Ein ganzes Berufsleben für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum
Elsbeth Kniß hat den Odenwald stark geprägt – nun geht sie in den RuhestandODENWALDKREIS / REICHELSHEIM. - In den letzten Tagen ihrer Dienstzeit wirkt Elsbeth Kniß so wie ihr ganzes Büro: aufgeräumt.
Nicht, dass es dort je unordentlich ausgehen hätte. Aber sie hat dienstliche Unterlagen und persönliche Dinge noch einmal sortiert und verstaut. Man merkt dem Raum im Dienstsitz der Hauptabteilung Ländlicher Raum, Veterinärwesen und Verbraucherschutz in Reichelsheim geradezu an, dass ein Personalwechsel bevorsteht.
Gut 21 Jahre hat Elsbeth Kniß die Hauptabteilung geleitet. Am 30. April, ging sie auf eigenen Wunsch vorzeitig in den Ruhestand. „Alles hat seine Zeit. Ich schließe mein Berufsleben ab, und eine neue Phase beginnt“, sagt die Einundsechzigjährige genauso nüchtern wie neugierig. Aufgeräumt eben. Pläne für die nächsten Jahre hat sie nicht. „Ich lasse mich finden.“
Es scheint, als beschere ihr der Ruhestand (ein Wort, das sie nicht mag) ein neues Lebensmotto. Denn ihren bisherigen Weg ist sie sehr zielstrebig gegangen. Angefangen vom Studium der Agrarwissenschaften in Gießen über mehrere Tätigkeiten in Landesbehörden bis zur Bestellung zur Leiterin des Amts in Reichelsheim im Jahr 1997.
Damals war auch dieses Amt noch eine Dienststelle des Landes Hessen. Seit 2005 gehört sie zum Odenwaldkreis.
39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um Landwirtschaft, Landwirtschaftliche Förderung, Landschaftspflege und Naturschutz, Dorf- und Regionalentwicklung sowie um Veterinärwesen und Verbraucherschutz.
Ein breites Feld. Das hat Kniß nie geschreckt. Nur ins Feld Veterinärwesen und Verbraucherschutz musste sie sich einarbeiten, als es 2011 Teil ihrer Hauptabteilung wurde. In allen anderen Gebieten ist Kniß schon seinerzeit lange zuhause gewesen. Dabei lag ihr die besonders Frage einer zukunftssicheren Regionalentwicklung am Herzen.
Kniß ist Realistin genug, um zu wissen, dass sie bei allen Anstrengungen den Strukturwandel in der Landwirtschaft nicht gänzlich aufhalten oder gar zurückdrängen konnte.
„Die Preise für die landwirtschaftlichen Güter stimmen einfach nicht“, kritisiert sie. Umso mehr war sie mit vielen Akteuren laufend im Gespräch, um diesem Trend etwas Wirksames entgegenzusetzen – mit Landwirten etwa, Direktvermarktern, Unternehmen, Touristikern und Kommunen.
So hat Elsbeth Kniß das Gesicht des Odenwaldkreises stark mitgeprägt. Zum Beispiel dadurch, dass sie landwirtschaftlichen Betrieben half, ihr Angebot zu erweitern, um zu überleben, etwa durch den Aufbau einer Direktvermarktung oder das Programms „Ferien auf dem Bauernhof“.
„Die Strategie der Diversifizierung war und ist eine Erfolgsgeschichte und muss fortgesetzt werden, denn der Strukturwandel ist noch nicht zu Ende“, mahnt Kniß. „Unerlässlich dabei ist, auf den Vertrieb regionaler Produkte zu setzen. Regionalität ist inzwischen fast genauso wichtig wie das Bio-Label. Wir haben dafür im Odenwaldkreis sehr gute Voraussetzungen.“
Zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat Kniß den Odenwaldkreis außerdem in etlichen Projekten vorangebracht, zum Beispiel durch die Expertise für das Klimaschutzkonzept, Beiträge für die Broschüre „Lust auf Odenwald“, den engen Austausch mit den anderen Beteiligten im „Leader“-Förderprogramm für den ländlichen Raum und, zuletzt, im Antrag auf Anerkennung als Öko-Modellregion, den der Odenwaldkreis gemeinsam mit dem Kreis Darmstadt-Dieburg Ende Februar bei der Landesregierung eingereicht hat.
Kniß rechnet damit, dass die Bewerbung gute Aussichten auf Erfolg hat. „Das wäre ein schönes Abschiedsgeschenk des Umweltministeriums.“
Neben der Projektarbeit stand das Tagesgeschäft im Mittelpunkt der Arbeit: vor allem die Bewilligung und Vergabe von Fördermitteln für die Landwirtschaft. Rund neun Millionen Euro zahlt Kniß‘ Hauptabteilung in Zusammenarbeit mit der WI-Bank jährlich aus. „Das ist eine wichtige Stütze für unseren Kreis, auch wenn der damit verbundene Verwaltungsaufwand immer größer geworden ist. Das macht es uns als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger nicht gerade leicht. Aber auch die Antragsteller müssen immer mehr Vorschriften und Details beachten.“
Die Nähe zur Landwirtschaft war Kniß quasi in die Wiege gelegt: Sie wuchs in einem Wetterauer Dorf auf einem kleinen Hof auf. Im Agrarwissenschafts-Studium, für das sie von 1975 bis 1980 nach Gießen ging, galt ihr Interesse aber nicht klassischen Fächern wie Tier- oder Pflanzenproduktion. Sie widmete sich dem damals noch neuen Schwerpunkt „Umweltsicherung und Entwicklung Ländlicher Räume“ und legte so die Grundlage für ihren gesamten beruflichen Werdegang, der sie einmal quer durch Hessen führte: von Kassel über Darmstadt, Wiesbaden und Wetzlar bis nach Reichelsheim.
Ein aktuelles Thema lässt Kniß immer wieder an ihre Studienzeit und ihre ersten Berufsjahre zurückdenken: die Rückkehr des Wolfes. „Damals hatte der Naturschutz eine Hochphase. Die Ausweisung vieler Naturschutzgebiete führte zu Konflikten mit Landwirten, die Flächen verloren. Entscheidend für den Ausgleich der Interessen war eine gute Mediation“, schildert sie.
„Und die ist auch heute in der Diskussion über den Wolf dringend nötig. Außerdem müssen Weidetierhalter finanziell deutlich besser unterstützt werden, um ihre Tiere zu schützen.“ Dazu steht sie genauso wie zu ihrer Ablehnung, den Wolf zu bejagen. „Ihn abzuschießen, ist keine Lösung.“ Auch das sind klare Sätze einer aufgeräumten Frau.
Worte zum Abschied von Elsbeth Kniß
Am Freitag, 27. April, wurde Elsbeth Kniß im Sitz ihrer Hauptabteilung in Reichelsheim mit einer Feier in den Ruhestand verabschiedet. Landrat Frank Matiaske war terminlich verhindert, dankte ihr aber heute, am Montag, 30. April, bei einem persönlichen Besuch.
Hier eine Auswahl von Zitaten:
Landrat Frank Matiaske:
„Mit Elsbeth Kniß verliert der Odenwaldkreis eine ausgesprochen zuverlässige wie kenntnisreiche und engagierte Hauptabteilungsleiterin. Sie hat entscheidend zur Entwicklung des Kreises beigetragen und dank ihrer vielen Kontakte dafür gesorgt, dass er als lebens- und erhaltenswerte Region wahrgenommen wurde – sowohl bei den Odenwälderinnen und Odenwäldern selbst als auch bei unseren Nachbarn und in ganz Hessen.“
Oliver Grobeis, Erster Kreisbeigeordneter:
„Frau Kniß hat vieles gestaltet, maßgeblich mit betreut und begleitet, auch über ihre Tätigkeit in Reichelsheim hinaus, zum Beispiel in etlichen Projekten für den Odenwaldkreis und als Sprecherin der Amtsleitungen der hessischen Ämter für Landwirtschaft und Regionalentwicklung. Dafür gebührt ihr großer Dank.“
Kreislandwirt Hans Trumpfheller:
„Es war schön, mit Frau Kniß zusammenzuarbeiten. Sie hat mit ihrem Fachwissen und ihrem großen Engagement eine hohe Messlatte gelegt. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns, so dass auch ihr Nachfolger allerhand Verantwortung haben wird.“
Peter Hofferberth, Kreislandwirt von 2005 bis 2015:
„Die Kollegen aus den Nachbarkreisen haben uns um eine so kompetente Amtsleiterin beneidet. Frau Kniß wird von allen Bäuerinnen und Bauern geachtet und hat einen Namen.“
Heidi Hofmann für die Mitarbeiterschaft der Hauptabteilung:
„Du hast Dich weit über das übliche Maß hinaus für die Weiterentwicklung des ländlichen Raums eingesetzt. Und für die Probleme Deiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hattest Du immer ein offenes Ohr, egal, ob es ein dienstliches oder ein persönliches Problem war.“
Britta Ziefle, Personalratsvorsitzende:
„Jetzt brechen neue Zeiten an, vor allem für Sie, Frau Kniß, aber auch für Ihre langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die lange gewachsene und gut funktionierende Hauptabteilung muss nun ihre Leitung abgeben.“
Petra Karg, Gleichstellungsbeauftragte:
„Was ich an Elsbeth Kniß geschätzt habe, ist unter anderem ihre angenehme Sachlichkeit, ohne dass diese kühl wirkte, ihre Klarheit, die Kompromissfähigkeit einschloss, ihre Verlässlichkeit, ihr offenes Ohr für die Bedürfnisse anderer und der Wille, nach guten Lösungen zu suchen.“