Kohlestück kann Geschichte erzählen
GÜTTERSBACH. - Die AG Altbergbau Odenwald, möchte man annehmen, ist in alten Stollen tätig, auf Abraumhalden, in Steinbrüchen und natürlich Heimatmuseen – nicht jedoch in einer Kirche.
Und doch ist es die evangelische Quellkirche in Güttersbach, die nun zum Anziehungspunkt für Mitglieder der AG geworden ist; und dies durchaus im Sinne ihres ureigensten Anliegens.
Ein Zufall führte sie auf eine Spur: „Eigentlich waren wir gekommen, um den Iroschottenstein anzuschauen“, erzählt Jochen Babist, der beim Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald mit Dienstsitz in Lorsch unter anderem für Geotopmanagement zuständig ist.
Dieser Stein stellt ein uraltes Zeugnis der lokalen Glaubensgeschichte dar und wird im Güttersbacher Gotteshaus aufbewahrt.
Die Kirche wird nach einer aufwändigen Außenrenovierung (wie mehrfach berichtet) nun auch im Inneren saniert, und die Gelegenheit, die Wände mal ohne Putz – dieser wird im unteren Bereich wegen Feuchtigkeit nämlich ebenfalls erneuert – zu sehen, wollten sich die Mitglieder der AG Altbergbau ebenfalls nicht entgehen lassen.
Was die Bergbauhistoriker dann zu sehen bekamen, verblüffte sie: In einer Fuge fand sich ein vermutlich als Füllmaterial verwendetes Kohlestückchen, an anderer Stelle ein größeres Stück Schlacke, wie es bei der Eisenverhüttung entsteht; darin befand sich ebenfalls Holzkohle.
„Von unserer ehrenamtlichen Forschungsstelle in Reichelsheim aus beschäftigen wir uns derzeit mit Verhüttungsfolgen in der Region“, so Diplom-Geologe Babist. Dazu könnte nun dieser Fund – ausgerechnet aus einer Kirchturmmauer – interessante Auskünfte liefern.
Doch nicht nur das: „Bisher nahm man an, dass das unterste Turmgeschoss zwischen 1210 und 1230 erbaut worden ist“, weiß die für die Renovierungsarbeiten zuständige Architektin Gesine Stöcker (Michelstadt).
Es könnte aber sein, dass der Turm in diesem Bereich noch älter ist als bislang gedacht, vielleicht sogar wesentlich älter. Dazu bleibt nun das Ergebnis der Gutachten abzuwarten, die Jochen Babist in enger Zusammenarbeit mit Hessen-Archäologie in Auftrag gegeben hat.
Das Kohlestückchen kann nämlich auf jeden Fall etwas über sein Alter verraten, und auch das Schlackestück werden die Fachleute auf ihre Weise zum Sprechen zu bringen versuchen; ein Echo wird indessen noch einige Zeit auf sich warten lassen.
Das Kircheninnere ist derzeit geprägt durch ein Gerüst, die Bänke wurden ausgelagert. Im Zuge der Arbeiten bekommt die Kirche eine neue moderne Beleuchtung und Audioanlage, teilweise neuen Putz und einen komplett frischen Innenanstrich.
Einige Fenster sind schon erneuert, andere folgen noch. Das Sakristeifenster ist zur Überarbeitung in eine Fachwerkstatt gebracht worden, und das Buntglasfenster des namhaften Michelstädter Glaskünstlers Heinz Hindorf (1909-1990) im Chorraum bekommt eine neue Außen-Schutzverglasung.
Eine automatische Be- und Entlüftung wird die Feuchtigkeitsprobleme in der Kirche minimieren. Die Heizung des Gotteshauses war bereits kurz vor den aktuellen Innenarbeiten erneuert worden.
Kirchenbaustellen bergen immer wieder Überraschungen, fördern ab und an Erstaunliches zutage: Im vergangenen Sommer waren es, wie berichtet, an der evangelischen Kirche in Lützel-Wiebelsbach Skelette, die unter dem Kirchenboden gefunden wurden und die darauf hindeuten, dass hier eine Vorgängerkirche kleiner war, sodass später ein Teil des ehemaligen Außenbereichs (Friedhof) überbaut worden ist.
In Güttersbach könnten es nun also Bergbaurelikte sein, die dann gleich zweifach die Geschichtsschreibung bereichern: für die Geologen und Bergbauhistoriker einerseits und für die regionalen Kirchengeschichtler andererseits. Und es gibt auch diejenigen, die gleichzeitig an beidem interessiert sind: Heimatforscher.
Die Güttersbacher freilich freuen sich vor allem auf den Tag, wenn ihre rundum erneuerte Kirche wieder zugänglich und als Gotteshaus nutzbar sein wird. Im Spätsommer könnte es so weit sein, hofft Pfarrerin Xenia Mai.
Was die Kosten der Arbeiten anbetrifft, freuen sich Pfarrerin und Kirchenvorstand weiterhin über Spenden: 435.000 Euro sind für die Innenrenovierung angesetzt.
Den größeren Teil davon übernimmt die Landeskirche, aber wer die Kirchengemeinde bei ihrem Anteil finanziell unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende auf folgendes Konto tun: IBAN DE70 5086 3513 0006 0001 42, BIC GENODE51MIC.