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Ein kritischer Geist

Pfarrer Andreas Leipold geht in Ruhestand und wird im Gottesdienst am Sonntag, 17. November, 14 Uhr, in der evangelischen Kirche in Semd verabschiedet. Foto: Silke Rummel

Der Semder Pfarrer Andreas Leipold geht in den Ruhestand und wird am 17. November verabschiedet

ODENWALD / SEMD. - Viele Jahre an vielen Stellen im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald gehen zu Ende. Nach zuletzt drei Jahren in Semd geht Pfarrer Andreas Leipold Ende des Monats in den Ruhestand. Der Gottesdienst zu seiner Verabschiedung ist am Sonntag, 17. November, 14 Uhr, in der evangelischen Kirche in Semd.

Lena wartet hinter der Glastür des evangelischen Gemeindehauses in Semd. Ein Empfangskomitee der etwas anderen Art. Die schwarz-weiße Mischlingshündin läuft schwanzwedelnd voraus, hinunter in den Gemeinderaum, wo Andreas Leipolds Schreibtisch steht und er eine kleine Büroecke eingerichtet hat.

Wie es ihm geht? „Blendend“, antwortet er. Kein Abschiedsschmerz, eher Erleichterung, in Kürze nicht mehr am Strukturprozess ekhn2030 beteiligt sein zu müssen. Ab 1. Dezember ist er im Ruhestand.

Drei Jahre war er mit einer halben Stelle Pfarrer in Semd. Ursprünglich sollten es nur eineinhalb Jahre sein, aber es lief so gut, dass er länger geblieben ist.

Mit 64 Jahren geht Andreas Leipold vor der Zeit in den Ruhestand – weil die evangelische Kirche im Umbau ist, sich in Nachbarschaftsräume und Verkündigungsteams organisiert und seine reguläre Ruhestandsversetzung alles nur komplizierter machen würde.

Durch die evangelische Jugendarbeit zur Theologie

Gebürtig stammt Andreas Leipold aus Konstanz. Aufgewachsen ist er in Darmstadt, in der Postsiedlung, weil sein Vater bei der heutigen Telekom angestellt war. Er hat in Frankfurt, Mainz, Kiel, Berlin und Heidelberg studiert und sein Vikariat in Raunheim absolviert.

Durch seine Konfirmandenzeit und einen prägenden Pfarrer, mit dem er viele Kindergottesdienste gemeinsam vorbereitete, ist er auf das Theologiestudium gekommen.

Den Großteil seines Berufslebens war er Schulpfarrer – mehr als 16 Jahre an der Offenen Schule in Babenhausen, dann an der Peter-Behrens-Berufsschule in Darmstadt und schließlich an der Albert-Einstein-Schule in Groß-Bieberau.

Als seine Frau an Demenz erkrankte und pflegebedürftig wurde, ließ er sich beurlauben. Er pflegte sie, bis sie am 18. Januar 2020 starb. Nach der Pflege-Isolation kam die Corona-Isolation.

In dieser Zeit kam auch Lena zu ihm, ein rumänischer Straßenhund. Pfarrer Leipold, der in Darmstadt lebt, fuhr mit der Bahncard 100 in leeren Zügen durch die Gegend und suchte nach einer neuen Stelle.

Die Wahl fiel auf Büttelborn. Dort war er ein Jahr lang Gemeindepfarrer, dann wechselte er nach Semd. „Hier bin ich mit offenen Armen empfangen worden.“ Hündin Lena nicht minder, sie avancierte schnell zum „Semmer Kirchenhund“.

Mit ganzem Herzen Schulpfarrer

Dass er an die Schule wollte, wurde Andreas Leipold schon während seines Theologiestudiums klar. Er unterrichtete Ethik, Religion und Informatik.

Technisches hat ihn immer interessiert, seine Herkunftsfamilie hatte früh einen Computer, noch bevor es den legendären C 64 gab. So wurde der Pfarrer Administrator für die Schulrechner und betreute die Internet-Gruppe.

Viele gute Erfahrungen hat er aus dieser Zeit mitgenommen. Eine davon ist: „Wenn Du bereit bist zu lernen, auch von anderen, dann lernen auch die Schülerinnen und Schüler“, sagt Leipold.

So kam es, dass Schüler der Bachgauschule, wohin er in seiner Babenhäuser Zeit mit ein paar Stunden abgeordnet war, sich eine Philosophie AG außerhalb der regulären Schulzeit wünschten, die Andreas Leipold dann leitete.

Weil das, was er von den Kirchen und dem Bestattungsmuseum in Wien erzählte, so spannend war, wollten sie unbedingt dorthin – und fuhren an einem Wochenende nach Wien. Wenn junge Menschen oder Menschen aus der Gemeinde auf ihn zukommen, hat er immer versucht die Anliegen umzusetzen.

Andreas Leipold ist ein kritischer Geist und jemand, der klar sagt, wie er eine Sache sieht. Dinge zerreden, das kann er nicht leiden. Dass er damit auch öfters mal aneckt, bis seine Umgebung weiß, woran sie mit ihm ist, passiert.

„Ich bin konservativ, weil ich Werte erhalten will – Werte wie Respekt, Verbindlichkeit, gegenseitige Achtung, Verlässlichkeit.“

Was bedeutet Religion für ihn? „Ein Hilfsmittel, das wir Menschen uns geschaffen haben, um Erfahrungen mit dem Transzendenten mitteilbar zu machen“, sagt der scheidende Pfarrer. „Für mich ist die Version der evangelischen Kirche eine sehr gute.“

Pfarrer Andreas Leipold wird im Gottesdienst am Sonntag, 17. November, 14 Uhr, in der evangelischen Kirche in Semd verabschiedet. Im Anschluss gibt es ein Zusammensein im Gemeindehaus.