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„#LandNeuDenken: Regionales Bauen – ein Fundament für die Zukunft?“

Am Odenwald-Dialog zum Thema „Regionales Bauen“ beteiligten sich: Wilhelm Gebhard (Bürgermeister von Wanfried), Jutta Brod (Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden), Moderator Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner (Präsident von Acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, München), Prof. Dipl.-Ing. Kerstin Schultz (Architektin BDA, Fachbereich Architektur an der Hochschule Darmstadt), Axel Engelhardt (Geschäftsführer der E. Engelhardt GmbH + Co. KG Hausbau, Erbach) und Frank Matiaske (Landrat des Odenwaldkreises, von links). Foto: Manfred Giebenhain

Podiumsgäste diskutieren: Großer Zuspruch beim Odenwald-Dialog der Odenwald-Akademie

ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Welches Instrument eignet sich am besten dafür, „Fragen des globalen und lokalen Wissenschafts- und Technologietransfers aus einem renommierten Technologiestandort in einen ländlichen Raum“ zu transportieren?

Antworten auf diese Frage dürfen als Geburtsstunde der Odenwald-Akademie bezeichnet werden. Dies geschah im Jahr 1988. Gestellt hatte sie sich der damalige Landrat des Odenwaldkreises, Horst Schnur, um mit dem Präsidenten der TU Darmstadt, Professor Helmut Böhme, in Kontakt zu treten.

Teil der Antwort ist der Odenwald-Dialog, ein bewährtes Instrument, Fachkompetenz zu wichtigen Themen der Zeit zu Wort kommen zu lassen und darüber mit einem interessierten Publikum in Austausch zu treten. Diese fruchtbare Zusammenarbeit hat bis heute Bestand, immer wieder mit neuen und aktuellen Themen.

Am Mittwoch, 24. Mai, widmete sich in Michelstadt ein aus sechs Fachleuten zusammengesetztes Podium der spannenden Fragestellung „#LandNeuDenken: Regionales Bauen – ein Fundament für die Zukunft?“

Als der Bürgermeister von Wanfried, Wilhelm Gebhard, sich 2009 gemeinsam mit einer fachkundig besetzten Bürgergruppe auf den Weg machte, in der nordhessischen Kleinstadt systematisch Leerstände und vom Verfall bedrohte Immobilien unter die Lupe zu nehmen, sah die Welt noch etwas anders aus.

Einfach war es für den engagierten Bürgermeister und seine Mitstreiter dennoch nicht, für jedes der seinerzeit 21 in Frage kommenden Gebäude den passenden Interessenten zu finden, der zu einer lohnenden Instandsetzung bereit war.

Teil der Erfolgsstory war eine breit angelegte Werbeaktion, die sogar Käufer aus Niederlande in das Werratal gelockt hatte. In seinem Input-Vortrag stellte Gebhard vor, wie bürgerschaftliche Anstrengungen und Verwaltungshandeln Hand in Hand eine Kommune voranbringen können.

Dabei herausgekommen ist nicht nur ein schmuckes Ortsbild. Die bis ins Ausland vorgedrungene Medienaufmerksamkeit hat die 4.200 Seelen-Kleinstadt ĂĽber Grenzen hinweg bekannt gemacht.

Zugelegt haben seitdem nicht nur die Einwohnerzahlen, sondern auch die touristischen Übernachtungen und Gewerbesteuereinnahmen. Gebhard, von Haus aus Betriebswirt und bis zum Amtsantritt 2007 im Außendienst tätig, weiß, worauf es ankommt: „Die Kommune hat die Pflicht, gesellschaftliches Engagement zu unterstützen.“

So sehen es auch Landrat Frank Matiaske, der an die intensive Bürgerbeteiligung bei der Erstellung des Kreisentwicklungsplans erinnerte, und Prof. Dipl.-Ing. Kerstin Schultz (Architektin BDA, Fachbereich Architektur an der Hochschule Darmstadt), die ihr Fachwissen seit etlichen Jahren für zukunftsfähige und alternative Wohnformen im ländlichen Raum zur Verfügung stellt.

„Bestand sichern bedeutet Vielfalt erhalten“, überschrieb sie ihr Plädoyer, möglichst alles dafür zu tun, mit kreativen Ideen auf wandelnde Lebens- und Wohnbedürfnisse zu reagieren. Einbezogen gehörten aber nicht nur ältere Gebäude, sondern auch mitunter überdimensionierte und weniger ästhetisch ansprechende Bauten aus den Nachkriegsjahrzehnten.

„Eine Menge des Bestands ist nicht schön“, lenkte sie die Aufmerksamkeit auf mehrgeschossige Einfamilienhäuser, die energetisch problematisch und oft nur noch von einer Person bewohnt seien.

Dienlich erweise sich ein Blick in die Wohnleitlinien des Odenwaldkreises, ergänzte an dieser Stelle Landrat Frank Matiaske: „Es ist klar, dass im Kreis kleine seniorengerechte und barrierefreie Wohnungen fehlen. Viele Senioren sind bereit, ihre viel zu großen Häuser an Familien zu verkaufen, wenn für sie adäquater Wohnraum zur Verfügung stünde“.

„Der Trend zum Neubau hält weiter an“, bestätigte der Geschäftsführer der E. Engelhardt GmbH + Co. KG Hausbau in Erbach, Axel Engelhardt, die Frage von Jan Wörner zum Bauen nach individuellem Geschmack.

Unterstützt wurden seine Forderungen an den Gesetzgeber und die Behörden, flexibler auf die Wahl der passenden Wärmetechnik zu reagieren. Zu begrüßen seien die Erleichterungen zur Installation von Photovoltaikanlagen, so Axel Engelhardt, was auch auf denkmalgeschützte Gebäude zutreffe.

Zu dieser und allen anderen Fragen rund um dieses sensible Thema Rede und Antwort stand Jutta Brod, die im Landesamt für Denkmalpflege Hessen für die Bau- und Kunstdenkmalpflege zuständig ist. „Sie sind die Denkmalschützer“, lautete ihre Handreichung an Immobilienbesitzer.

Es braucht eine aktive Trägerschaft der Bevölkerung, die Identität stiftet und Wertschätzung in die Region strahlt. Weil die Odenwald-Akademie das erkannt hat, organisiert sie am 3. Juli um 19:30 Uhr im Haus der Energie in Erbach die Veranstaltung „#LandNeuDenken: Inspiriert! Powered by PechaKucha“.

Wie im Jahr 2021 im Schlosshof in Erbach, zeigen sich dort Projekte und Initiativen, die neue Akzente setzen – sie erzählen ihre Geschichte in einem besonderen Format: es werden genau 20 Folien gezeigt, die jeweils nach exakt 20 Sekunden weiterlaufen.

Auf dem YouTube-Kanal der Odenwald-Akademie sind vier Beiträge aus dem Jahr 2021 zu sehen. So resümierte damals ein Besucher: „Habe viel über Aktivitäten im Odenwald dazugelernt. Es war sehr inspirierend.“