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Ein heißer Draht in pandemischen Zeiten

Rund 1.760 Anrufe auf dem Sorgentelefon des Roten Kreuzes haben Friedel Weyrauch (Foto) und ihre Kollegin Karin Pohl im Jahr 2021 verzeichnet. Foto: Michel Lang, DRK-Odenwaldkreis

Sorgentelefon der Roten Kreuzes verzeichnet erhöhte Frequenz an Anrufen

ERBACH. - Das breit gefÀcherte Angebot an Selbsthilfegruppen ist bundesweit ein Alleinstellungsmerkmal des Deutschen Roten Kreuzes im Odenwaldkreis.

Doch auch wer zwischen Hamburg und MĂŒnchen oder zwischen Görlitz und SaarbrĂŒcken die Nummer des DRK-Sorgentelefons wĂ€hlt, ist beim hiesigen Kreisverband mit den dort tĂ€tigen Ansprechpartnerinnen verbunden.

Das Hilfetelefon betreuen im Ehrenamt Karin Pohl und Friedel Weyrauch, die diese Idee 1998 aus der Taufe gehoben hat. Zu tun haben die beiden reichlich, denn gerade wÀhrend der Pandemie, wo Vereinzelung und auch Einsamkeit ein permanentes Thema sind, wird der Rat der beiden erfahrenen Frauen hÀufig nachgefragt.

Schon 2020 war die Frequenz der nach Rat suchenden Anrufer mit rund 760 GesprÀchen bemerkenswert, 2021 verzeichnete Weyrauch nahezu 1.760 Kontakte. An was liegt dies?

„Da kommt die Änderung zum Tragen, dass wir unter der Telefonnummer 06062 / 607-670 nun tĂ€glich zwischen 8 und 22 Uhr zu erreichen sind und nicht nur wie zuvor an den Wochenenden.

Doch dieser Anstieg um mehr als das Doppelte, ist nicht nur mit den erweiterten Zeiten zu begrĂŒnden. Das wĂ€re zu kurz gegriffen. Zwei Jahre und etwas mehr in der Pandemie hinterlassen Spuren in den Familien“, erklĂ€rt Friedel Weyrauch.

HĂ€ufig riefen erwachsene Kinder an, die nicht mehr weiterwissen, weil ein Elternteil mit dem Trinken begonnen hat, erzĂ€hlt Weyrauch, die selbst auf eine Alkoholgeschichte zurĂŒckblicken kann.

„Wir empfehlen dann hĂ€ufig den Hausarzt als Anlaufpunkt, eine Beratungsstelle oder, je nach unserer EinschĂ€tzung, auch eine Selbsthilfegruppe vor Ort.“

Auch rĂŒckten illegale Drogen mehr in den Vordergrund der GesprĂ€che. Ebenso mĂŒssen sich die Beraterinnen mit Medikamenten- oder Spielsucht beschĂ€ftigen, die Kaufsucht und ĂŒberbordender Medienkonsum seien ebenso hĂ€ufige Themen der GesprĂ€che. Diese können zwischen 30 und 45 Minuten beanspruchen und erfordern sowohl sachliches Wissen als auch Erfahrung.

„Wichtig ist, dass man weiß, welche Beratungsstelle fĂŒr das jeweilige Problem zur VerfĂŒgung steht. Das ist im Odenwald weniger ein Problem, doch oft mĂŒssen wir recherchieren, auch Google leistet hierbei gute Dienste“, weiß Friedel Weyrauch.

Denn Beratungen oder gar therapeutische Empfehlungen geben die Damen nicht. „Wir sind ja keine Psychologinnen, sondern schenken den Anrufern ganz offen unser Gehör und geben ihnen Adressen an die Hand, die fachkompetent helfen können.“

Dieses Zuhören, ohne zu unterbrechen, sei eine Kernkompetenz. Auch mĂŒsse man die verschiedenen Schicksale ertragen können, beschreibt die Fachfrau ihre TĂ€tigkeit und sagt, dass eine Kollegin dies probiert, aber aufgrund der Belastung aufgegeben habe. Schließlich seien TrĂ€nen keine Seltenheit. „Manches nimmt man natĂŒrlich mit nach Hause und legt es nicht mit den Kleidern ab.“

Zumal ja auch wiederholte Anrufe der Hilfe suchenden Menschen zu ihrem Problem vorkĂ€men. „Da steigt man automatisch mental in die Sache mit ein und muss gleichzeitig versuchen, die Dinge nicht zu nah an sich heranzulassen!“

Nicht alleine die Sucht ist Thema der GesprĂ€che. Vermehrt riefen aktuell auch Eltern oder Großeltern an, die Rat suchen, weil der Enkel seinen Job im Zuge der Pandemie verloren habe und von Arbeitslosigkeit oder im Extremfall von Obdachlosigkeit bedroht sei.

Da das Angebot der offenen Ohren und einfĂŒhlsamen Herzen sich in den fast 25 Jahren herumgesprochen habe, meldeten sich immer hĂ€ufiger auch direkt Betroffene.

Was ist der Lohn fĂŒr diese ehrenamtliche TĂ€tigkeit? Friedel Weyrauch schmunzelt: „Das ist in erster Linie die unglaubliche Dankbarkeit der Anrufer, die praktische RatschlĂ€ge erhalten und empathische Zuhörerinnen finden.

SelbstverstĂ€ndlich stehen wir unter Schweigepflicht und beantworten auch anonyme Anrufe. Schließlich ist nach den GrundsĂ€tzen des Roten Kreuzes das Helfen unser Gebot. Und der Bedarf danach ist gerade jetzt gegeben. Die Zahlen belegen dies.“