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„Mut zur Entscheidung“

Pater Anselm Grün signiert viele seiner vom Publikum zahlreich erworbenen Bücher.

DRK-Präsident Georg Kaciala übergibt ein Kaffee-Präsent an Pater Anselm Grün.

Pater Anselm Grün beim Vortrag.

DRK-Präsident des Odenwaldkreises Georg Kaciala und Pater Anselm Grün. Fotos: Michel Lang

Pater Anselm Grün zu Gast beim Roten Kreuz

REICHELSHEIM. - Der Autor von über 300 Büchern mit mehr als 20 Millionen Exemplaren in 31 Sprachen ist gläubiger Klosterbruder, gütiger Ratgeber und ein beispielhafter Humanist.

Doch an ihm scheiden sich auch die Geister. Viele stoßen an ihre Grenzen, wenn sie sein Wesen verstehen möchten. Denn der gelernte Betriebswirt hält Aktien an der Börse, liebt den Handel und den Erfolg.

Zeitgemäß bietet er in seinen Vorträgen moderne und weltliche Spiritualität an, was die katholische Amtskirche ärgert. Mancher hält ihm einen Hang zur Esoterik und zur Küchenpsychologie vor. Alles, was er sagt, scheint zu passen.

Pater Anselm Grün (77) versteht sich als toleranter Lebensberater. Häufig wird er von großen Wirtschaftsunternehmen gebucht. Die Marke schlägt ein. Auch heute noch, nach weit über 40 Jahren seit Erscheinen seines ersten Buches. Seine Ratgeber, Seminare und Vorträge boomen.

Am vergangenen Mittwoch war der bescheidene Erfolgsmensch und gelassene Mitbürger auf Augenhöhe zu Gast beim Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes in der vornehmlich mit Frauen besetzten Reichenberghalle gewesen.

„Mut zur Entscheidung“ hieß das Thema des Vortrags jenes patenten Benediktinerpaters aus der Abtei Münsterschwarzach, der auf Initiative der DRK-Selbsthilfe bereits zum zweiten Mal auf Einladung der Hilfsorganisation referierte.

Dabei garnierten eingestreute Bibelzitate seinen einstündigen Vortrag, doch das Salz in der Suppe waren praktische Handreichungen für das im Hier und Jetzt stattfindende Leben. Sind andere mit meinen Entscheidungen einverstanden? Was denken sie?

Fragen, die der Pater ganz hinten anstellt. „Folge dem eigenen Selbst aus deiner inneren Mitte heraus“, riet er den Zuhörern und ermutigte sie, das oft unterdrückte Bauchgefühl auch mal über den ach so dominanten Verstand zu stellen.

„Intuition muss kein Irrweg sein!“ Und selbst wenn: „Menschen wollen immer die absolut richtige Entscheidung treffen, die man nicht kritisieren kann. Aber es gibt keine absolut richtige Entscheidung. Mancher Umweg erhöht die Ortskenntnis. Entscheidungen dürfen auch revidiert werden“, empfahl der Pater.

„Du musst die Vaterstimme sterben lassen, damit du dein Leben führen kannst.“ So könne sich keiner ewig auf andere beziehen und diesen die Schuld für seine Lebenssituation anlasten.

Eigenverantwortlichkeit als starkes Argument für ein erfolgreiches und zufriedenes Leben hält Grün für unumgänglich. Wer stets abgebe, gebe auch auf. Dabei können Entscheidungen auch einsam machen.

„Ihr Mönche müsst betrauern, dass ihr keine Frau habt. Ich muss betrauern, dass ich nur diese eine habe“, zitierte Anselm Grün humorvoll einen Psychologen, der bei ihm in einer Gesprächsrunde war.

Dabei legt der Geistliche offen, was jeder im tiefen Innern eigentlich selbst weiß, macht diese Gefühle transparent und holt sie verbal an die Oberfläche. Eines der Geheimnisse seines Erfolges?

Heute tue man sich schwer mit der Begrenztheit des Lebens. Man könne aber nicht alles haben. Sekt oder Selters? Kritisierbar werde man immer bleiben, egal wie man sich entscheide.

Dabei solle man das Nachtrauern klein halten und zu seinem gefassten Entschluss stehen: „Denn Nachtrauern entzieht uns alle Energie“, diagnostizierte Anselm Grün. Konfliktscheue führe niemals zum Ziel. Es gelte, dem eigenen Vertrauen zu trauen.

Manchmal helfe vor wichtigen Entscheidungen auch die berühmte Nacht des darüber Schlafens. So mache man sich freier und entscheidungsfreudiger. Dabei sei das Hören auf das Gewissen ein wesentlicher Punkt.

Konkretisierte und verbalisierte Allgemeinplätze könnte man meinen. Der antiautoritäre Pater überzeugt durch Autorität. „Er arbeitet mit sanften Befehlen, ohne dass man die als solche erkennt“, schreibt die Journalistin Christiane Florin und der Publizist Alan Posener unterstellt ihm gar eine Kuscheltheologie.

Sei es, wie es will. Anselm Grün spricht eine klare Sprache und verhilft vielen zu innerer Ruhe und Gelassenheit. Somit ist dieser menschliche Mönch und charismatische Therapeut ein weltlich orientiertes Zugpferd für sinnsuchende Bürgerinnen und Bürger.

Dabei hebt er nicht den Zeigefinger oder droht mit der Hölle. Nein, er drückt deren heiße Temperaturen massiv herunter.

Die Entscheidung gekommen zu sein, wurde allen Anwesenden durch Grüns empathischen und mutigen Vortag als richtig bestätigt. Mut zu Entscheidung hatte aber auch das Rote Kreuz bewiesen.

Schließlich konnte nur teilnehmen, wer sich wegen der hohen Inzidenzen vor Ort kostenlos auf Corona testen ließ. Auch wurde das Tragen einer FFP2-Maske anstandslos akzeptiert.

„Vielen Dank für die Bürgertests. Das Rote Kreuz hat uns über eine große Unsicherheit hinweggeholfen“, lobte Bürgermeister Stefan Lopinsky in seinen Grußworten.

DRK-Präsident Georg Kaciala dankte dem Referenten mit einer Wegzehrung aus lokaler Erzeugung und freute sich auf ein baldiges Wiedersehen.

Unterstützt wurde die Veranstaltung bei freiem Eintritt von der AOK Hessen. Die Video-Aufzeichnung des Vortrags ist in Kürze über den Youtube-Kanal des DRK-Odenwaldkreis abrufbar.