„Nicht die Frage ist falsch gestellt, vielmehr die Antwort falsch gegeben“
Erbacher Gastronom kritisiert Bürgermeister und Stadtpolitik wegen kurzfristiger Absage der Schlossweihnacht, während in den Nachbarstädten Michelstadt und Bad König gleichgelagerte Veranstaltungen erfolgreich durchgeführt wurdenERBACH. - Die kurzfristige Absage der Schlossweihnacht sei für Erbach keine Frage gewesen, die sich zwischen Daumen und Zeigefinger entscheiden dürfe, erklärte Bürgermeister Dr. Peter Traub.
Die Frage, was Erbach von Michelstadt – in der Nachbarstadt fand der Weihnachtsmarkt über vier Wochen erfolgreich statt – in Pandemie-Zeiten unterscheide, sieht der Erbacher Rathauschef falsch gestellt.
Unterstützung der Bevölkerung wie der Gremien und Mitarbeiter benötigt
Für einen Markt wie die Erbacher Schlossweihnacht benötige man die volle Unterstützung der Bevölkerung ebenso wie die der Gremien und Mitarbeiter. Und die sei analog der signifikant steigenden Inzidenzen zunehmend gekippt, was die Durchführung der Schlossweihnacht unmöglich gemacht habe, bilanziert Traub.
Das sieht ein Erbacher Gastronom völlig anders: „Nein, nicht die Frage ist falsch gestellt, vielmehr ist die Antwort falsch gegeben.“ Sowohl Michelstadt als auch Bad König hätten das bewiesen. „Es ist auch eine für den Bürgermeister typische Antwort. Selbstherrlich, wie nicht anders zu erwarten!“
Man könne ja keinesfalls im Nachhinein einräumen, dass man die Schlossweihnacht vielleicht doch hätte durchziehen können oder sollen. Dass die Stadt den Händlern die Standgebühren „erlasse“, sei ja wohl selbstverständlich.
Standgebühren nur >Peanuts<
„Das überhaupt zu erwähnen , um sich damit zu schmücken, ist ein Witz.“ Schon der Vertrag verpflichte die Stadt dazu. „Im Übrigen sind das >Peanuts<, sprich die geringsten Kosten. Transport, Aufbau, Abbau, Rücktransport, Wareneinkauf und teilweise sogar die Vernichtung verderblicher Waren, sind ein Vielfaches der Standgebühren.
Darauf bleiben die Bestücker nun sitzen und verlieren ihre Umsätze und deren Deckungsbeitrag! Aber was soll's, Pech gehabt!“ Die Besoldung des Bürgermeisters laufe ja ungekürzt weiter. Er ziehe nun einen Schlussstrich unter das Thema, „bei uns aber fangen die Probleme erst unter diesem Strich an.
Das negative Ergebnis seiner Rechnung liegt auf unseren Schultern, nicht den seinen! Aber auch hier: was soll's, denn wir sind ja nur die >Melkkühe<.“
„Ganz herzlicher Dank an oberste städtische Instanz und deren Stadtmarketing“
Man wolle sich deshalb „ganz herzlich bei der obersten städtischen Instanz und deren Stadtmarketing bedanken. Bedanken dafür, dass wir so viel Freizeit bekommen haben, die durch die Absage des Weihnachtsmarktes entstanden ist.“
Es sei klar, dass es trotz „sorgfältiger Prüfung“ keine Alternative zur Absage gegeben habe. „Auch wenn Michelstadt es hingekriegt, und auch Bad König eine ähnliche, hervorragende Veranstaltung mit begleitendem Mini-Weihnachtsmarkt auf die Beine gestellt hat.“
„Logistische Meisterleistung wäre vonnöten gewesen, begleitet von extremen Risiken“
Man müsse schließlich berücksichtigen, dass Michelstadt nur eine Stadt abzuriegeln hatte. In Erbach hingegen wäre der gesamte hochkomplizierte Marktplatz abzuriegeln gewesen. „Eine logistische Meisterleistung wäre vonnöten gewesen, begleitet von extremen Risiken.“ Das könne daher kein Vergleich sein.
Auch die Veranstaltung in Bad König sei kein Vergleich, denn schließlich handle es sich hier ja um eine Kurstadt. „Sollte sich da jemand infizieren, kann man das dort auch gleich wieder ausKURieren. Die kennen sich aus, Erbach nicht“, flüchtet sich der Gastronom in Sarkasmus.
„Wir Erbacher Gastronomen konnten uns vom Stress der letzten zwei Jahre erholen“
Da nun die armen Michelstädter und Bad Königer Gastronomen die ganze „Last“ des vorweihnachtlichen Besucherandrangs, natürlich auch den der Erbacher Besucher, hätten abfangen müssen, „konnten wir Erbacher Gastronomen uns endlich vom Stress der letzten zwei Jahre erholen und Weihnachten ausgiebig im leeren Restaurant genießen“.
Der Umsatz reiche zwar nicht um die Kosten zu decken, aber das sei man ja inzwischen schon gewohnt. „Nix Neues also. Außerdem ist es nur Papier, auf dem das steht. Wie wir alle wissen, ist zumindest das Papier sehr geduldig.“
Hinzu komme, dass „wir uns in jüngster Zeit und mit der Unterstützung durch Corona so viel Speck anfressen konnten, dass wir diese himmlische Ruhe unbesorgt genießen konnten“, sagt der Gastronom in der Hoffnung, seine Ironie sei deutlich geworden.
„Wir bedanken uns für die strategische Meisterleistung, die uns das Wasser abgegraben hat“
„Wir bedanken uns also für die strategische Meisterleistung, die uns das Wasser abgegraben hat“, heißt es weiter in dem Statement. Eine traditionsreiche Lokalität, das Erbacher Brauhaus, habe ab Januar die Pforten geschlossen. „Nachvollziehbar, vermutlich wegen Reichtums und dementsprechender Motivation.“
Es komme also nicht darauf an „wenn auch wir hinzukommen würden, weil auch wir so langsam die Lust verlieren.“ Der Erbacher Marktplatz sei eh schon tot. „Lange gucken wir uns diese geschäftsschädigende Politik sowie das damit vorgegebene Stadtmarketing nicht mehr an!“
Der Spaß sei ohnedies schon dem Frust gewichen. „Sollte auch die immer noch vorhandene Lust vergehen, gibt es eben noch einen weiteren Leerstand auf dem zum Flanieren gebauten Marktplatz.“ Das werde allerdings dann abends kaum auffallen, denn das Schloss bleibe ja vorwiegend dunkel, um das sicherzustellen.