Wörner ruft Unternehmer zum Engagement in Raumfahrt auf
Odenwald-Dialog in Bad König: Akademie-Preis für NachwuchswissenschaftlerinODENWALDKREIS / BAD KÖNIG. - Das Leben und Arbeiten auf der Erde hat sich im Zuge der Raumfahrt Stück für Stück verändert. Was wäre die Wettervorhersage ohne Satelliten? Ohne sie gäbe es auch keine Navigationssysteme, keinen Fortschritt in der Telekommunikation.
Und Johann-Dietrich Wörner, Generaldirektor der European Space Agency (ESA), hat am Montagabend beim Odenwald-Dialog ein weiteres wichtiges Beispiel parat: Erkenntnisse über den Klimawandel.
„Sie gäbe es ohne Informationen aus dem All nicht.“ Überdies dauert es vermutlich nicht mehr lange, da werden Traktoren ihre Arbeit auf den Feldern allein erledigen, mit der Hilfe von Satelliten. Der Raumfahrtexperte John Lewis sieht diese „Vision“ schon bald erfüllt. „Anfang der 2020er Jahre wird es autonom fahrende Traktoren geben.“
Zu der Veranstaltung hatte die Odenwald-Akademie dieses Mal unter der Überschrift „Raumfahrt 4.0“ in die Wandelhalle in Bad König eingeladen.
Wörner warb vor rund 150 Zuhörern dafür, aber nicht nur darauf zu schauen, wie das Leben auf der Erde von der Raumfahrt profitiert, sondern auch zu fragen, wie auf der Erde entwickelte Produkte und Erkenntnisse in der Raumfahrt genutzt werden können.
Er appellierte an Unternehmer, sich mehr als bisher dafür zu interessieren. „Ich wünsche mir, dass sich die Wirtschaft aus dem Odenwald stärker in diesen Bereich einbringt“, so Wörner. Kristina Sinemus, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Darmstadt, und Thomas Reiter, ESA-Astronaut und einer von Wörners Beratern, unterstützten diese Forderung und riefen Unternehmen dazu auf, Ideen zu entwickeln. „Es gibt viele Anwendungen“, so Reiter.
Dabei nahm er auch Bezug auf die Forschungsarbeiten von Angelika Kern, die zu Beginn der Veranstaltung den Akademie-Preis entgegengenommen hatte. Die Odenwald-Akademie verleiht die Auszeichnung alle zwei Jahre.
Kern hat in ihrer Masterarbeit im Fach Psychologie an der Technischen Universität Darmstadt untersucht, wie der „Aufenthalt“ in durch 3-D-Brillen realisierten virtuellen Welten durch Geräusche angereichert und unterstützt werden kann. Reiter zufolge könnte eine bestimmte Übertragung von Stimmen einem Astronauten helfen, sich zu orientieren, wenn er außerhalb der Raumstation Arbeiten durchführe.
Sollte Kern tatsächlich einen Kontakt zu Raumfahrt-Experten aufbauen, kann ihr die Einschätzung ihres Professors Wolfgang Ellermeier Mut machen: Ihm zufolge hat die „innovative Arbeit“ der Nachwuchswissenschaftlerin ein „großes Transfer- und Anwendungspotential“.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Audio-Komponente die virtuelle Welt überzeugender mache. Kern will das Thema in einer Promotion an der Technischen Universität Darmstadt vertiefen.
Überreicht wurde der mit 2.500 Euro dotierte Preis von Horst Schnur, dem Vorsitzenden des Fördervereins der Odenwald-Akademie. Auch er würdigte Kern als „hervorragende Wissenschaftlerin“. Die Achtundzwanzigjährige stammt aus Höchst und hat ihr Abitur am Beruflichen Gymnasium Michelstadt gemacht.
Kern bedankte sich für Förderung, die sie in ihrer bisherigen Laufbahn erfahren habe und rief alle Verantwortlichen dazu auf, auf die Ideen junger Leute zu setzen und deren Forschungsvorhaben zu unterstützen.
Wörner nannte als Beispiele von Neuheiten, die nicht für die Raumfahrt entwickelt worden, aber für sie schon jetzt wichtig seien, den 3-D-Druck und Nano-Materialien. Außerdem biete die ESA Unternehmen an, im Weltraum Forschungsarbeiten durchführen zu lassen.
Für junge Firmen mit innovativen Ideen hat die ESA eigene Anlaufstellen eingerichtet, die so genannten Business Incubation Centres. Eines davon gibt es auch in Darmstadt, in der Nähe des European Space Operations Centre, des ESA-Satelliten-Kontrollzentrums. Wie Sinemus, so ermunterte auch Landrat Frank Matiaske Unternehmer aus dem Odenwald, Ideen zu entwickeln.
Ein Beispiel für eine enge Kooperation der ESA mit Unternehmen ist die Zusammenarbeit mit dem Darmstädter Unternehmen Merck. Darauf verwies Kai Beckmann, Mitglied der Merck-Geschäftsleitung, und nannte als Beispiele die Bereiche Photovoltaik und Beschichtungen. Ende 2016 hatten die ESA und Merck einen Vertrag zur Förderung von Innovation und Digitalisierung abgeschlossen.
Moderiert wurde der Odenwald-Dialog von Matthias Rehahn, dem für Wissens- und Technologietransfer zuständigen Vizepräsidenten der Technischen Universität Darmstadt. Er hat diese Aufgabe von Wörner übernommen, weil dieser zu den Diskutanten gehörte. Wörner moderiert die Odenwald-Dialoge schon seit elf Jahren. Landrat Matiaske dankte ihm für sein „unermüdliches Engagement“.
Der ESA-Generaldirektor warb eindringlich dafür, in Europa weiter in die Raumfahrt zu investieren und verwies auf deren völkerverbindendes Potential. Gemeinsam mit Reiter hob er hervor, wie „verletzlich“ die Erde sei, was aus dem All besonders gut zu sehen sei, und rief dazu auf, sorgsam mit ihr umzugehen.