„Manchmal bin ich die einzige, die noch ins Haus kommt“
Die Corona-Krise und…(5): Realitäten, die Bettina Baumann von der Sozialstation Höchst bei ihren Besuchen begegnenHÖCHST. - Wer in Höchst wohnt, kennt die weiß-gelben Wagen der Sozialstation. In einem von ihnen ist Bettina Baumann unterwegs zu älteren Menschen, um sie zu pflegen. Schon seit mehr als 20 Jahren.
„Ich liebe meinen Beruf sehr“, sagt die Zweiundfünfzigjährige. Wer mit ihr spricht, nimmt ihr das sofort ab. Pflege, das ist für sie mehr als die Gabe von Medikamenten oder das Setzen von Insulinspritzen. Nämlich ganzheitliche Zuwendung. „Das geht auch mit einem eng getakteten Terminplan.“
Gerade in diesen Tagen merkt Baumann, dass sie auch als Gesprächspartnerin gefragt ist.
„Die Klienten bekommen ja kaum noch richtigen Besuch. Ich bin manchmal die einzige, die noch ins Haus kommt. Und natürlich sprechen wir auch über die Krise. Nicht selten muss ich die Klienten aufbauen oder trösten, wenn sie sich sehr alleine fühlen.“
Auch die Nachrichten aus Pflegeheimen gehen den älteren Menschen sehr nahe. „Manche kennen erkrankte oder verstorbene Heimbewohner, und plötzlich ist die Krise sehr nah.“
Auch sonst hat die Krise die Arbeit von Bettina Baumann verändert. Morgendliche Teamrunden gibt es nicht mehr. Jeder Klient muss gewährleisten, dass sie sich zuerst die Hände waschen kann, bevor sie mit ihrer Arbeit beginnt.
„Ich trage zwar einen Mundschutz, unterhalte mich mit dem Klienten während der direkten Pflege aber trotzdem nicht, sondern erst danach, wenn der Abstand wieder größer ist.“
Baumann ist jeden Vormittag unterwegs. Los geht es an der Zentrale der Sozialstation an der Groß-Umstädter Straße in Höchst, vis-à -vis vom Kloster. „Meine Tour ist sehr abwechslungsreich“, sagt sie. Manchmal geht sie für Klienten auch einkaufen oder hat Zeit für einen kleinen Spaziergang.
Auch das gehört zu ihren Aufgaben. Angefangen hatte sie bei der Sozialstation als Hauswirtschafterin, ihrem ersten erlernten Beruf. Weil sie aber in die Pflege wollte, hat sie sich zur Pflegehelferin ausbilden lassen. „Die Arbeit am Menschen liegt mir eben.“
Getragen wird die Sozialstation von einem eigenen Verein mit einem ehrenamtlichen Vorstand an der Spitze. Zum Angebot gehören außer verschiedenen Pflegeleistungen auch ein Mittagstisch für Senioren und ein Gesprächskreis für pflegende Angehörige, die wegen der Corona-Krise ausfallen müssen.
Es gibt außerdem eine Hospizgruppe; in ihr erfolgen die Begleitungen derzeit telefonisch. Zum Team gehören insgesamt 57 Mitarbeiter in Verwaltung, Fachpflege, Pflege sowie Betreuung und Hauswirtschaft.
Baumann fühlt sich von ihrer Pflegedienstleitung gut informiert. „Es gibt ja viele Bestimmungen und Vorschriften, ob nun vom Gesundheitsamt, vom Robert Koch-Institut oder von anderen Stellen, die alle eingehalten werden müssen.“
Der Austausch mit der Pflegedienstleitung und mit den Kolleginnen wird über Handy-Apps gewährleistet, denn Mitarbeiterbesprechungen gibt es derzeit nicht. „So erreichen die Informationen jeden von uns sehr schnell. Unsere Leitung hält so alles am Laufen.“
Unter den krisenbedingten Einschränkungen leidet auch das Familienleben der Baumanns. „Es tut schon weh, dass mein Mann und ich unsere Kinder und unseren kleinen Enkel nicht sehen können“, sagt Bettina Baumann.
„Es gibt zwar Videoanrufe, aber das ist nicht dasselbe wie eine persönliche Begegnung.“ Trotzdem sieht sie nicht nur Negatives: „Es wäre schön, wenn es die gerade spürbare Solidarität in der Gesellschaft und eine gewisse Entschleunigung im Alltagsleben auch nach der Krise geben würde.“
Zur Ruhe kommt Bettina Baumann nicht zuletzt in ihrem Garten. „Er ist eine Kraftquelle für mich.“ Kraft braucht sie für ihre Tätigkeit in der ambulanten Pflege.
Wenn sie unterwegs ist, denkt sie aber auch immer wieder ihre Berufskolleginnen und -kollegen in den Pflegeheimen. „Auch sie leisten gerade unglaublich viel. Auch vor ihnen habe ich sehr großen Respekt.“