Bürgermeisterwahl: Erik Kadesch und Christian Kehrer in der Stichwahl
Zwei parteilose Kandidaten wollen mit unterschiedlichen beruflichen Voraussetzungen den Chefsessel der Stadtverwaltung Oberzent in Beerfelden besteigenOBERZENT. - Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Oberzent wählen am kommenden Sonntag, 27. Mai, in einer Stichwahl den ersten Bürgermeister ihrer zum 1. Januar diesen Jahres fusionierten Stadt.
Bei der Wahl am 29. April konnten sich Erik Kadesch (53) und Christian Kehrer (42, beide parteilos) unter sieben Kandidaten für die Stichwahl qualifizieren.
Für Kadesch votierten dabei 33,3 Prozent (1.819 Stimmen) der Wähler, Kehrer kam auf 24,2 Prozent (1.321) Zustimmung. Zur Stichwahl aufgerufen sind jetzt erneut knapp 8.400 Bürgerinnen und Bürgern der insgesamt rund 10.200 Bewohner der neuen Stadt.
FACT stellt die beiden Stichwahl-Kandidaten noch einmal vor und hat beide parteilosen Kandidaten erneut nach ihren Vorstellungen und Gewichtungen der Amtsführung und zu den jeweiligen persönlichen Voraussetzungen zur Führung des Bürgermeisteramtes in der drittgrößten Flächenstadt Hessens befragt.
In zahlreichen Vereinen aktiv
ERIK KADESCH (53, parteilos), ist in Haiger geboren, begann seine berufliche Laufbahn mit 16 Jahren bei der Polizei. Dort führte ihn sein Weg über den mittleren, gehobenen, bis in den höheren Dienst. Er ist Ansprechpartner der Mitteleuropäischen Polizeiakademie für sieben Länder in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
In Südhessen arbeitete er in den Direktionen Darmstadt-Dieburg, Odenwald, und jetzt Bergstraße in verschiedenen Führungsfunktionen. Privat ist er gerne in der Odenwaldregion mit dem Fahrrad unterwegs. Außerdem liest er gerne Krimis und berät auch den Autor Michael Kibler bei den Darmstädter Krimis.
Prädestiniert durch Studium des Verwaltungsrechts und Führungsqualitäten
Als Diplom-Verwaltungswirt mit abgeschlossenem Studium des Verwaltungsrechts und aufgrund seiner Führungsqualitäten, die er als kommissarischer Leiter der Polizeidirektion Bergstraße in Heppenheim mit rund 340 auf vier Dienststellen verteilten MitarbeiterInnen unter Beweis stellt, sieht sich Erik Kadesch prädestiniert für den Bürgermeisterjob in der jetzt fusionierten Stadt Oberzent.
Der Kriminalbeamte wohnt zusammen mit seiner Partnerin im Stadtteil Airlenbach, gemeinsam mit zwei Töchtern aus vorheriger Ehe und den beiden Söhnen seiner Lebensgefährtin.
Regional war bzw. ist er in die Arbeit diverser Vereine eingebunden. So betätigte er sich als Jugendtrainer bei der SG Rothenberg, seinem früheren Wohnort, spielte selbst Fußball beim FC Finkenbachtal und war dort zuletzt bei den alten Herren aktiv.
Er half aktiv mit bei den überregional bestens bekannten Guru-Guru Festivals in Finkenbach, ist Mitglied bei der Carneval-Gesellschaft (CGB) in Beerfelden, in der seine jüngste Tochter noch aktiv mitwirkt, bringt sich beim SV Airlenbach helfend ein, und ist über die früheren Pferdesportlichen Aktivitäten seiner beiden Töchter dem Reit- und Fahrverein Oberzent Beerfelden eng verbunden.
Stadtentwicklungskonzept als Basis allen Handelns
Die konkreten Vorstellungen des Stichwahlkandidaten Kadesch, der bei der Wahl am 29. April ein Wählerstimmenplus von 498 (9,1%) gegenüber seinem Mitbewerber vorlegen konnte, sind klar umrissen.
„Ich bleibe dabei, wie ich es in allen meinen bisherigen Wahlveranstaltungen gesagt habe, Basis allen künftigen Handelns kann nur ein vernünftiges Stadtentwicklungskonzept sein, das wir mit allen städtischen Gremien gemeinsam entwickeln und dann auch zügig im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten umsetzen müssen“, sagt Erik Kadesch.
„Zeigen, was in der Stadt Oberzent gut und schön ist“
Im Rahmen dieses Konzeptes, das natürlich auch schwerpunktmäßig den Tourismus einbinden müsse, „gilt für uns insbesondere, zu zeigen, was in der Stadt Oberzent gut und schön ist“.
Man müsse sich mit den hier vorhandenen Möglichkeiten keineswegs verstecken, und könne mutig die regionalen Vorzüge offenbaren. „Dabei denke ich insbesondere an eine positive Darstellung unserer Angebote in den elektronischen Medien“, zeigt Kadesch auf, was bisher eher weniger im Fokus der verantwortlichen Protagonisten stand.
Junge Familien im Fokus
Dabei komme jungen Familien ein besonderes Augenmerk zu. „Diesen mit attraktiven Kindergärten, einem gut eingeführten und funktionierenden Schulsystem, sowie unzähligen Freizeitangeboten in einer „absolut intakten natürlichen Umwelt“ das Bleiben oder Kommen schmackhaft zu machen, sei eine weitere wichtige Aufgabe, deren Impulse vom Rathauschef ausgehen müssten, und der er sich gerne stellen wolle.
Darüber hinaus müssten infrastrukturelle Maßnahmen nach einem Dringlichkeitskatalog und entsprechender Finanzierungs-Darstellung angepackt und umgesetzt werden.
Viele infrastrukturelle Maßnahmen im Dringlichkeitskatalog
„Dazu zählen neben der unabdingbaren zeitgemäßen Wasser- und Abwasserversorgung in allen Stadtteilen auch das Großprojekt Gesundheitsversorgungszentrum, dessen finale Realisierung über das inzwischen eingerichtete Provisorium hinaus zügig angepackt und in einer für alle Beteiligten vernünftigen Lösung münden muss.“
Selbstverständlich wolle er sich auch den schwierigeren Aufgaben stellen, sagt Erik Kadesch. Dazu zählt er vor allem die Ansiedlung weiterer Handwerks- und Gewerbebetriebe, um auch die Arbeitsplatz-Situation in der neuen Stadt zu verbessern.
„Allerdings dürfen wir uns in diesem Punkt nicht auf externe Vermittler verlassen. Das Beispiel Gewebegebiet Zieglersfeld zeigt, dass Eigeninitiative dringend gefordert ist.“ Das gleiche gelte auch für diverse Leerstände in der Innenstadt von Beerfelden.
„Ich bin zuversichtlich, im Falle meiner Wahl die einzelnen Aufgabenfelder im steten transparenten Dialog mit allen städtischen Gremien und den Bürgerinnen und Bürgern zum Wohle der gesamten Region leisten und die im Zuge der Fusion durchaus vorhandenen Zukunftschancen nutzen zu können“, wirbt Erik Kadesch abschließend um das Vertrauen der Wähler.
In Finkenbach verwurzelt
CHRISTIAN KEHRER (42, parteilos), ist Finkenbacher und lebt in diesem Oberzenter Stadtteil bis heute kinderlos zusammen mit seiner Lebensgefährtin, wo sie sich ein Einfamilienhaus nach ihren Vorstellungen umgebaut haben.
Nach einer Berufsausbildung und Tätigkeit als Fachangestellter in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen wurde Kehrer als Quereinsteiger Kassenverwalter der Gemeinde Rothenberg und später Leiter des Zweckverbandes „KommunalService Oberzent“, und ist seit der Fusion als Angestellter der Verwaltung der Stadt Oberzent tätig.
Haus und Garten beschäftigen den Stichwahl-Kandidaten ebenso wie er als aktiver Feuerwehrmann der Finkenbacher Wehr zum Schutz von Hab und Gut seiner Mitbürger tätig ist, während er seine früheren Funktionen im Kreisfeuerwehrverband, und hier insbesondere den Vorsitz bei der Jugendfeuerwehr, aus beruflichen Gründen aufgegeben hat.
„Parteiengeplänkel nicht mein Ding“
Kommunalpolitisch war Kehrer für eine Legislatur als Hospitant bei der sozialdemokratischen Fraktion im Odenwälder Kreistag tätig, ohne dort allerdings seine Erfüllung zu finden. Das Parteiengeplänkel sei nicht sein Ding gewesen und sei es auch weiterhin nicht, sagt Kehrer, der moniert, dass „aus parteitaktischen Gründen oftmals gute Anträge von der jeweiligen Gegenseite abgelehnt, oder zumindest korrigiert würden, nur um eigene politische Vorteile daraus zu generieren“.
Deshalb wolle er zwar mit allen Parteien und politischen Gruppierungen zum Wohl der Stadt zusammenarbeiten, ansonsten jedoch politisch unabhängig bleiben. So hat Kehrer eine Wahlunterstützung durch die SPD zur bevorstehenden Stichwahl noch im Vorfeld deren Entscheidungsfindung abgelehnt.
Künftige Vorgehensweise festlegen
498 Wählerstimmen Rückstand gegenüber seinem am 29. April besser postierten Mitbewerber aufzuholen und Verwaltungschef in der neuen Stadt Oberzent zu werden ist auch das Ziel von Christian Kehrer.
Für den Fall des Erfolgs nennt er als Hauptaufgabe gemeinsam mit den städtischen Gremien ein handlungsfähiges Konzept zur künftigen Vorgehensweise zu erstellen. Priorität habe dabei vor allem die weitere Planung des unabdingbaren Gesundheitsversorgungszentrums.
„Alte Baustellen“ abarbeiten und in Zukunft investieren
„Aber auch die alten Baustellen aus den seither vier Kommunen müssen angegangen und die Infrastruktur vor allem bezüglich der Straßen sowie der Wasser- und Abwasserversorgung deutlich verbessert werden“, sieht Kehrer erheblichen Staubeseitigungsbedarf.
Das touristische Highlight mit dem Bikepark auf der Sensbacher Höhe ist in seiner technischen Ausstattung nicht mehr zeitgemäß. Was, wie, und in welchem Umfang hier getan werden muss sei Aufgabe der neuen städtischen Gremien.
Dabei gelte es verschiedene Optionen klug auszuloten und Investitionen an der richtigen Stelle zu platzieren. Hier sei vor allem eine rasche Entscheidung vonnöten, „um die benötigte EU-Förderung für diese Maßnahme zu erhalten“.
Tourismus weiter stärken
Insgesamt müsse der Tourismus in der gesamten Odenwald-Region wie speziell in der neuen Stadt Oberzent weiter gestärkt werden. „Dies muss in enger Kooperation mit Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben, der Bürgerschaft sowie Vereinen und Institutionen erfolgen.“
Dazu gelte es aber zunächst auch, „dass man sich mit der kommunalen Politik an einen Tisch setzt, die Möglichkeiten auslotet, die Rahmenbedingungen im Haushalt verankert und dann umsetzt“, will sich Kehrer zunächst einen Situations-Überblick verschaffen.
„In dieser Materie nicht so drin“
Angesprochen auf aktuell konkrete Problemfälle im Stadtteil Rothenberg, bei denen teilweise horrende Anliegerbeiträge für Anwohner einer Straße anfallen, durch die Versorgungsleitungen für ein neu zu erschließendes Baugebiet führen, ohne dass die betreffenden Grundstückseigentümer Nutzen davon hätten, passt Christian Kehrer.
„In dieser Materie bin ich nicht so drin, war seither in der Kommunalverwaltung damit nicht befasst, und kann dazu auch nichts sagen.“
„Stadt muss in die Vermarktung einsteigen“
Defizite sieht der Stichwahlkandidat bis dato auch in der Vermarktung des Gewerbegebiets „Zieglersfeld“ im Stadtteil Beerfelden. „Hier ist die Vermarktung der Grundstücksflächen über die Hessische Landgesellschaft (HLG) nicht sehr zielführend“, hat Kehrer erkannt. Deshalb müsse sich die Stadt engagieren und „in die Vermarktung mit einsteigen“, um Arbeitsplätze zu generieren.
Auch wenn in der jüngsten Stadt Hessens aufgrund der guten technischen Voraussetzung z.B. im Bereich Dienstleistungen Telearbeitsplätze entstehen könnten, dürften Industrie- und Handwerksbereiche nicht aus dem Fokus gleiten.
„Keine realitätfernen Ziele ansteuern“
Problematisch sieht Christian Kehrer die Leerstände in der Innenstadt. Hier könne man gegebenenfalls mit der Umwidmung von Geschäfts- in Wohnräume entgegensteuern, während die Rückführung in eine belebte Geschäftstätigkeit ausgeschlossen erscheine.
„Dazu sind die Kaufgewohnheiten der Menschen, die heute im Internet und bei entsprechenden Großstadtevents shoppen, zu sehr verändert, als dass man solche realitätsfernen Ziele ansteuern sollte.“