Auf der Suche nach den Wurzeln
Die in Texas lebende Enkeltochter von Arno Bick besuchte MichelstadtMICHELSTADT. - Das Haus Pestalozzistraße 16 in Michelstadt erhielt am 26. Mai Besuch aus der großen weiten Welt.
Debbie Bick, die in Austin/Texas lebende Enkeltochter von Arno Bick (*29.01.1885), dem Erbauer dieses herrschaftlichen Anwesens, standen Tränen in den Augen, als sie zum ersten Mal das ehemalige Haus ihrer Famile betrat.
Die frühere Großküche ist seit den 1990er Jahren die Wohnung von Dr. Löhr, der die Besucher sehr freundlich empfing.
Debbie Bick sah nun mit eigenen Augen die Räumlichkeiten dieser Großküche, in der ihre Großmutter Rosa Regina Bick, geb. Bravmann (*12.08.1892) wirkte und die Hausgemeinschaft sich zum Essen traf.
Der Großvater Arno Bick war Lehrer an der Michelstädter Stadtschule und betrieb nebenbei in seinem Haus ein Pensionat für jüdische Knaben. 15 Schüler aus England, USA, Frankreich und anderen Ländern sicherten dem Hausherrn in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit durch daraus resultierende Deviseneinnahmen ein zusätzliches Einkommen.
Über der Großküche befand sich im 1. Stock die Wohnung der Besitzerfamilie, und im Dachgeschoss lagen die Zimmer der Schüler.
Die Familie Bick war in der Michelstädter Gesellschaft völlig integriert, aber bereits am 1. April 1933 änderte sich die Situation dramatisch: Arno Bick wurde aus dem Schuldienst entfernt, seine Söhne Alfred und Norbert durften nicht weiter zur Schule gehen.
Mit der Beschimpfung „Saujuden haben hier keinen Platz“ verwies Schulleiter Ernst Saal den älteren Sohn Alfred des Gymnasiums. Die Familie Bick zog daraufhin nach Darmstadt, wo es Arno Bick noch erlaubt war, jüdische Kinder zu unterrrichten.
Mit dem Einkommen aus dieser Tätigkeit konnte die Familie bescheiden leben. Sein Haus in der Pestalozzistraße mußte Arno Bick unter Zwang und mit großem Verlust verkaufen.
Heinz-Otto Haag, Initiator der Michelstädter Stolperstein-Initiative, erinnerte mit seinem Buch „Ich gebe ihnen einen Namen“ an die Familien der Michelstädter Holocaust-Opfer und befasste sich danach mit den überlebenden Michelstädter Juden, die durch Flucht und Emigration dem Naziterror entkommen waren.
Werner König unterhielt in den 1990er Jahren regelmäßig Schriftverkehr mit Arno Bicks ältesten Sohn Alfred in Israel, der jedoch mit Alfred Bicks Tod 1998 endete.
Durch Hinweise in diesem erhaltenen Schriftverkehr gelang es Heinz-Otto Haag, vor zwei Jahren die Spur zu Alfreds jüngerem Bruder Norbert aufzunehmen, der inzwischen als Wirtschaftsprüfer (CPA) in den USA lebte.
Norbert Bicks Tochter Debbie nahm nun dankbar die Gelegenheit wahr, auf einer Europareise die Heimat ihrer Vorfahren kennenzulernen. Bürgermeister Dr. Tobias Robischon hieß Debbie Bick und ihren Ehemann Frank in Michelstadt willkommen und lud im Namen der Stadt das Ehepaar für zwei Übernachtungen mit Frühstück ein.
Auch Bad Königs Bürgermeister Axel Muhn freute sich, die Nachfahrin der Familie Bick kennenzulernen, denn in Bad König liegen vier Stolpersteine für Debbies Onkel Jakob und dessen Familie.