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Wiesen von unschätzbarem Wert

Welche Naturvielfalt der Flurbereich „Gräsig“ in Michelstadt bietet, das vermittelten die beiden ehemaligen Gymnasial-Lehrer Werner König und Karlheinz Diehl (von rechts) bei einer Geopfad-Wanderung. Foto: Ernst Schmerker

Gräsig-Exkursion nach zwei Coronajahren mit Karlheinz Diehl und Werner König

MICHELSTADT. - Trotz des schwül-heißen Wetters hatte sich am Donnerstag ein munteres Trüppchen am Parkplatz des Friedhofs zur Gräsig-Exkursion mit den ehemaligen gymnasialen Lehrern Karlheinz Diehl und Werner König eingefunden.

Noch ehe sich die Gruppe auf den seit 2006 bestehenden Geopfad-Weg machte, erklärte Diehl an zwei Farnarten den Begriff eines Biotops als standortübliche Pflanzen.

Im Flurbereich Kirchberg wurde der Unterschied zwischen intensiv genutzten und ungedüngten, naturbelassenen Wiesen verdeutlicht.

Die Wegstrecke führte durch ein Gelände mit großen Beständen des Kalkmagerrasens, der seine Entstehung dem Phänomen des Erbach-Michelstädter Grabenbruchs verdankt. Durch diesen erdgeschichtlichen Vorgang im mittleren Mümlingtal blieb der über dem Buntsandstein liegende Muschelkalk erhalten.

Der Grabenbruch ist vergleichbar mit der Entstehung des Rheingrabens vor etwa 50 Millionen Jahren. Um Michelstadt und Erbach gibt es etliche Stellen, an denen der Muschelkalk zu Tage tritt.

Auch die Erdbachversickerung und der unterirdische Lauf des Kiliansfloßes an der Stockheimer Eiche verdanken ihre Entstehung dem Muschelkalk. Das Wiesengelände zu beiden Seiten des Geopfads hat einen kalkhaltigen Untergrund, den ganz spezielle Pflanzenarten lieben.

Solche Biotope gibt es im Mümlingtal sonst nirgends. Im Mai blüht dort besonders auffällig der Wiesensalbei, der als Indikatorpflanze gilt. Aber auch Klappertopf, Hauhechel, Bocksbart und Skabiosenflockenblume sind typische Vertreter des Kalkmagerrasens.

Die beiden ortskundigen Führer machten auf den besonderen Wert dieser Pflanzengesellschaften aufmerksam. Auch für Insekten wie Schmetterlinge, Wildbienen, Schwebfliegen sind die Blumenwiesen lebensnotwendig.

Wissenschaftler weisen seit Jahren auf den dramatischen Artenrückgang oder Verlust an „Biodiversität“ hin. Die politischen Mandatsträger von Michelstadt könnten sich mit dem Schutz und der Erhaltung der Wiesen am Kirchberg in Sachen Artenschutz einen guten Namen machen, so die Überzeugung von Diehl und König.

Seit 1990 würden Naturschutzverbände wie NABU und die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz auf den unschätzbaren Wert dieser Wiesen aufmerksam machen. Ein Antrag auf Unterschutzstellung sei im Jahr 1995 von der Behörde abgelehnt worden.

Das Gelände sei zwar schutzwürdig, aber nicht schutzbedürftig, so die damalige Begründung. Vom Jahr 2000 bis zur Gründung der Geopark-Bewegung 2006 war das Gebiet Michelstadt Ost Hauptthema der Agendagruppe Ökologie, die ihr Wissen dem Geopark zur Verfügung stellte.

Dies führte letztendlich zur Einrichtung und Streckenfestlegung des Michelstädter Geopfads „Landschaft im Wandel“. Im Jahr 2019 startete Werner König zusammen mit dem Diplombiologen Kai Teubner einen erneuten Versuch, für die Wiesen einen Schutzstatus zu bekommen.

Aber auch diese Bemühungen blieben erfolglos. Als besonderer Höhepunkt und Abschluss der Geopark-Führung erwies sich der Kalksteinbruch mit dem sogenannten Triasfenster. Hier erklärten die beiden Experten anhand des Muschelkalks, wie Urgeschichte in Steinen belegbar wird.

So war im Verlaufe von 400 Millionen Jahren der Odenwald einmal Hochgebirge, dann eine wüstenartige Landschaft oder gar ein Binnenmeer.