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Magersucht und Bulimie im Fokus

Die Psychiaterin Monique André bei der Eröffnung des Vortrags.

ErnÀhrungswissenschaftlerin Petra Margraf stellt die Inhalte des Referats vor. Fotos: Michel Lang / DRK-Odenwaldkreis

Fachfrauen referierten beim Roten Kreuz in Erbach

ODENWALDKREIS / ERBACH. - Magersucht ist eine schwere Erkrankung, die unterhalb eines gewissen Gewichts tödlich sein kann.

So informierten am Montag, 24. April, Monique AndrĂ©, FachĂ€rztin fĂŒr Psychiatrie und Psychotherapie aus Neu-Anspach sowie die ErnĂ€hrungswissenschaftlerin Petra Margraf aus Bad Nauheim im Lehrsaal des Roten Kreuzes in Erbach zu den möglichen Auslösern, Folgen und TherapieansĂ€tzen.

Unter dem Vortrag mit dem Titel „Iss was?! – Wenn essen zum Problem wird“ behandelten sie ebenso die verwandte Bulimie, also die Ess-Brechsucht.

Gekommen waren auf Einladung der DRK-Selbsthilfe Betroffene, Angehörige und am Thema interessierte GĂ€ste. „Je frĂŒhzeitiger und gezielter Essstörungen behandelt werden, desto besser sind die Heilungschancen“, wusste die Medizinerin.

Und diese Störungen begönnen oft in frĂŒhester Jugend, immer hĂ€ufiger seien es bereits Kinder, die mit diesen Schwierigkeiten konfrontiert wĂŒrden.

Anorexie, also die Magersucht, bedeute „Essen sparen“, erlĂ€uterte AndrĂ© und betonte, dass dies hĂ€ufig schleichend beginne: „Verschobene Vorstellungen ĂŒber das eigene Aussehen und falsche Schönheitsideale machen den Spiegel zum Feind.“

Man fĂŒhle sich permanent zu dick und reduziere durch Sport oder auch mittels Einnahme von Medikamenten sein Gewicht immer weiter. Irgendwann sei es nicht mehr möglich, die AbwĂ€rtsspirale zu stoppen.

Liebevolle oder auch restriktive Zuwendung seitens der Eltern griffen nicht mehr. Meistens zeigten MÀdchen, aber auch immer öfter Jungs, dieses hÀufig von Scham behaftete Krankheitsbild.

Den Patienten erscheine das Abnehmen als Erfolg und werde von ihnen als positiv gewertet. Zudem lenkten jene Strategien von anderen unangenehmen Themen ab.

„Oft stecken ein gestörtes SelbstwertgefĂŒhl, familiĂ€re Probleme und damit eine Fluchtreaktion als Auslöser hinter der Erkrankung.“ Dabei halte eine gestörte Kommunikation das System am Laufen und befeuere es stĂ€ndig. Die Magersucht werde zum SelbstlĂ€ufer und bedĂŒrfe nun dringend Ă€rztlicher und therapeutischer Hilfe.

„Denn ab einem Bodymaßindex von 14 oder 13 kann dies tödlich sein, da sich die biochemischen Prozesse umstellen“, warnte die Psychiaterin.

Weniger sichtbar, da oft nicht mit extremer Magerkeit verbunden, sei die verwandte Ess-Brechsucht, bei der man sich durch Fressattacken besser spĂŒre, dann aber SchuldgefĂŒhle entwickele und die Nahrung mittels Finger im Hals in der Toilette entsorge. Eine genaue Abgrenzung der zwei Krankheitsbilder bewertete sie als schwierig, da sie oft ineinandergriffen.

Therapeutisch habe man die Möglichkeit der ambulanten Therapie, wenn keine SelbstgefÀhrdung vorliege und die Betroffenen psychisch und physisch stabil seien, erlÀuterte die ErnÀhrungswissenschaftlerin Petra Margraf. Positiv sei das gewohnte Umfeld, doch dauere die Bewilligung durch die Krankenkassen sehr lange.

Der Aufenthalt in einer Tagesklinik schaffe Strukturen mittels Sportprogramm zum Stressabbau, garantiere die Anwesenheit von Medizinern und sei ebenso mit der Empfehlung von Selbsthilfegruppen verbunden.

„Wer aber Selbstmordgedanken hegt oder körperlich extrem abgebaut hat, muss in stationĂ€re Behandlung, die im Extremfall auch eine ErnĂ€hrung durch Sonde sicherstellt“, sagte Margraf. Auch werde dort ein tieferes VerstĂ€ndnis der Erkrankung ermöglicht. Bei allen Formen gehöre aber die Bereitschaft dazu, etwas Ă€ndern zu wollen. Da sei der Patient gefordert.

Kritisch beurteilte die Fachfrau sogenannte DiĂ€ten, wie das Intervallfasten: „Das ist eines meiner Lieblingshassthemen. Leistung braucht Energie, also Eiweiß und Fett, aber vor allem Kohlehydrate. Auch ohne Sport verbraucht das Gehirn tĂ€glich 130 bis 140 Gramm Zucker.“

Hilfreich und strukturgebend könne ein ErnĂ€hrungstagebuch sein: „Wie, was und wann esse ich?“ Sicher sei, dass es nicht normal ist, ĂŒberhaupt keinen Hunger zu haben.

Therapeutisch bedĂŒrfe es oftmals des Aufbrechens festgebackener Strukturen und der Aktivierung der Geschmackssinne. „Man muss essen neu lernen.“ Dabei sei eine therapeutische Begleitung unverzichtbar. Im Anschluss an das Referat konnten die GĂ€ste Fragen stellen.

Informationen zu qualifizierten Beratungsstellen erteilt die DRK-Selbsthilfe unter Tel. 06062 / 607-601 oder der E-Mail: selbsthilfe(at)drk-odenwaldkreis.de.