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„Wieder ein Stück Normalität und Struktur finden“

Die Intensivklasse DAZ 3 mit ihrer Klassenlehrerin Julia Giebenhain (hinten rechts). Foto: Dr. Martin Schmidl

Wie die Reichelsheimer Georg-August-Zinn-Schule geflüchteten Kindern aus der Ukraine Halt und Orientierung gibt

REICHELSHEIM. - Serhii ist 17 Jahre alt. Im Frühjahr floh er mit seiner Familie vor dem russischen Angriffskrieg aus seiner Heimat - der Ukraine.

Serhii war ein sehr guter Schüler. Am Ende der 11. Klasse hätten für ihn die Abiturprüfungen angestanden. Doch jetzt ist alles anders. Serhii sitzt nun jeden Morgen im fast 2000 Kilometer entfernten Reichelsheim in einer Intensivklasse für Kinder aus der Ukraine.

Wie überall in Deutschland ist auch an der Georg-August-Zinn-Schule (GAZ) die Nachfrage nach Plätzen in einer solche Intensivklasse groß. Derzeit werden in Reichelsheim 43 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine unterrichtet.

„Es sind elementare Dinge, die die Kinder, die oft tagelang auf der Flucht waren, in einer Intensivklasse erfahren: Vom Erlernen der deutschen Sprache, über soziales Miteinander, bis hin zu wichtigen Grundlagen des deutschen Schulsystems, die den Übergang in eine Regelklasse ermöglichen“, erklärt Serhiis neue Klassenlehrerin Julia Giebenhain.

Die Studienrätin mit abgeschlossenem Studium im Fach „Deutsch als Zweitsprache“ - kurz DAZ - erläutert, dass es an der GAZ Intensivklassen schon seit vielen Jahren gebe.

„Egal wo die Kinder herkommen – in der Schule finden sie wieder ein Stück Normalität und Struktur, die ihnen Halt und Orientierung gibt“, so Giebenhain. Dafür stehen an der Reichelsheimer Bildungseinrichtung gleich mehrere qualifizierte Lehrkräfte bereit.

Neben Giebenhain, die seit knapp drei Jahren die DAZ-Fachschaft an der GAZ leitet, stehen auch Marine Hervé und Volha Senker als Klassenlehrerinnen einer Intensivklasse vor.

Während Hervé in ihrer Klasse auch Schüler aus Syrien, Afghanistan und anderen europäischen Staaten unterrichtet, leiten Giebenhain und Senker ausschließlich Intensivklassen für Kinder aus der Ukraine.

Eine Besonderheit ist, dass Senker selbst aus der Region stammt. Seit Beginn des Krieges kümmert sie sich um die im Gersprenztal untergebrachten Geflüchteten. Als sie an die GAZ kam, um dort auch zu unterrichten, war dies ein „großer Segen für uns“, sagt Giebenhain.

Und obwohl Senker eine nicht wegzudenkende Hilfe bei den vielfältigen Übersetzungsaufgaben ist, handelt es sich bei der Organisation und Praxis der Intensivklassen nach wie vor „um eine Mammutaufgabe, die täglich große Herausforderungen für große Teile des Kollegiums mit sich bringt“, erklärt Kirsten Latscha als zuständiges Schulleitungsmitglied.

Latscha verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass nicht nur die DAZ-Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Lehrkräfte einer Regelklasse über das eigentliche Unterrichtsgeschehen hinaus gefordert sind.

Eine entscheidende Rolle bei der gelungenen Umsetzung spiele die Digitalisierung des Unterrichts, die an der GAZ immer besser funktioniere.

Die digitalen Endgeräte, die der Odenwaldkreis als Schulträger seit geraumer Zeit den Schulen zur Verfügung stelle, seien dabei eine enorme Unterstützung.

Dem schließt sich auch Serhii an, der, wie alle anderen DAZ-Schüler auch - neben dem Unterricht in seiner DAZ-Klasse, einer Regelklasse zugeordnet wurde. Hier lernt er wie seine deutschen Mitschüler auch Mathematik und Englisch nach dem ganz normalen Lehrplan.

Sein Abitur möchte Serhii nun in Deutschland ablegen und seine Klassenlehrerin bestärkte ihn dabei. Die sichtbare Dankbarkeit, die die Kinder ihren Lehrerinnen und Lehrern entgegenbringen, gibt sie gerne zurück.

„Es sind motivierte, intelligente und liebenswerte Menschen, mit denen die Arbeit sehr viel Freude macht“, so Giebenhain.