Marktplatzsanierung: Erhebt Erbachs Stadtbaumeister Martin La Meir „Murks“ zum Standard?
„Prestige-Projekt verschandelt die Stadt Erbach, so darf nicht weitergebaut werden - Mehr Dilettantismus geht schon fast nicht mehr“, kritisieren Fachleute des Netzwerkes Pflasterbau (Interessengemeinschaft -IG- Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V.; der Qualitätssicherung Pflasterbauarbeiten e.V. und Forum Natursteinpflaster e.V.) die Bauausführung des rund 1,5 Millionen Euro teuren Marktplatz-Projekts in der Odenwälder KreisstadtERBACH. - Die Sanierung und Neugestaltung des Erbacher Marktplatzes rund um das Denkmal des Grafen Franz I., zwischen Schloss, altem Rathaus und Lustgarten, war dringend geboten. In dieser Beurteilung sind sich Bürger, Vertreter aller politischen Parteien und Stadtverwaltung Erbach völlig einig.
Bei der Frage um das „wie“ dieser Baumaßnahme gingen die Meinungen seit Bekanntwerden der für dieses Projekt zur Verfügung stehenden Bundesmittel aus dem Kommunalen Investitionsförderprogramm (KIP) allerdings oft diametral auseinander (siehe dazu FACT-Berichte unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews und: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Mühevolle Einigung auf Kompromiss
Von den veranschlagten Gesamtkosten von rund 1,5 Millionen Euro für das Bauprojekt Erbacher Marktplatz sind Fördergelder aus KIP-Mitteln in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro bewilligt, die städtische Co-Finanzierung beläuft sich auf rund 250.000 Euro. Anliegergebühren werden nach Auskunft des Erbacher Bürgermeisters Harald Buschmann nicht erhoben.
Nach einer mühevollen Einigung auf einen Kompromiss zwischen städtischem Planer, dem hessischen Denkmalamt und dem Erbacher Stadtparlament, das letztlich im März diesen Jahres einen entsprechenden Beschluss zu einem veränderten Plan fasste, kommt es seit 6. Juni zur Ausführung der Bauarbeiten.
Fachleute kritisieren Ausführung der Bauarbeiten als „Murks“
Und an dieser Ausführung scheiden sich einmal mehr die Geister. „Entsteht hier eine neue touristische Attraktion mit Möglichkeiten zum Bergsteigen im Sommer und Skifahren im Winter mitten in Erbach?“, ließ ein besorgter Bürger seinem schwarzen Humor freien Lauf in Anspielung auf eine jetzt künstlich hergestellten Neigung von knapp einem Meter von der Platzmitte zu den Rändern des Areals.
Zwischenzeitlich kam neben heftigen Unmutsbekundungen aus der Bevölkerung zur Optik wesentlich gravierendere Kritik von Fachleuten auf. Diese kritisieren in scharfer Form die qualitative Ausführung der Bauarbeiten als „Murks“.
„Nichts, aber auch wirklich nichts, ist abnahmefähig“
„Je größer die gepflasterte Fläche wird, desto grausamer wird sie. Wir Steinsetzer begreifen nicht mehr, was dort abgeht, mehr Dilettantismus geht schon fast nicht mehr“ verlautet von fachkundiger Seite der >Interessengemeinschaft (IG) Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V.<.
„Nichts, aber auch wirklich nichts, ist abnahmefähig, weder, noch irgendwie in einer Beziehung fachgerecht. Die Arbeit ist mit dem Steinsetzerhandwerk in keinster Weise vereinbar. Es muss dringend, aber wirklich dringend, ein Baustopp her.“
Man müsse es einfach vor Ort sehen, „wie ein angebliches Prestige-Projekt die Stadt Erbach verschandelt. So darf nicht weitergebaut werden“.
„Man kann, man muss es besser machen“
Noch seien etwa 50 Prozent der Fläche nicht gepflastert. „Man kann, man muss es besser machen“, lautet die vernichtende Kritik der Fachleute an der Bauausführung im Zentrum der Odenwälder Kreisstadt.
„Wir veranstalten keine Hetze gegen die ausführende Firma und auch nicht gegen Sie oder die Stadt Erbach beim Projekt Marktplatz. Es sind leider Fakten, die die Bevölkerung aufbrausen lässt, da unverständlich reagiert wird.
Man kann und sollte sich nicht alles schön reden oder schreiben“, antwortet Dipl.-Ing. Rüdiger Singbeil (Peine), Obermeister der Straßenbauer-Innung Braunschweig, Mitglied in den Vereinen: >IG Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V.< und >Qualitätssicherung Pflasterbauarbeiten e.V.< dem Erbacher Stadtbaumeister Martin La Meir.
Stadtbaumeister weist Kritik der Fachleute zurück
Der gibt sich uneinsichtig und hatte die Kritik der Fachleute zuvor zurückgewiesen. In La Meir's Schreiben an Rüdiger Singbeil heißt es: „Im Gegensatz zu Ihnen sehen wir nicht, dass die Arbeiten nicht fachgerecht ausgeführt werden.
Zum Beispiel können wir mit Ausnahme der anderen Steinart zwischen Ihren Beispielen eines Passe-Verbandes und unserem Passe-Verband keinen signifikanten Unterschied erkennen, weder qualitativ (Fugenbild/Ebenflächigkeit) noch optisch.
Ein Baustopp kommt für uns nicht in Betracht. Wir wären sehr dankbar, wenn Sie Ihre ständige Hetze gegen uns und das ausführende Unternehmen über Facebook und die Aufhetzung der Erbacher Bevölkerung gegen die Maßnahme umgehend unterlassen würden.“
Wissentliche Duldung offenkundiger Fehler in der Bauausführung
Innungs-Obermeister Singbeil, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für den Straßenbau sowie Leiter des Prüfungsausschusses der Straßenbauer-Innung Braunschweig (Niedersachsen), ist auf Vermeidung von Schäden an Pflasterbelägen einschließlich Oberbau spezialisiert und zertifiziert.
Seine Kritik richtet sich einzig gegen die „wissentliche Duldung offenkundiger Fehler in der Bauausführung“, wie er auf FACT-Anfrage bekräftigt.
Alleine aus diesem Grund habe er sich an den Erbacher Stadtbaumeister gewandt, der ihm jedoch die kalte Schulter zeige, wie Singbeil darlegt. Er habe Martin La Meir schriftlich mitgeteilt, er sehe es als seine Pflicht und Schuldigkeit an, „Sie erneut auf die sehr schlechte Qualität der bisher ausgeführten Natursteinpflasterarbeiten hinzuweisen.“
Nicht die geringsten Grundkenntnisse vom Pflasterbau
Er habe sich die Arbeiten persönlich am Sonntag, 17. September, anlässlich einer Innungsfahrt der Straßenbauer-Innung Braunschweig, nach Mannheim angesehen. „Die Bauaufsicht des ausführenden Auftragnehmers scheint nicht die geringsten Grundkenntnisse vom Pflasterbau zu haben. Hier hätte schon nach etwa 100 m² Pflasterfläche eingeschritten werden müssen.“
Die Stadt habe ein Anrecht auf qualitativ hochwertige Arbeit. „Was hier abgegeben wird, ist zwischen ausreichend und mangelhaft. Warum also für z.B. ein neues Auto mit geflickten Polstern, Risse in den Nähten und Dellen in der Karosserie (Außenbleche) den Preis wie für einen handgefertigten Maybach zahlen?“
„Sie haben ein Anrecht auf eine zumindest befriedigende Arbeitsleistung“
Das bisher verlegte Pflaster auf dem Erbacher Marktplatz wirke wie ein Flickenteppich, die Fugen wie Löcher oder Risse und die Berg- und Talbahn wie Dellen in der Außenhaut. „Sie haben als Gemeinde ein Anrecht auf eine zumindest befriedigende Arbeitsleistung.“
Für fehlende Grundlagen im Pflasterbau - leider seit Jahrzehnten schon Mangel in Deutschland - gebe es seit Januar 2017 bei EIPOS (mit der TU Dresden) die Studiengänge / Weiterbildung in Blockseminaren zum Fachbauleiter oder Fachingenieur für den Pflasterbau, erteilt Rüdiger Singbeil dem Erbacher Stadtbaumeister Nachhilfeunterricht.
„Könnte noch weiter ins Detail gehen, würde dann aber noch Stunden benötigen“
Die Arbeiten die in Erbach ausgeführt würden, „sind kein Passe‘-Pflaster sondern eine Mischung aus Reihenpflaster und teilweise Diagonalversetzung. Aber dabei läuft vieles spitzwinkelig und in Reihen statt nach 3 bis 5 Steinen unter 45 Grad versetzt zu.“
Auch stimme die Art der Ausführung der angeblich in gebundener Bauweise ausgeführten Schlitzrinneneinfassung absolut nicht mit der Beschreibung in der eigenen Leistungsanforderung überein.
Schmale Fugen dürfen 15, nicht 70 Millimeter breit sein
„Die beidseitigen Reihenpflastersteine stehen teilweise lose in etwas Mörtel ohne Haftbrücke. Verfugung und Dehnungsfugen ebenfalls mangelhaft. Ich könnte noch weiter ins Detail gehen, aber dann würde ich hier noch Stunden zur Erläuterung benötigen.
Die Pflasterarbeiten sollen in vernünftiger Qualität mit schmalen Fugen von etwa 15 mm und nicht 30 bis 70 mm abgegeben werden. Natürlich ist das schwer bei gebrauchtem Pflaster, aber dazu gehört eine Vorsortierung.“
Widersprüche in La Meirs Angaben
Widersprüchlich sind auch mehrere Angaben des Erbacher Stadtbaumeisters. So schreibt Martin La Meir aktuell von einer „nach Norm geforderten 3,5%-Neigung für Natursteinpflasterarbeiten zur Sicherstellung der Entwässerung“, während in der von ihm gefertigten Leistungsausschreibung nachweislich nur 3 Prozent Neigung angegeben sind.
Auch die von ihm in der Leistungsbeschreibung geforderte „Fugenbreite 6 bis 15 mm“ hat sich nach La Meirs Beurteilung aktuell offenbar auf wundersame Weise auf eine mehrfache Breite bis teilweise etwa 70mm erhöht.
„Lassen Sie bitte vernünftig arbeiten“
Bisher sei nur ein Teil des Marktplatzes gepflastert, sagt Rüdiger Singbeil, und fordert La Meir auf: „Lassen Sie bitte vernünftig arbeiten und wenn der Winter einbricht, wird halt die befestigte Fläche freigegeben und der Rest wird mit seitlicher Anrampung aus Schotter mit leichter Asphaltdecke z.B. als 1,0 bis 2,0m Streifen gesichert. So kann dann der Höhenunterschied zur Schotterbefestigung überbrückt werden.“
Das Netzwerk Pflasterbau ziele darauf ab, dass das Pflasterhandwerk „durch gute Arbeit und nur dadurch“ in der Öffentlichkeit Anerkennung finde und nicht durch Ausführungsmängel Negativ-Schlagzeilen mache. „Diese gibt es leider noch viel zu viel in Deutschland“, konstatiert Singbeil abschließend.
„Baustopp, wie gefordert, wird es nicht geben“
Martin La Meirs fragwürdige fachliche Beurteilung bleibt trotz aller Experten-Kritik konstant: „Fazit ist, die Pflasterarbeiten auf dem Erbacher Marktplatz werden fachgerecht ausgeführt. Einen Baustopp, wie von Herrn Singbeil gefordert, wird es nicht geben“, zeigt sich der Erbacher Stadtbaumeister weiter völlig beratungsresistent.
Der Geschäftsführer der bauausführenden Firma war für eine Stellungnahme zu der harschen Kritik der bisher auf dem Erbacher Marktplatz geleisteten Arbeit nicht zu erreichen.