Verkehrsanbindung: Industrievereinigung Odenwald verwundert über Al-Wazirs Schweigen
Die IVO forderte die Landespolitik auf, die im Bundesverkehrswegeplan festgeschriebenen und mit entsprechenden Mitteln versorgten Projekte zur Verbesserung der Verkehrsanbindung des Odenwaldkreises, mit Nachdruck zu verfolgenODENWALD. - Die bescheidene Verkehrsinfrastruktur im Odenwald und insbesondere im Odenwaldkreis hat in den vergangenen Wochen mehrfach Politiker auf den Plan gerufen. Auch die Industrievereinigung Odenwald e.V. (IVO) hat sich in die Diskussion eingeschaltet und den Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Tarek Al-Wazir, gebeten, die weitere Zurückstellung der Baumaßnahmen bis 2021 zu revidieren.
Jetzt macht die IVO darauf aufmerksam, dass auf ihr Schreiben vom 21. Juli 2017 an den Minister nunmehr einen Monat später noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung aus Wiesbaden, geschweige denn eine Antwort vorliegt.
Das vom IVO-Vorsitzenden Jürgen Walther (Bad König) und Geschäftsführer Christian Mühlhäuser (Michelstadt) unterzeichnete Schreiben macht auf die dringend erforderliche Verbesserung der Anbindung des Odenwaldes insbesondere an die Regionen Rhein-Main und Rhein-Neckar aufmerksam.
Diese wäre durchaus zeitnah möglich, nachdem der Ausbau der beiden Verkehrsadern B 45 Groß-Umstadt - Dieburg und der B 38-Abschnitte Ortsumgehung Groß-Bieberau (beide Kreis Darmstadt-Dieburg) sowie Rimbach, Fürth/Lörzenbach und Mörlenbach (alle Kreis Bergstraße) bereits im Bundesverkehrswegeplan als vordringlich eingestufte Projekte ausgewiesen und damit in den Budgetplan aufgenommen waren, jedoch von der hessischen Landesregierung derzeit „aus Kapazitätsmangel bei der Planung zurückgestellt“ wird.
Auf FACT-Anfrage erklärte IVO-Vorsitzender Jürgen Walther man sei über das Schweigen aus Wiesbaden sehr verwundert und bedauere, dass die für die Industrieunternehmen des ländlich strukturierten Odenwaldkreises und damit die Arbeitsplätze der hier lebenden Menschen wichtigen Anliegen für die schwarz-grüne Landesregierung offenbar von untergeordneter Priorität seien.
„Wir können weder die getroffene Entscheidung zur weiteren Zurückstellung des Ausbaus der Verkehrswege noch das Schweigen des Ministers aus Sicht der im Odenwald beheimateten Firmen und der hier arbeitenden Menschen nachvollziehen“, sagte Walther.
Der bisher unbeantwortete Brief der IVO vom 21. Juli 2017 an Minister Tarek Al-Wazir hat folgenden Wortlaut:
>Verkehrsinfrastrukturelle Anbindung der Wirtschaft des Odenwaldkreises
Sehr geehrter Herr Minister Al-Wazir,
wir, die Industrievereinigung Odenwald e.V. (IVO), möchten hiermit die Gelegenheit ergreifen, Ihnen nachdrücklich ans Herz zu legen, dass von Seiten der Landespolitik die im Bundesverkehrswegeplan festgeschriebenen, die Verbesserung der Verkehrsanbindung des Odenwaldkreises betreffenden Verkehrsinfrastrukturprojekte, mit Nachdruck verfolgt werden.
Die IVO repräsentiert auf lokaler Ebene die Interessen von mehr als 170 Unternehmen verschiedenster Größenklassen mit Sitz bzw. Entwicklungs- und Produktionsstandort im Odenwaldkreis. Unsere Mitgliedsunternehmen beschäftigen aktuell rd. 16.000 Menschen, mit steigender Tendenz. Wir vertreten die Interessen erfolgreicher Niederlassungen weltweit tätiger Großkonzerne, von Familienunternehmen und spezialisierten Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben. Hierzu zählen u.a. die Pirelli Deutschland GmbH, LY-Holding GmbH, Bosch Rexroth AG, Rowenta Werke GmbH und Koziol ideas for friends GmbH.
Bei den im Bundesverkehrswegeplan als vordringlich eingestuften Projekten handelt es sich um die Folgenden:
B 45: 4-spuriger Ausbau zwischen Dieburg und Groß-Umstadt
B 38: Ausbau der Ortsumgehungen bei Groß-Bieberau (Kreis Darmstadt-Dieburg), Rimbach und Fürth/Lörzenbach sowie Mörlenbach (beide Kreis Bergstraße).
Vor dem Hintergrund der für die Wirtschaft des Odenwaldes dringend notwendigen Verbesserung der verkehrsinfrastrukturellen Anbindung, insbesondere an das Rhein-Main Gebiet, haben wir Ihre jüngste Mitteilung über eine Verschiebung der obigen Projekte über den Planungshorizont des Jahres 2021 hinaus mit großer Enttäuschung aufgenommen.
Wir können diese Entscheidung aus Sicht der im Odenwald beheimateten Unternehmen und der dort arbeitenden Menschen nicht nachvollziehen.
Wir bitten Sie in diesem Zusammenhang eindringlich Ihre dahingehende Entscheidung zu überdenken. Wir ersuchen Sie Lösungen zu schaffen, so dass der für die Projektverschiebung ursächlich genannte Engpass an Planungskapazität bei Hessen-Mobil überwunden wird. Dies sollte durch Schaffung von zusätzlicher Planungskapazität oder der Überarbeitung der Projektrangfolge zu Gunsten einer zukünftig verbesserten verkehrsinfrastrukturellen Anbindung des Odenwaldkreises erfolgen.
Die Wirtschaft der Region und damit auch Ihre Beschäftigten benötigen in dieser Angelegenheit Ihre dringende Unterstützung!
Wir als IVO erleben jeden Tag, mit welchem außerordentlichem Einsatz die Menschen in der Region kontinuierlich und über das von der öffentlichen Hand Erwartbare hinaus sehr viel bewegen; dem gemeinsamen Ziel verbunden, den Odenwaldkreis trotz des aktuell erheblichen verkehrsstrukturellen Standortnachteiles als wichtigen Wirtschaftsstandort in der Metropolregion Rhein-Main als relevant zu etablieren.
Aktuelle Ergebnisse zeigen, daß der Nutzen für die Region nicht auf sich warten lässt:
Es gibt aktuell so viele Arbeitsplätze im Odenwald wie noch nie: 27.000 laut Veröffentlichung der FAZ vom 19.4.2017.
Dies bei hohem Engagement der Unternehmen und deren Mitarbeiter insbesondere auch im Bereich Aus- und Weiterbildung. Weiter gibt es täglich 15.000 Einpendler in den Landkreis!
Der Odenwaldkreis hat die niedrigste Arbeitslosenquote in Südhessen: 4,9%. (Veröffentlichung in Echo-Online vom 6.7.2017)
Hohe Investitionstätigkeit der Unternehmen im Odenwald:
Die jährlichen Investitionen von einzelnen Unternehmen im Odenwald sind mitunter in vergleichbarer Höhe mit der von der Landesregierung geforderten einmaligen Investition in den Straßenausbau der B45 zwischen Dieburg und Groß-Umstadt.
Zielgerichtetes Engagement der lokalen Politik:
Die Aktivität der Vertreter der öffentlichen Hand beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur, der Qualität des Schulangebots und dem öffentlichem Personennahverkehr wird von der IVO in höchstem Maße geschätzt.
Engagement für die Aus- und Weiterbildung:
Durch gemeinsame Aktivität von IVO und Kreisverwaltung wurde die Ausbildungs- und Weiterbildungsinitiative erfolgreich ausgeweitet. Dies u.a. durch Schaffung von stark frequentierten Ausbildungsmessen diverser Formate, digitalem Angebot der verfügbaren Ausbildungsplätze, privat finanzierten Auslandsstipendien für Odenwälder Abiturienten und dem neuesten Odenwaldprojekt, dem „House of Kautschuk und Kunststoff“.
Die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung der letzten Jahre kann sich ohne maßgebende und weiterführende Investitionen in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur nicht fortsetzen. Es besteht aus unserer Sicht und aus der Sicht unserer Mitgliedsunternehmen dringender Handlungsbedarf, um die Voraussetzungen zu schaffen, die gegenwärtig gute wirtschaftliche Lage mittel- und langfristig abzusichern und auszubauen.
Die Odenwälder Wirtschaft ist in besonderem Maße auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur angewiesen:
57% der Arbeitsplätze im Odenwaldkreis sind in Produktionsbetrieben oder in industrienahen Dienstleistungsunternehmen.
Der Odenwaldkreis ist aus Beschäftigungssicht in erster Linie ein Industriestandort. Diese Erkenntnis ist entscheidend. Diese Erkenntnis ist wesentlich, um auch standortpolitisch die richtigen Entscheidungen seitens der hessischen Landesregierung treffen zu können.
Eine Vielzahl der Odenwälder Unternehmen zählen in Ihren Nischenbereichen zur Weltspitze und sind dadurch permanent internationalem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Um im Wettbewerb bestehen zu können, sind diese Unternehmen auf die bestmöglichsten Standortbedingungen angewiesen. Die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbskraft unserer Unternehmen liegt sicher im ureigensten Interesse der hessischen Landespolitik.
Einer leistungsfähigen Verkehrsanbindung des Odenwaldkreises an den Landkreis Darmstadt-Dieburg kommt in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen eine maßgebliche Bedeutung zu. Die B 45, als zumeist wichtigste Verbindung zu Lieferanten, dem Produktionsstandort-Odenwaldkreis und den anliegenden Logistikzentren im Kreis Darmstadt-Dieburg, ist somit auch Teil des Industriesystems Odenwald. Dieser Rolle wird die Verkehrsanbindung heute nicht gerecht.
Stundenlanger Stop-und-Go-Verkehr zu den Hauptverkehrszeiten kosten viel Produktivität und belasten die Umwelt über Gebühr. Daher gilt es hier die Möglichkeiten innerhalb des vom Bund genehmigten Rahmens unbedingt umzusetzen.
Wir bitten Sie anzuerkennen, dass nach einer Phase der erfolgreichen Bearbeitung anspruchsvoller Hausaufgaben durch die lokalen Instanzen in den letzten Jahren, wie z.B. der erfolgreichen Umsetzung der Breitbandanbindung, der hohen Investitionstätigkeit durch die ansässige Unternehmen und der sehr guten Arbeit in den Schulen und der Ausbildungsarbeit in den Betrieben, es nun vordringlich ist, auch in unserem ländlich geprägten Raum durch die Umsetzung fokussierter Projekte eine wettbewerbsfähige Verkehrsinfrastruktur aufzubauen.
Wir ersuchen Sie daher als verantwortlichen Minister, die aktuelle Projektliste der Bundesstraßenbauprojekte so zu überarbeiten, dass zuverlässig und schnell an einer Verbesserung der verkehrsinfrastrukturellen Anbindung des Odenwaldkreises gearbeitet wird:
Der Ausbau der Anbindung des Odenwaldkreises an das Rhein-Main Gebiet über die Achse B45 zwischen Dieburg und Groß-Umstadt hat hier für die Odenwälder Unternehmen oberste Priorität!
Wir laden Sie gerne ein, mit uns und unseren Mitgliedsunternehmen die Sorgen der Odenwälder Unternehmen hinsichtlich der Zurückstellung der Priorisierung der den Odenwaldkreis betreffenden Verkehrsinfrastrukturprojekte zu diskutieren. Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung und stehen Ihnen gerne für Rückfragen zur Verfügung. Bitte zögern Sie nicht, uns anzusprechen!
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Walther; Christian Mühlhäuser
1. Vorsitzender Industrievereinigung Odenwaldkreis e. V.; Geschäftsführender Vorstand Industrievereinigung Odenwaldkreis e. V.<
Das Schreiben ging in Kopie an die Landtagsabgeordneten Rüdiger Holschuh (Beerfelden) und Judith Lannert (Reichelsheim), die Bundestagsabgeordneten Patricia Lips (Rödermark) und Dr. Jens Zimmermann (Groß-Umstadt), den Landrat des Odenwaldkreises Frank Matiaske (Erbach), den Vorsitzenden des DGB-Kreisverbandes Odenwald Harald Staier (Höchst), Stephan Koziol (Koziol ideas for friends GmbH, Erbach), Michael Wendt (CEO Pirelli Deutschland GmbH, Breuberg), sowie alle Vorstandsmitglieder der Industrievereinigung Odenwaldkreis e.V. zur Kenntnisnahme.