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Horst Schnur spricht im Odenwälder Kreistag Klartext: „Der wurde beschissen“

Nach wie vor gibt's Turbulenzen in den Gremien des Odenwaldkreises zur Standortmarketing-Affäre, die seit mehr als drei Jahren Bürger, Politiker und Juristen in Beschlag nimmt. Foto: djv-Bildportal

Noch immer hallt die Affäre Standortmarketing nach im Odenwaldkreis: So beschäftgte aktuell eine Vergleichszahlung von 14.000 Euro an einen im Bieterverfahren unterlegenen Wettbewerber sowie ein Kreistagsbeschluss vom Juli 2014 die Kreisgremien + + + „Die Sache erscheint mysteriös und erinnert in fataler Weise an ein Bermudadreieck“

ODENWALDKREIS / ERBACH. - Der Tenor war fraktionsübergreifend einhellig, auch wenn die Bewertung der Fakten erneut höchst unterschiedlich ausfiel in der jüngsten Sitzung des Odenwälder Kreistags: Aus „prozessökonomischen Gründen“ wird dem im affärenbehafteten Ausschreibungsverfahren zum Standortmarketingkonzept des Odenwaldkreises unterlegenen Wettbewerber VPS-Media (Mümling-Grumbach) eine Vergleichssumme von 14.000 Euro vom Odenwaldkreis gezahlt.

Diesen Vergleichsvorschlag hatte das Darmstädter Landgericht den streitenden Parteien unter Hinweis auf mögliche deutlich höhere Kosten für alle Beteiligten im Falle der Weiterführung des Prozesses empfohlen (siehe auch FACT-Beitrag >Affäre Standortmarketing und kein Ende: Kreisgremien erneut gefordert< unter: http://www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews)

Auch wurde ein Kreistagsbeschluss vom 7. Juli 2014 bezüglich einer möglichen künftigen Zusammenarbeit mit der Erbacher Agentur Lebensform GmbH klargestellt. Landrat Frank Matiaske sprach im Kreistag von „mindestens drei Themenkomplexen zum Vorgang um das Standortmarketing“.

"Nur zwei Themenkomplexe betroffen"

Aktuell seien zwei Themen davon betroffen, während das noch ausstehende Verwaltungsgerichtsverfahren mit der WI-Bank um deren um rund 70.000 Euro gekürzte Fördermittel hier ebenso wenig tangiert sei, wie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Mit diesem Komplex könne man sich erst nach Abschluss der juristischen Verfahren beschäftigen.

Sprecher aller Fraktionen kommentierten den Vorgang noch einmal entsprechend ihrer Positionen:

Eric Engels (CDU) trug in seiner Funktion als Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses die mehrheitliche Empfehlung dieses Gremiums vor, wonach den beiden Beschlussvorschlägen zur Klarstellung des Kreistagsbeschlusses von 2014 und der Annahme des Vergleichs mit VPS-Media zuzustimmen sei.

Vergleichszahlung ein Gebot der Stunde

Für die SPD erklärte deren Fraktionsvorsitzender Raoul Giebenhain, mit der Klarstellung des Kreistagsbeschlusses vom Juli 2014 werde eine Forderung der Erbacher Firma Lebensform GmbH im Zusammenhang mit einem Vergleich zwischen der Werbeagentur und der Odenwald-Tourismus GmbH (OTG) über 30.000 Euro erfüllt.

Nach dem damaligen Beschluss wurde der Kreisausschuss aufgefordert, die Geschäftsbeziehungen mit der Lebensform GmbH bezüglich der Streitigkeiten rund um das Standortmarketing des Kreises und der Auseinandersetzungen dieser Firma mit der Odenwald-Tourismus GmbH als Beteiligungsunternehmen des Kreises unverzüglich zu beenden.

„Nur ein kleiner Baustein bei der Aufarbeitung dieser Affäre“

Auch wenn der Beschluss tatsächlich nur die damaligen strittigen Geschäftsbeziehungen mit der streitbaren Erbacher Agentur betrafen, sei klarzustellen, dass sich dieser Beschluss nicht auf weitere mögliche künftigen Geschäftsbeziehungen beziehe. Die Zahlung der vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichssumme an die VPS-Media sei ebenfalls ein Gebot der Stunde.

Klar sei auch, das offene Verfahren mit der WI-Bank habe damit absolut nichts zu tun. „Es steht weiter im Raum, wer den Kopf hinzuhalten hat, wenn dabei Schaden entstanden ist.“ Die aktuellen Beschlüsse seien „nur ein kleiner Baustein bei der Aufarbeitung dieser Affäre“.

„Haben die Hand auf Logos und alle Möglichkeiten zu Änderungen“

Klartext sprach der in den Kreistag wieder eingezogene Ex-Landrat Horst Schnur: „Das Vertrauen in die Zusammenarbeit mit dieser Firma ist zerstört!“ Gleichwohl könne man für die Zukunft kein Berufsverbot aussprechen. „Ich werde zustimmen, das Geld steht der VPS-Media als Kläger zu, denn der wurde beschissen!“

Schnurs Frage nach Eigentums- oder Nutzungsrechten an den von OTG und Kreis zweimal von Lebensform gekauften Wort-Bildmarken beantwortete Landrat Frank Matiaske ausweichend: „Wir haben die Hand auf Logos und alle Möglichkeiten zu Änderungen.“

Elisabeth Bühler-Kowarsch erklärte für die Fraktion der GRÜNEN: „Wir kommen zu einer anderen Beschlussbewertung der Kreistagsentscheidung von 2014. Die war durchaus präzise, wir vertreten deshalb eine andere Auffassung.“ Die Vergleichszahlung an VPS könne man aus prozessökonomischen Gründen zwar nachvollziehen, aus sachlicher Sicht jedoch nicht zustimmen.

„In rechtswidriger Weise auf das Ausschreibungsverfahren Einfluss genommen“

„Es ist bemerkenswert, dass die Staatsanwaltschaft Darmstadt am 15. September 2014 dem damals amtierenden Landrat (Anm. d. Red.: Dietrich Kübler) bescheinigt hat, dass er in rechtswidriger Weise auf das Ausschreibungsverfahren Einfluss genommen hat“, sagte Stephan Krieger für die Fraktion der LINKE.

Die Auftragsvergabe für das Standortmarketing des Odenwaldkreises sei offenbar in der Tat nicht sauber gelaufen. „Dies ergibt sich aus dem vorliegenden Vorschlag für einen Vergleich mit der in Höchst ansässigen VPS Media Film- und Fernsehproduktion.“ Nach Würdigung der Sach- und Rechtslage könne die LINKE diesem Vergleich nicht zustimmen.

Ebenso verhalte es sich mit der Klarstellung des Kreistagsbeschlusses aus dem Jahr 2014. Die Fakten ließen „erahnen, dass es um das Handeln der Verwaltung offenbar nicht zum Besten steht. Die Sache erscheint für den Betrachter in jeder Hinsicht mysteriös und erinnert in fataler Weise an ein Bermudadreieck“, sagte Krieger abschließend.

OTG zahlte nur 10.000, statt geforderter 80.000 Euro

Georg Raab signalisierte für die ÜWG-Fraktion Zustimmung zu beiden Beschlüssen und kritisierte die Handlungsweise der OTG-Geschäftsführung bezüglich der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Lebensform GmbH. Dem entgegnete Landrat Matiaske, dass es auch eine gerichtliche Auseinandersetzung war, mit der sich die OTG berechtigt gegen eine 80.000 Euro-Forderung der Lebensform GmbH für nicht beauftragte Fotoserien zur Wehr gesetzt habe und schließlich im Wege eines aus OTG-Sicht großzügigen Vergleichs nur 10.000 Euro zahlte.

Vor dem Hintergrund, dass der Kreistagsbeschluss aus 2014 schon kein Berufsverbot dargestellt habe und ein solches auch nicht zum Ziel hatte, könne man der jetzt gewünschten Klarstellung folgen, erklärte Moritz Promny für die FDP-Fraktion.

„Verursacher hat den Schaden zu tragen“

Der Liberale bedankte sich für die differenzierte Klarstellung des Sachverhalts und lobte: „Die Transparenz, die wir jetzt erfahren ist eine deutlich andere als zuvor.“ Um Mehrkosten zu vermeiden könne man auch nicht umhin, dem Vergleich mit der Firma VPS-Media zuzustimmen. Gleichwohl werde „der Sachverhalt im Hinblick auf die Auftragsvergabe noch geklärt werden“.

Auch Karl-Ludwig Kuhnstein forderte für die Fraktion der AfD Schaden vom Kreis abzuwenden und dem Vergleichsvorschlag zuzustimmen. Allerdings sei man in seiner Fraktion erstaunt, „dass hier Schaden entstanden ist, der nicht verstanden wird“.

Dem entgegnete Günter Verst (SPD): „Es hat sich für uns nichts geändert: Wenn die WI-Bank die Fördergelder nicht auszahlt, hat der Verursacher den Schaden zu tragen.“

„Denen helfen, die es nicht verstanden haben“

Auch Michael Gänssle (ÜWG) wollte Schaden vom Kreis abgewendet werden wissen und empfahl für das künftige Procedere zunächst die Gerichtsentscheidungen abzuwarten und sich keiner Vorverurteilung hinzugeben.

Abschließend erklärte auch Kreistagsvorsitzender Rüdiger Holschuh noch einmal, dass er gemäß dem Protokollauszug zum Kreistagsbeschluss aus 2014 keine Mängel erkennen könne. Dennoch wolle man „jetzt denen helfen, die es nicht verstanden haben und stellen's klar!“

Dem Vergleich mit der VPS-Media GmbH stimmten schließlich Vertreter von SPD, CDU, ÜWG, FDP, AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Becker zu. GRÜNE- und LINKE-Vertreter votierten dagegen.

Die Beschlussklarstellung der Kreistagsentscheidung vom 7. Juli 2014 fand Befürworter bei SPD, CDU, ÜWG, FDP, AfD und dem Abgeordneten Becker bei zwei Enthaltungen aus den Reihen der SPD und Gegenstimmen der Fraktionen von LINKE und GRÜNE.