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Wirtschaftsbeirat der OREG erstellt Bestandsaufnahme und setzt auf Kooperation

Fachleute aus der Odenwälder Wirtschaft zeichnen ein kritisches, aber nicht hoffnungsloses Bild der Coronakrise für die Odenwälder Wirtschaft

ODENWALDKREIS / ERBACH. - Wie bewerten Vertreter der Odenwälder Wirtschaft die derzeitige Lage und die möglichen Auswirkungen der Coronakrise für den Wirtschaftsstandort Odenwaldkreis und die heimische Wirtschaft?

Mit dieser Fragestellung hat der Vorsitzende des Wirtschaftsbeirats der Odenwald-Regionalgesellschaft mbH (OREG), Jürgen Walther, die Mitglieder des zwölfköpfigen Gremiums um ihre fachliche Einschätzung gebeten.

Damit ist die Odenwälder Wirtschaft auch in den Dialog um eine vollumfängliche Bewertung der gesamtgesellschaftlichen Lage eingetreten.

Die Satzung des Wirtschaftsbeirats regelt, dass das ehrenamtlich arbeitende OREG-Beratungsgremium vom Vorsitzenden der Industrievereinigung Odenwaldkreis (IVO) geführt wird.

Mit dieser Rolle wurde Walther von den Mitgliedern der IVO zum ersten Mal vor zehn Jahren betraut. „Die Gesellschaft und die Wirtschaft weltweit befindet sich in einer Situation ungekannter Herausforderungen. Keiner von uns weiß, was noch auf uns zukommt und keiner kann abschätzen, wie sich die Situation entwickelt“, hat Walther seiner Fragestellung vorangestellt.

Wie er, begrüßen auch andere namhafte Wirtschaftsvertreter der Region, dass sich in einer zweiten Phase der Krisenbewältigung neben Politiker und Virologen nun auch Fachleute aus Bereichen wie der Ökonomie, Psychiatrie und Psychologie, Agrar- und Sozialwissenschaftler in die Diskussion um weitere Maßnahmen eingebracht und ihre Empfehlungen für einen geordneten Ausstieg aus dem Shutdown abgegeben haben.

Zu den Stärken addiert Walther, dass die OREG und der Bereich Wirtschaftsförderung bereits in einem regen und förderlichen Austausch mit der heimischen Wirtschaft steht und das engmaschig gestrickte Netzwerk sich besonders jetzt in der Krise bewährt.

„Das Team rund um Geschäftsführer Marius Schwabe und Gabriele Quanz leisten hervorragende Arbeit. Wir begrüßen es sehr, dass der Wirtschafts-Service mit einer kostenfreien telefonischen Beratungsstelle den Odenwälder Unternehmen bei der Auskunft und Beantragung der Soforthilfen aus den Bundes- und Landesprogrammen tatkräftig zur Seite steht (siehe auch unter www.oreg.de/info-corona/).“

Aus der Rezession darf keine Depression werden

Der Vorstandsprecher der Volksbank Odenwald, Ralf Magerkurth, befürchtet, dass besonders der Mittelstand, die kleinen und mittleren Unternehmen, die Auswirkungen dieser Krise hart zu spüren bekommt.

Bundesweit treffe dies vorrangig auf die Gastronomie und Hotellerie und das Reisegewerbe zu, davon können auch Eventagenturen, Kinos, Fitness- oder Tanzstudios, der Messebau und Zeitarbeitsfirmen betroffen sein.

Als Schwachstelle der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen macht er die seitherigen Anforderungen an die Kapitaldienstfähigkeit aus. Damit existenzbedrohliche Ausmaße vermieden werden können, vertritt Magerkurth die Meinung, „dass wir bis Ende April beginnen müssen, die strikten Restriktionen aufzuheben. Aus der Rezession darf keine Depression werden.“

Sollte dieser Zustand noch Monate andauern, werde der wirtschaftliche Schaden auf immer größere Teile der Wirtschaft ausgeweitet, was im Land sehr tiefe Spuren hinterlassen könnte.

Auch Uwe Klauer sieht Handlungsbedarf bei den staatlichen Kreditprogrammen. „Der aktuell aufgelegte KfW-Schnellkredit für den Mittelstand (mit 100prozentiger Haftungsfreistellung) ist hierbei ein Schritt in die richtige Richtung.

Es bleibt zu hoffen, dass die Ausführungsbestimmungen eine Erleichterung für Unternehmen und Banken darstellen“, mahnt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Odenwaldkreis an.

Für sein Kreditinstitut versichert er, dass alle verfügbaren Kräfte im Einsatz sind und die kreditrechtlich zulässigen Spielräume genutzt werden, um den betroffenen Kunden schnell helfen zu können.

Auch Tino Klinger von der Klinger & Partner Steuerberater mbB in Reichelsheim/Bad König stellt eine große Verunsicherung hinsichtlich der Umsetzung der Förderprogramme fest: „Sollten die Voraussetzungen erfüllt sein, bedeutet es für die mittelgroßen Betriebe teils aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Andererseits erhält der Diplom-Betriebswirt positive Rückmeldungen in Bezug auf eine rasche Auszahlung von bewilligten Anträgen. Viele Mandanten gingen davon aus, dass sie einen Monat, eventuell auch noch weitere zwei bis vier Wochen länger finanziell überbrücken können; spätestens dann wird es aber existenzbedrohend.

Seiner Beurteilung nach greifen auch die von der Regierung kurzfristig beschlossenen steuerlichen Möglichkeiten wie die Anpassung der Steuervorauszahlungen, Steuerstundungen und -rückforderungen.

„Dies trägt zur Liquiditätsentlastung in den nächsten drei bis sechs Monaten zu einem nicht unwesentlichen Teil bei“, so Klinger. Dem Wirtschaftsbeirat gehört er als Vertreter der Odenwälder Sektion im Wirtschaftsrat Deutschland an.

Handwerk befürchtet Ausfall von Prüfungen

Für das Odenwälder Handwerk zeichnet der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Harald Buschmann, ein differenziertes Bild und lobt die Anstrengungen, dass durch Kurzarbeitergeld kurzfristige Insolvenzgefahren abgewehrt wurden.

„Insgesamt ist es sehr positiv zu bewerten, dass das Handwerk unter Berücksichtigung der Sicherheitsvorgaben weiterarbeiten kann und dies sogar wirtschaftspolitisch gewollt ist“, so Buschmann.

Besonders zu begrüßen sei, dass Nahrungsmittelhandwerker wie Bäcker und Fleischer in den kleinen Orten als Garant für die Lebensmittelversorgung eine neue Wertschätzung erfahren: „Viele Menschen, die jetzt zuhause sind, freuen sich wenigstens noch ein Angebot in unmittelbarer Nähe zu haben.“

Auch das Baugewerbe (Maurer, Maler, Zimmerleute) im Außenbereich sei noch nicht stark betroffen, obwohl zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen und Hygienevorschriften mitunter schwer zu organisieren seien. Besonders Firmenkunden nutzten jetzt die Zeit für Aufträge.

Bei Gewerken für den Innenausbau (Elektro, Sanitär, Tischler, aber auch Maler) seien Vorbehalte der Kunden verständlicherweise stärker. Auch hier stellt das Handwerk fest, dass bei vielen Betrieben ein Auftragsstau abgearbeitet wird.

Hart hat es das Kfz-Gewerbe, insbesondere der Handel mit Fahrzeugen, und auch Friseursalons getroffen. „Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen im Prüfungsbereich.

Durch die zeitlichen Verschiebungen der Prüfungen müssen eventuell Ausbildungszeiten verlängert werden“, gibt Buschmann zu Bedenken.

Ungerechtigkeiten schnellstmöglich beseitigen

Landrat Frank Matiaske betont, dass es ihm in der derzeitigen Situation wichtig ist, sowohl die Seite der Unternehmen und ihrer Inhaberinnen und Inhaber als auch die der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick zu haben.

„Viele machen sich verständlicherweise große Sorgen um die eigene Firma, aber auch darüber, ob der Kredit für das Eigenheim zurückgezahlt werden kann.“

Deshalb sei ein kompetentes Beratungsangebot in allen Bereichen wichtig. Mit Blick auf den „Shutdown“ dringt Matiaske darauf, dass im ersten Schritt Ungerechtigkeiten schnellstmöglich beseitigt werden müssten.

Für den Bereich der Industrie stellt Jürgen Walther als IVO-Vorsitzender fest, dass in dem für den Odenwald prägenden Bereich Kunststoff- und Kautschukverarbeitung sowie Maschinenbau ebenfalls ein differenziertes Bild zu zeichnen ist.

Während große Bereiche der Reifenproduktion in der Region weiterhin stillstehen, kommen die Kunststoff-Verarbeiter im Bereich der Medizintechnik mit ihren Kapazitäten kaum nach, den Bedarf zu bedienen.

Auch die Plexiglas-Verarbeiter arbeiten zum Teil im Schichtbetrieb, einerseits um die Ansteckungsgefahr unter den Mitarbeitern zu minimieren, andererseits aber auch um der großen Nachfrage nach sogenannten Spuck-Schutzen nachzukommen.

„Schwierig ist es auch für die großen Montagebetriebe, die auf die Lieferung von Komponenten aus Italien oder China angewiesen sind, um ihre Produkte herzustellen. Völlig eingebrochen hingegen sind die Aufträge der Werbeagenturen, der Event- und Messebranche“, ergänzt Walther.

Ãœber 700 Firmen beantragten Kurzarbeitergeld

Die Wirtschaftsvertreter stimmen darin überein, dass bei einer Lockerung der Abschottungsmaßnahmen Risikogruppen besonders berücksichtigt werden müssen.

Magerkurth geht fest davon aus, dass es weiterhin erhebliche Verhaltensregeln zu beachten geben wird, was auch auf den normalen Wirtschaftsbetrieb und die Speisegastronomie zutreffen wird.

„Großveranstaltungen bleiben problematisch und stehen wohl am Ende der Kette der Normalisierung.“ Die Politik sei gut beraten, den volkswirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, damit am Ende die vielen Förderprogramme und die Stabilität des Gesundheitswesens aufrechterhalten werden können.

Eine Ende März von der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar gestartete Blitzumfrage bestätigt, dass in Folge der verhängten Maßnahmen jedes vierte Unternehmen in Südhessen damit rechnet, dass der eigene Umsatz im laufenden Jahr um bis zur Hälfte einbrechen wird.

Von einer Insolvenz sehen sich 17 Prozent der Unternehmen bedroht. Mit 709 Firmen (von insgesamt 4014), die bis Ende März Kurzarbeitergeld beantragt haben, ist der Odenwaldkreis überdurchschnittlich stark betroffen (IHK-Bezirk gesamt: 6945 von insgesamt 45 829).

Zum Vergleich die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten: IHK-Bezirk 387 790; Odenwaldkreis 27 659. „Im Odenwaldkreis liegt der Anteil der Industriebeschäftigten mit 40 Prozent sogar über dem südhessischen Durchschnitt“, betont Dr. Daniel Theobald, der den Odenwaldkreis betreut.

Jetzt zahle es sich aus, „dass der Odenwaldkreis die Standortbedingungen für die Industrie immer im Blick und den Industriebesatz weiterentwickelt hat“.

Beratung in Wirtschaftsfragen: der Wirtschaftsbeirat

Der Wirtschaftsbeirat wurde im März 2017 vom Aufsichtsrat der OREG mit dem Ziel eingerichtet, die OREG und deren Gremien in grundsätzlichen Fragen der Wirtschaftsförderung zu beraten.

Dies erfolgt schwerpunktartig in der Zusammenarbeit von Wirtschaft und OREG, zu Maßnahmen zur Strukturpolitik, der Wirtschaftsförderung, der Ansiedlung von Unternehmen im Landkreis sowie zur Arbeitsplatzsicherung und –beschaffung.

Der Beratungsauftrag erstreckt sich ferner auf die Erhebung von grundsätzlichen Wirtschaftsdaten und deren Fortschreibung sowie auf die Abgabe von Vorschlägen, Anregungen oder Stellungnahmen gegenüber dem/der jeweils für die Wirtschaftsförderung zuständigen Dezernenten/Dezernentin zur Weiterleitung an den Kreistag und/oder Kreisausschuss.

Neben den namentlich zu Wort gemeldeten Mitgliedern gehören dem Wirtschaftsbeirat ferner Vertreter des Mentorennetzwerks, des Beruflichen Schulzentrums Odenwaldkreis, der Energiegenossenschaft Odenwald sowie der zuständige Dezernent des Kreisausschusses des Odenwaldkreises und zwei Vertreter der OREG an.