungsspitze freiwillig aus dem Amt geschiedene Stephan Kelbert (55) launig, lockerMICHELSTADT. - „Gehen, wenn es am schönsten ist.“ Unter diesem Motto gestaltete der scheidende Bürgermeister Stefan Kelbert zu Beginn der zweiten Septemberhälfte seinen Abschied aus dem Michelstädter Rathaus zu einem Großteil selbst.
In seiner launig, lockeren Rede hatte er jedem seiner zwölf Amtsjahre eine mit mehr oder weniger Anekdoten bereicherte Minute gewidmet und kam zu dem Fazit: „Am Anfang war kein Geld da, und jetzt ist Geld da, aber kein Personal, um es auszugeben.“
„Nicht viel Beton angerührt, und dennoch viel geschafft“
Dennoch sei es eine Gunst gewesen, an der Spitze „dieser verdammt schönen Stadt“ deren Geschicke mitbestimmen zu können. Damit beschrieb er das Dutzend Jahre seiner Aktivität an der Stadtspitze ebenso wie mit der Feststellung „wir haben nicht viel Beton angerührt, und dennoch viel geschafft“.
Die Arbeit mache „noch oder wieder richtig viel Spaß“, dennoch sei die Entscheidung, nach zwei Amtszeiten aufzuhören, richtig, „denn ich kenne meine innere Uhr“, sagte Kelbert und fügte hinzu, es falle ihm gleichwohl schwer, sich von den vielen Menschen zu trennen.
Ein wesentlicher Aspekt für seinen freiwilligen Verzicht auf die Fortsetzung seiner Bürgermeistertätigkeit sei neben der Selbstbestimmtheit seines Handelns auch der „Parteilosen-Blues“. Parteilos hätte er es nicht weiter gemacht, bekannte der 55-Jährige. „Zum Gewählt werden ist es super, zum Arbeiten ist es – mit Verlaub – ein Scheiß-Verschleiß.“
„Ein parteiloser Bürgermeister ist nicht parteilos“
„Hier rächte sich der Hochmut des Anfangs, das tiefe Bedürfnis nach Unabhängigkeit.“ Parteipolitik spiele eine große Rolle. „Ein parteiloser Bürgermeister ist nicht parteilos, sondern er steht einer Partei vor, die keine ist, seiner Verwaltung, einer latent unterbesetzten Mangelverwaltung.“ Aus dieser Konstellation könne auf Dauer nichts Gutes entstehen, bekannte er im selbstkritischen Rückblick.
Einer Denkschrift des Städte- und Gemeindebunds zur Rolle des Bürgermeisters habe er entnommen: ein Drittel Politiker, ein Drittel Manager und ein Drittel Pfarrer laute die Definition.
Seine entsprechende Selbsteinschätzung orientierte er am Bewertungssystem des European Song Contest, das die menschliche Begegnungen in Front sah. Dies drückt sich in seiner Punktvergabe für den in Personalunion vereinten Politiker (drei), Manager (sechs) und Pfarrer (zwölf) deutlich aus.
„Jedesmal eine Freude“
Im Grunde sei der Bürgermeisterjob eine einzige Rennerei. Und in Michelstadt sei das besonders schlimm: „so überschaubar, dass jeder den Bürgermeister sehen will, so groß, dass das einfach nicht zu leisten ist“, skizzierte Kelbert seine zwölf Jahre an der Stadtspitze.
Und seine Bürgermeisterkollegen adelte Kelbert als Champions-League. Das Zusammenwirken sei „jedesmal eine Freude“ gewesen. „Ein Geschenk, das mir Gott sei Dank auch in den nächsten Jahren erhalten bleiben wird“, sagte der Scheidende mit Blick auf seine künftige Tätigkeit als Geschäftsführer des Müllabfuhr-Zweckverbands Odenwald.
Ein bisschen Weltstadt sei Michelstadt auch. „Hier kommen Menschen aus der ganzen Welt, Schülergruppen, Wisenschaftler, Musiker, Künstler zusammen“, lobte Stephan Kelbert die größte Stadt im Odenwaldkreis.
Auch Schmerzen zugefügt
Man habe oft zäh gerungen um die beste Lösung, an der er sich immer orientiert habe. Dennoch habe er auch Schmerzen zugefügt. „Die Zahl derer, die die Straßensseite wechseln, wenn sie Dir begegnen, nimmt im Laufe der Jahre zu.“ Auch das sei ein Grund, nach zwölf Jahren aufzuhören.
Das Finale beschrieb Kelbert als „einmal um die Sonne und zurück“: vor zwölf Jahren sei er die Aufgabe ziemlich unbefangen angegangen. Er sei immer politisch interessiert gewesen, „und wollte rausfinden, ob so einer wie ich, kein Verein, geschieden und aus Erbach, das kann“, lies er die inzwischen folkloristische Rivalität der beiden Zentrumsstädte im Odenwaldkreis aufblitzen.
„Eine unvergessliche, aufregende Zeit“
Es sei eine unvergessliche, aufregende Zeit gewesen, die vor zwölf Jahren vonstatten ging. „Genau zwölf Jahre braucht der Planet Jupiter, bis er einmal um die Sonne marschiert und wieder am Ausgangspunkt steht.
Auch wenn er nichts mit dem Göttervater zu tun habe „schaue ich zurück auf die intensivste Zeit meines Lebens. Ohne Euch hätte ich das alles nicht erlebt, und ich bin für jeden Tag dankbar“. Seinem Nachfolger Dr. Tobias Robischon versicherte Kelbert: „Du kannst jederzeit auf mich zählen, soweit ich abends nichts anderes vorhabe.“
„Du warst immer präsent“
Stephan Kelbert habe als Bürgermeister in Michelstadt in zwölf Jahren eine Epoche geprägt, lobte Stadtverordnetenvorsteher Andreas Klar. „Du warst immer präsent.“ Dennoch: „Lebe geht weiter“, bemühte Klar den früheren Eintracht-Trainer Dragoslav Stepanovic, und setzte damit die Segel für den neuen Rathauschef Dr. Robischon.
Dankesworte sprachen neben dem Hulster Bürgermeister Jan Frans Mulder für die Partnerstädte Michelstadts auch der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch, der Deidesheimer Bürgermeister Peter Lubenau, Lützelbachs Rathauschef Uwe Olt für die Odenwaldkreis-Bürgermeister, sowie für die Fraktionen im Michelstädter Stadtparlament Dr. Michael Hüttenberger (SPD), Bernd Keller (ÜWG), Georg Walther (CDU), Dr. Jonas Schönefeld (GRÜNE), Lutz Hasenzahl (FDP) und Erster Kreisbeigeordneter Oliver Grobeis für den Odenwaldkreis.