Bürgermeister: „Von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nichts verstanden“
Erbachs Rathauschef Dr. Peter Traub rüffelt Kritiker des Magistratsbeschlusses zur Abkehr vom Bündis >Odenwald gegen Rechts< + + + Stadtparlament artikuliert heftige KritikERBACH. - Erwartungsgemäß drängte die seit Tagen heißeste Odenwald-Thematik alle wichtigen Wahl- und Gremienbesetzungsentscheidungen im Erbacher Stadtparlament in den Hintergrund.
Die Mandatsträger der Odenwälder Kreisstadt lieferten sich in ihrer jüngsten Sitzung heftige Wortgefechte rund um den Magistratsbeschluss zur städtischen Abkehr vom Bündnis >Odenwald gegen Rechts<.
„Zwölf Namen zur Erinnerung und als Hinweis, was zu tun ist“, präsentierte GRÜNEN-Abgeordneter Bert Rothermel: Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu – 20. Februar 2020, Hanau – Jana Lange, Kevin Schwarze – 9. Oktober 2019, Halle – Walter Lübcke – 1. Juni 2019, Wolfhagen.
Hanau keine 50 Kilometer Luftlinie entfernt
„Namen nur der letzten Mord-Opfer rechtsradikaler Gewalt. Hanau, Halle, Wolfhagen – Nach Hanau sind es keine 50 Kilometer Luftlinie“, erinnerte Rothermel.
Und dann seien da Sätze wie jene von Alexander Gauland: „Wir werden sie jagen“, „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, „Wir werden die Deutschtürkin in Anatolien entsorgen können“;
von Jörg Meuthen: „Bescheidenheit bei der Entsorgung von Personen ist unangebracht“; von Mirko Welsch: „Antifa? Ab ins KZ“; von Björn Höcke: „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen“, „Wir werden leider ein paar Volksteile verlieren, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“, „Das Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird“ - Sätze, ebenfalls zur Erinnerung und als Hinweis, was zu tun sei.
„Sätze von Biedermännern und Brandstiftern“
„Sätze von Biedermännern und Brandstiftern, geistigen Klima- und Brunnenvergiftern, in ihrer Konsequenz tödliche Sätze. Innenminister Horst Seehofer hat nicht nur wegen der Morde, sondern wegen dieser Sätze auf schreckliche Weise Recht, wenn er den Rechtsextremismus als die größte gegenwärtige Bedrohung beschreibt“, konstatierte der GRÜNEN-Sprecher zur Begründung des gemeinsamen SPD- und GRÜNEN-Antrags den Magistratsbeschluss, das Bündnis >Odenwald gegen Rechts< nach 15-jähriger Partnerschaft nicht weiter zu unterstsützen.
„Wer nicht bereit ist diesen Sätzen der Biedermänner und Brandstifter zu widersprechen, wer mit diesen Sätzen leben kann, sie verharmlost, wer mit den Biedermännern und Brandstiftern zusammen demonstrieren kann, mit ihnen in einer Partei sein kann, stellt sich selbst mit ihnen gemeinsam außerhalb des von kommunaler Neutralität geschützten Raums.
Er wird nicht ausgegrenzt, sondern stellt sich selbst außerhalb des demokratischen Raums, egal mit wieviel Stimmen er in welches Parlament auch immer gewählt worden ist.“
Neutralität einer Stadt kann nie Selbstzweck sein
Die für den fatalen Magistratsbeschluss angeführte Neutralität einer Stadt könne nie Selbstzweck sein, sondern diene einzig und allein dazu, das demokratische Gemeinwesen und den demokratischen Diskurs zu schützen, ihn offen und möglich zu erhalten.
„Diesen Geist dieser gesetzlichen Verpflichtung müssen wir berücksichtigen, wenn wir über >Neutralität< diskutieren.
Soll Neutralität demokratisch beseelt sein und nicht zum bloßen politischen Kalkül und zur Entschuldigung für Bequemlichkeit verkommen, erfordert sie das Einmischen, erfordert engagiert >intolerantem Verhalten, Gewalt, Extremismus aller Art, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie nachhaltig entgegenzutreten<, erfordert die Mitgliedschaft der Stadt Erbach in >Odenwald gegen Rechts<.
Bündnis 90 /Die Grünen und die SPD wissen sich mit ihrem Antrag einig und verbunden mit vielen Gruppen und Organisationen der Zivilgesellschaft Erbachs und des Odenwalds unter anderem dem DGB und der Gewerkschaft verdi, dem Evangelischen Dekanat Odenwald, d.h. dem Verbund aller evangelischer Kirchengemeinden im Odenwald und dem >Rat der Religionen<.
„Haben ein umfassendes und gutes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“
Gruppen und Organisationen, die, Herr Bürgermeister, ein sehr umfassendes und gutes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie haben“, sprach Rothermel Bürgermeister Dr. Peter Traub persönlich an, nachdem dieser den Kritkern der städtischen Abkehr vom Bündnis attestiert hatte, wer die städtische Positionierung in Zweifel ziehe, hätte „von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nichts verstanden“,
Per Dringlichkeitsbeschluss hatten SPD- und GRÜNEN-Fraktionen einen gemeinsamen Antrag eingebracht (Zulassungs-Zustimmung bei einer Gegenstimme aus den Reihen der ÜWG und zwei Enthaltungen der AfD) die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen den Beschluss des Magistrats vom 10. Mai 2021 zum Austritt aus dem Bündnis >Odenwald gegen Rechts< aufzuheben und die Stadt Erbach möge im Bündnis unter den bisherigen Bedingungen verbleiben.
>Odenwald gegen Rechts< eine wertvolle Initiative
Zur Begründung führten die Fraktionsvorsitzenden Christa Weyrauch (GRÜNE) und Gernot Schwinn (SPD) an, das Bündnis >Odenwald gegen Rechts< sei eine wertvolle Initiative Odenwälder Bürgerinnen und Bürger, das sich zum Ziel gesetzt habe, intolerantem Verhalten, Gewalt, Extremismus aller Art, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie nachhaltig entgegen zu treten.
Das Bündnis setze sich für eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen ein. Die Initiative existiere seit 2006 und werde auf breiter Bais von zahlreichen OdenwälderInnen, Kommunen, Kirchen und weiteren Gruppierungen unterstützt. Die Stadt Erbach unterstütze die Initiative seit 2015.
„Magistratsbeschluss schadet der wichtigen Arbeit der Initiative“
Der Austrittsbeschluss des Magistrats vom 10.05.2021 habe eine öffentliche Debatte zur Folge, die nur das beantragte Ergebnis zulasse. Der Magistratsbeschluss schade der wichtigen Arbeit der Initiative >Odenwald gegen Rechts< und dem öffentlichen Ansehen der Stadt Erbach und ihrer Bürgerinnen und Bürger und sei umgehend zurückzunehmen.
Diesem Begehren stellte sich Bürgermeister Dr. Peter Traub entschieden entgegen. Der Magistrat habe „mit überwältigender Mehrheit“ beschlossen, „das beim DGB aufgehängte Bündnis nicht länger zu unterstützen“.
>Fahrradposse< war Auslöser des Magistratsbeschlusses
Auslöser sei in der Tat die sogenannte >Fahrradposse< vor Ostern (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews) gewesen, räumte Traub unumwunden ein.
„Mitglied waren wir nie. Man kann dieses Bündnis nur unterstützen – oder eben nicht. Partner waren wir schon zweimal nicht“, sagte der Bürgermeister und begründete dies damit, dass man ansonsten in die Planungen des Bündnisses eingebunden gewesen wäre, und es zu der bekannten Fahrradposse erst gar nicht hätte kommen dürfen.
Im Wesentlichen seien es juristische Gründe, die einer städtischen Unterstützung des Bündnisses entgegen stünden, insbesondere weil die AfD als demokratisch gewählte Partei durch Bündnis-Aktivitäten Nachteile erleiden könnte.
„Wir als Stadt können und dürfen das nicht“
„Wir als Stadt können und dürfen das nicht“, ist Traub von der Richtigkeit des Magistratsbeschlusses überzeugt und ergänzt: „wir können, wollen und werden dieses Bündnis nicht mehr unterstützen“.
Das Bündnis leiste zweifellos gute Arbeit, „äußert sich aber klar gegen eine Partei“. So gehe es schlicht um die Frage: „Wo engagieren wir uns rechtskonform?“
Man sei gegenwärtig dabei, sich nach einer Alternative umzusehen, um zu dokumentieren, dass man sich sehr wohl auf dem Boden des rechtsstaatlichen Gemeinwesens befinde und jegliche Art von Hass, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus entgegen stelle.
Kein Verständnis für infame Unterstellungen und Beleidigungen
Kein Verständnis aber habe er für die infamen Unterstellungen und Beleidigungen, die in den vergangenen zwei Wochen seit Bekanntwerden des Magistratsbeschlusses zahlreich über soziale Medien bei der Stadtverwaltung eingegangen seien. „Wer schreibt, der bleibt“, sagte Peter Traub, „und das Netz vergisst nichts, und ich übrigens auch nicht.“
Diese Aussage brachte den GRÜNEN-Vertreter Bert Rothermel in Rage, der das als Drohung empfand und darauf bestand die Äußerung im Protokoll festzuhalten, während seine Fraktionschefin Christa Weyrauch Traub entgegnete das Bündnis richte sich nicht gegen eine einzelne Partei wie von ihm skizziert, sondern führe den Namen >Odenwald gegen rechts<.
„Extremismus gehört hier nicht hin“
ÜWG-Fraktionschef Michael Gänssle konstatierte, dem Vortrag von Bert Rothermel sei nichts hinzuzufügen. „Extremismus gehört hier nicht hin. Was Sie zitiert haben, sind auch meine Standpunkte.“
Allerdings sei zu hinterfragen, wie in dem Bündnis Beschlüsse gefasst würden. „Wo werden Entscheidungen getroffen?“, fragte Gänssle. „Die Art und Weise, wie das jetzt läuft, missfällt mir.“ Er sei jederzeit dafür, sich gegen Extremismus zu positionieren, aber wenn die Stadt als Partner fungiere, müsse sie auch Einfluss nehmen können und das sehe er bisher nicht.
„Es geht gegen den rechten Flügel Ihrer Partei“
Carl-Friedrich Stracke (SPD) verwies auf den Ursprung der gesamten Diskussion, der ausschließlich in der Fahrradposse begründet liege und versicherte den beiden AfD-Vertretern im Erbacher Parlament „es geht nicht gegen Sie persönlich, sondern gegen den rechten Flügel Ihrer Partei“.
Und der sozialdemokratische Fraktionschef Gernot Schwinn ergänzte: „Wir reden nicht über die AfD, sondern über das Bündnis >Odenwald gegen Rechts< und das schließe Extremismus aller Art ein. Die Verbindung zur AfD sei ausschließlich vom Magistrat hergestellt.
„Stadt verhält sich nicht rechtswidrig, wenn sie Bündnis ideell unterstützt“
Damit unterstelle der aktuelle Magistrat seinen Vorgängern, die diese Partnerschaft auf den Weg gebracht hatten, ebenso wie allen anderen unterstützenden Kommunen rechtswidriges Verhalten. „Die Stadt verhält sich nicht rechtswidrig, wenn sie dieses Bündnis ideell weiter unterstützt.“
Michael Gänssle schlug schlussendlich vor, man solle sich Zeit nehmen, um die juristische Frage zu klären, und dann das weitere Vorgehen zu besprechen. „So, wie es in den vergangenen sechs Jahren gelaufen ist, kann es jedoch nicht weitergehen“, befand der ÜWG-Vertreter.
Diesem Vorschlag stimmten die Antragsteller der SPD und GRÜNEN zu, womit die Beschlussfassung zur möglichen weiteren Unterstützung des Bündnisses vertagt wurde.
Weiter fünf Ausschüsse mit jetzt je acht Mitgliedern
Zuvor hatten die Mandatsträger neben dem schon konstituierten Haupt- und Finanzausschuss weitere vier Ausschüsse mit je acht Mitgliedern gebildet. Damit werden weiterhin zu Sitzungsvorbereitungen ein Bau-, Sozial-, Markt- und Partnerschaftsausschuss aktiv bleiben.
Die Erhöhung der Ausschussmitglieder von seither sieben auf nunmehr acht erfolgte auf CDU-Antrag und dient ausschließlich den Christdemokraten selbst, die so jeweils einen zweiten Ausschusssitz erhalten.
SPD, ÜWG und CDU erhalten jeweils zwei Sitze, die GRÜNEN besetzen einen Sitz und im Losverfahren zwischen den Fraktionen der FDP und AfD um den jeweils letzten freien Ausschusssitz erhielt die AfD in allen Ausschüssen das Mandat.
Das Ergebnis der geheimen Wahlen für die Vertreter der Verbandsversammlungen ergaben folgende Besetzungskonstellationen:
- Abwasserverband Mittlere Mümling: SPD 3 Vertreter, ÜWG 2 Vertreter, CDU 2 Vertreter, GRÜNE 1 Vertreter
- Müllabfuhr-Zweckverband Odenwald :SPD 2 Vertreter, ÜWG 1 Vertreter, CDU 1 Vertreter, GRÜNE 1 Vertreter
- Hallenbadzweckverband im Odenwaldkreis: SPD 1 Vertreter, ÃœWG 1 Vertreter, CDU 1 Vertreter, GRÃœNE 1 Vertreter
- Zweckverband Zentrum Gemeinschaftshilfe: SPD 1 Vertreter, ÃœWG 1 Vertreter, CDU 1 Vertreter
- Wasserverband Mümling: SPD 1 Vertreter, ÜWG 1 Vertreter
- KIV Kommunale Informationsverarbeitung Hessen (ekom21): SPD 1 Vertreter
- Verwaltungsrat für die Wasserversorgung Erbach AöR: SPD 2 Vertreter, ÜWG 2 Vertreter, CDU 1 Vertreter, GRÜNE 1 Vertreter, AfD 1 Vertreter
- Forstzweckverband Hessischer Odenwald (FHO): CDU 1 Vertreter.