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Bedeutsame Funde und Erkenntnisse in der Nikolaus-Matz-Bibliothek

Professor Dr. Thomas Wilhelmi hält einen spannenden Vortrag über die Entstehung und Bedeutung der Nikolaus-Matz-Bibliothek von Michelstadt. Foto: Pressedienst Michelstadt

Professor Dr. Thomas Wilhelmi stellt umfangreiche Kirchenbibliothek von Michelstadt vor

MICHELSTADT. - Einer der bedeutendsten Kirchenbibliotheken Deutschlands befindet sich in Michelstadt.

Auf diese Besonderheit, die im Alltag der Stadt leider keine Rolle spielt, machte am vergangenen Freitag, 18. November, Professor Dr. Thomas Wilhelmi von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in einem Vortrag aufmerksam.

Dass dennoch ein großer Kreis an Interessierten zu diesem spannenden Thema existiert, zeichnete sich an der Besucherzahl ab. Das Kulturamt der Stadt hat das Thema aufgegriffen und in das Stadtmuseum eingeladen.

Mit Wilhelm konnte als Referent ein ausgewiesener Fachmann von der Forschungsstelle >Theologenbriefwechsel< an der Heidelberger Universität gewonnen werden.

Zusätzlich zu seinen neuen Erkenntnissen über die Bedeutung und Geschichte der Nikolaus-Matz-Bibliothek brachte er Originale und Abbildungen daraus mit, die sich im Besitz von Graf Eberhard XIII. befanden und von ihm mit Federzeichnungen versehen wurden.

Der Vortrag fand in der Reihe „Unser Odenwald - Vom Bekannten zum Unbekannten“ statt, die im nächsten Jahr mit neuen interessanten Themen fortgesetzt wird.

Seit vielen Jahren geht Professor Wilhelmi in der Nikolaus-Matz-Bibliothek ein und aus und hat bei seinen Forschungen und Katalogisierungen schon so manche in der Fachwelt beachtete Entdeckung gemacht.

Zuletzt geschah dies in Form einer Handschrift des bedeutenden Reformators Johannes Brenz (1499 – 1570), die 500 Seiten umfasst. Diese in deutscher und in lateinischer Sprache niedergeschriebenen Predigten wurden vermutlich in der Zeit um 1550 bis 1560 angefertigt.

Die Bestände der Bibliothek insgesamt zeichneten sich insbesondere, so Wilhelmi, durch Werke aus den ersten beiden Dritteln des 16 Jahrhunderts aus, also aus der Zeit kurz vor der Reformation und der darauffolgenden Jahrzehnte, in denen die Konfessionalisierung ihren Anfang genommen hat.

„Die Bibliothek kann mit Fug und Recht als eine wertvolle Schatzkammer der Wissenschaft bezeichnet werden“, kommt Wilhelmi zu dem Entschluss.

Sie umfasst etwa zwei Dutzend Handschriften, davon 14 umfangreiche Sammelhandschriften aus dem späten Mittelalter, 161 Inkunabeln oder Wiegendrucke (Drucke bis etwa ins Jahr 1500) und etwa 4300 Drucke aus der Zeit von 1501 bis ins 19. Jahrhundert.

Erst durch eine weitere genaue Erfassung in den letzten Jahren ist der bekannte Bestand ständig gewachsen. Dazu Wilhelmi: „So sind es nun etwa ein Dutzend Handschriften mehr als vor etwa 35 Jahren.“ Diese liege auch daran, dass bei den Katalogisierungen im 18. und 19. Jahrhundert und auch von Alexander Roeder in den Jahren nach 1945 in Sammelbänden bei gebundene Drucke übersehen worden waren.

Bei den Beständen handelt es sich zu Dreiviertel um theologische Schriften; des Weiteren um Veröffentlichungen aus den Bereichen Naturwissenschaft und Jurisprudenz.

Die Bibliothek ist in Besitz der evangelischen Kirchengemeinde von Michelstadt und befindet sich in Räumen der Löwenhofreite. Mit dem Umzug im Jahr 1984 aus dem Turm der Stadtkirche in klimatisch günstigere Räume einher ging die Namensumbenennung in Nikolaus-Matz-Bibliothek.

Als solche wird sie seit fast 40 Jahren ehrenamtlich von Erwin Müller betreut. Mit der Sichtung des Bestands sei er keineswegs am Ende, machte Wilhelmi unmissverständlich deutlich, dass es sich bei dem Vortrag um eine Momentaufnahme handelt.

Natürlich ging der Referent auch auf den Stifter und Namensgeber der Sammlung ein, der am 7. Dezember 1499 und damit 14 Jahre vor seinem Tod, seine vollständige oder teilweise Privatsammlung seiner Heimatstadt vermachte. Damit legte Matz den Grundstein für die Kirchenbibliothek von Michelstadt, wo er 1443 geboren wurde.

Mit zwölf Jahren begann er ein Studium der Artes Liberales in Wien; das der sieben freien Künste. Auf den Magister folgte ein Studium der Theologie und nach dessen Abschluss die Bestellung zum Priester von Passau.

1470 trat Matz die Nachfolge von Geiler von Kaysersberg als Dekan an der Universität von Freiburg im Breisgau an. Fünf Jahre später wurde er zum Rektor ernannt.

Als wohlhabender Mann setzte Matz seine Karriere in Speyer fort, wo er als theologischer Konsulent des Erzbischofs und zugleich als Pfarrer in Esslingen beschäftigt war. Von 1480 an hatte er das einträgliche Amt eines Sexpräbendars am Domstift Speyer inne.

Nach Matz besonders gewachsen ist die Bibliothek durch die Überlassung von zusammen mindestens 1800 Werken der Grafenfamilie, die 1663 beziehungsweise 1789 in die Sammlung überführt worden waren.

„Ohne diese gräfliche Provenienz, die in diesem Ausmaß meines Wissens bei keinen anderen Kirchenbibliotheken vorkommt, hätte die Michelstädter Kirchenbibliothek einen sehr wesentlich geringeren Umfang und wäre auch inhaltlich nicht so bedeutend“, schlussfolgerte der Fachmann.

Worauf Wilhelmi auch aufmerksam machte, ist die Fürstenauische Kirchenbibliothek, die sich früher in Schloss Fürstenau befunden hat und seit 50 Jahren als Depositum in der Hochschule der Selbstständig-Lutherischen Kirche in Oberursel aufbewahrt wird. Sie umfasst 3800 Drucke und ist damit nicht viel kleiner als die Kirchenbibliothek.