Neue Eigentümer sanieren Villa Kalkhof
MICHELSTADT. - Wer sich mit der jüngeren Geschichte von Michelstadt befasst hat, weiß mit dem Begriff Kaltwasseranstalt etwas anzufangen. Der Finger zeigt auf das Gebäude in der Frankfurter Straße, in dem seit 1977 die Stadtverwaltung ihren Sitz hat.
Es ist zwar richtig, dass das Stadthaus von 1850 an für einige Jahre als Sanatorium genutzt wurde. Doch die Geschichte der Kaltwasseranstalt von Michelstadt reicht noch weiter zurück auf ein Gebäude, das dem Jahr 1629 zugeordnet wird.
Die Rede ist von der „Villa Kalkhof“, die einst als gräflicher Gutshof errichtet wurde. Fast 400 Jahre später weist ein modernes Baugerüst darauf hin, dass wieder Handwerker Hand anlegen.
Gemeinsam mit den neuen Eigentümern setzen sie derzeit alles daran, das denkmalgeschützte Objekt originalgetreu herzurichten und mit zeitgemäßen Wohnungen auszustatten.
Schon die Lage ist bemerkenswert. Das Grundstück grenzt an drei Straßen an, was eine Betrachtung aus mehreren Perspektiven erlaubt. Der schlichte, klassizistische Bau steht an der Straßenecke, an der die Schulstraße, Waldstraße und d’Orvillestraße aufeinandertreffen.
Zur Geschichte der „Villa Kalkhof“ weiß Susan Breitenbach vom Stadtarchiv zu berichten: „Der Name rührt von dem hier gebrannten Kalkstein her. 1838 wurde das Anwesen vom Bierbrauer Georg Friedlich Häußler gekauft und 1844 vom späteren Bürgermeister Karl Heinrich Hieronymus.
Im selben Jahr wurde das Anwesen vom Arzt Dr. Christian Scharfenberg gekauft, der dort eine Kaltwasserheilanstalt einrichtete. In unseren Faszikeln findet sich der Eintrag von 1846:
„Gesuch des Gastwirts August Büchner um Mehrabgabe von Wasser zur Einrichtung eines Bades für die Kurgäste der Kaltwasseranstalt des Dr. Scharfenberg“. Diese zog bereits aufgrund hoher Nachfrage 1849/50 um. Von 1940 bis 1969 war in dem Gebäude ein Kindergarten eingerichtet.
Auch wenn der „schlichte, klassizistische Bau zu drei Stockwerken mit Zwerchhaus, im Kern wohl noch 18. Jahrhundert“, wie er im Denkmalverzeichnis des Landesamts für Denkmalpflege beschrieben wird, nur wenige Jahre als Sanatorium genutzt wurde, steht die Villa für den ersten Sitz der Kaltwasseranstalt.
Der Michelstädter Arzt Karl Friedrich Christian Scharfenberg hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Im Denkmalverzeichnis heißt es über seine Person: „Er betrieb dort Wasserheilkunde und war sowohl Gräflich Erbach-Fürstenauischer Leibarzt als auch Kreisarzt des Kreises Erbach.“
Bemerkenswert: Zeitlich wird die Gründung der Kaltwasserheilanstalt („nördlich außerhalb des Stadtkerns“) einer neuen Epoche zugeordnet.
Im Hessischen Städteatlas Michelstadt, der 2005 vom Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Marburg) herausgegeben wurde, wird diese mit den „Auswirkungen der Industrialisierung und die Übernahme moderner Wirtschafts- und Arbeitsformen“ beschrieben am Beispiel des 1831 gegründeten Hammerwerks mit Eisenhütte und Gussstahlproduktion und den ersten Schritten einer bescheidenen Textilindustrie in Form einer Manufakturwarenfabrik und dem Betrieb einer Wollmaschinenspinnerei.
Jüngst erworben haben das zuvor mehrere Jahre leerstehende Gebäude die Brüder Christian und Dr. Felix Mühlhäuser. „Wir sind als Kinder täglich auf dem Schulweg an diesem gewaltigen Gebäude vorbeigekommen.
Nun, seitdem wir wissen, wie geschichtsträchtig das Haus ist, freut sich mein Bruder mit mir, dass es uns vergönnt ist, dieses Gebäude zusammen mit den beauftragten Firmen herzurichten“, stellt Christian Mühlhäuser die Pläne vor.
Beim Rundgang durch die Räume erklärt er: „Im Inneren des Gebäudes entstehen sieben Wohnungen, die Mitte des kommenden Jahres bezugsfertig sein sollen.“
Helle Räume, Holzböden und die sichtbaren historischen Konstruktionsbalken werden ein angenehmes Raumgefühl erzeugen.
Eine besondere Herausforderung sei es gewesen, die denkmalgeschützte Holztreppe mit ihrem gusseisernen Geländer zu erhalten, „denn sie war in allen Dimensionen verwunden“.
Der ebenfalls denkmalgeschützte gusseiserne Balkon auf der Südseite wurde zwischenzeitlich durch einen örtlichen Schlossermeister restauriert und wird in Kürze montiert.
Sämtliche Fenster sind aus Eichenholz. Sie wurden erneuert und denkmalgerecht in weiß lackierter Eiche gestrichen, baufällige Sandsteineinfassungen wurden durch Material aus Odenwälder Sandstein ersetzt.
Auf der Höhe der dritten und vierten Etage haben Handwerker handgefertigte, in Sandfarben gestrichene Schindeln angebracht. Restauriert wurde auch die Original-Eingangstür aus Eichenholz.
„Natürlich ist eine Sanierung eines fast 400 Jahre alten Gebäudes für alle Beteiligten eine Herausforderung“, macht Mühlhäuser deutlich. Lob zollt er der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Bauamt für die konstruktive Zusammenarbeit.
Letztlich gehe es auch darum, „dass die sanierte Villa Kalkhof zukünftig auch unsere Heimatstadt schmückt“. Und: „Wir hoffen, dass die zukünftigen Bewohner gerne in diesem historischen Haus wohnen und auch wieder Kinder auf dem grünen Grundstück spielen werden.“
Zur Geschichte gehört nämlich auch, dass es zeitweise als städtischer Kindergarten genutzt wurde. Dies war von 1940 bis 1969, bevor das Haus in private Hände übergegangen ist.